Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 96. Juristische Personen. Verfassung. anzusehen (b): dadurch wurden zugleich die Städte in Ita-lien den Provinzialstädten immer ähnlicher. Diese neuere Städteverfassung ist es, welche schon zur Zeit der ausge- bildeten Rechtswissenschaft vorhanden war, und welche uns in den Justinianischen Rechtsbüchern dargestellt wird. -- Die Grundzüge dieser Verfassung sind folgende. Alle öffentliche Gewalt ruht in dem ordo, welcher aber nur als verfassungsmäßig handelnd angesehen wird, wenn we- nigstens zwey Drittheile seiner überhaupt vorhandenen Mit- glieder versammelt sind. Sind also diese versammelt, so stellt eine solche Versammlung den ganzen ordo vor, und man soll nicht etwa die Anwesenheit einer noch größeren Zahl, oder gar Aller, fordern, weil sonst die Verhinde- rung mehrerer Decurionen alle Geschäfte hemmen könnte; fehlt es an jener Anzahl, so gilt die Versammlung nicht als ordo, und kann keine gültige Beschlüsse fassen (c). In jeder solchen gesetzmäßigen Versammlung aber entscheidet die Stimmenmehrheit unter den Anwesenden (d). Diese (b) Savigny Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter B. 1 § 8. 87. (c) L. 2. 3 de decretis ab or- dine faciendis (50. 9.). "Illa decreta, quae non legitimo nu- mero decurionum coacto facta sunt, non valent." -- "Lege autem municipali cavetur, ut ordo non aliter habeatur, quam duabus partibus adhibitis." -- L. 46 C. de decur. (10. 31.) (d. h. L. 142 C. Th. de decur. 12. 1.) ".. ne paucorum absentia .. debilitet, quod a majore parte ordinis salubriter fuerit consti- tutum: cum duae partes or- dinis in urbe positae, totius curiae instar exhibeant." In diesen letzten Worten ist ganz un- zweydeutig gesagt, daß jede Ver- sammlung von 2/3 aller Mitglie- der, für die ganze Curie, den ganzen ordo, angesehen wer- den solle. (d) L. 46 C. de decur. (Note b)
§. 96. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung. anzuſehen (b): dadurch wurden zugleich die Städte in Ita-lien den Provinzialſtädten immer ähnlicher. Dieſe neuere Städteverfaſſung iſt es, welche ſchon zur Zeit der ausge- bildeten Rechtswiſſenſchaft vorhanden war, und welche uns in den Juſtinianiſchen Rechtsbüchern dargeſtellt wird. — Die Grundzüge dieſer Verfaſſung ſind folgende. Alle öffentliche Gewalt ruht in dem ordo, welcher aber nur als verfaſſungsmäßig handelnd angeſehen wird, wenn we- nigſtens zwey Drittheile ſeiner überhaupt vorhandenen Mit- glieder verſammelt ſind. Sind alſo dieſe verſammelt, ſo ſtellt eine ſolche Verſammlung den ganzen ordo vor, und man ſoll nicht etwa die Anweſenheit einer noch größeren Zahl, oder gar Aller, fordern, weil ſonſt die Verhinde- rung mehrerer Decurionen alle Geſchäfte hemmen könnte; fehlt es an jener Anzahl, ſo gilt die Verſammlung nicht als ordo, und kann keine gültige Beſchlüſſe faſſen (c). In jeder ſolchen geſetzmäßigen Verſammlung aber entſcheidet die Stimmenmehrheit unter den Anweſenden (d). Dieſe (b) Savigny Geſchichte des Römiſchen Rechts im Mittelalter B. 1 § 8. 87. (c) L. 2. 3 de decretis ab or- dine faciendis (50. 9.). „Illa decreta, quae non legitimo nu- mero decurionum coacto facta sunt, non valent.” — „Lege autem municipali cavetur, ut ordo non aliter habeatur, quam duabus partibus adhibitis.” — L. 46 C. de decur. (10. 31.) (d. h. L. 142 C. Th. de decur. 12. 1.) „.. ne paucorum absentia .. debilitet, quod a majore parte ordinis salubriter fuerit consti- tutum: cum duae partes or- dinis in urbe positae, totius curiae instar exhibeant.” In dieſen letzten Worten iſt ganz un- zweydeutig geſagt, daß jede Ver- ſammlung von ⅔ aller Mitglie- der, für die ganze Curie, den ganzen ordo, angeſehen wer- den ſolle. (d) L. 46 C. de decur. (Note b)
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§. 96. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung.
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lien den Provinzialſtädten immer ähnlicher. Dieſe neuere
Städteverfaſſung iſt es, welche ſchon zur Zeit der ausge-
bildeten Rechtswiſſenſchaft vorhanden war, und welche
uns in den Juſtinianiſchen Rechtsbüchern dargeſtellt wird.
— Die Grundzüge dieſer Verfaſſung ſind folgende. Alle
öffentliche Gewalt ruht in dem ordo, welcher aber nur
als verfaſſungsmäßig handelnd angeſehen wird, wenn we-
nigſtens zwey Drittheile ſeiner überhaupt vorhandenen Mit-
glieder verſammelt ſind. Sind alſo dieſe verſammelt, ſo
ſtellt eine ſolche Verſammlung den ganzen ordo vor, und
man ſoll nicht etwa die Anweſenheit einer noch größeren
Zahl, oder gar Aller, fordern, weil ſonſt die Verhinde-
rung mehrerer Decurionen alle Geſchäfte hemmen könnte;
fehlt es an jener Anzahl, ſo gilt die Verſammlung nicht
als ordo, und kann keine gültige Beſchlüſſe faſſen (c). In
jeder ſolchen geſetzmäßigen Verſammlung aber entſcheidet
die Stimmenmehrheit unter den Anweſenden (d). Dieſe
(b) Savigny Geſchichte des
Römiſchen Rechts im Mittelalter
B. 1 § 8. 87.
(c) L. 2. 3 de decretis ab or-
dine faciendis (50. 9.). „Illa
decreta, quae non legitimo nu-
mero decurionum coacto facta
sunt, non valent.” — „Lege
autem municipali cavetur, ut
ordo non aliter habeatur, quam
duabus partibus adhibitis.” —
L. 46 C. de decur. (10. 31.) (d. h.
L. 142 C. Th. de decur. 12. 1.)
„.. ne paucorum absentia ..
debilitet, quod a majore parte
ordinis salubriter fuerit consti-
tutum: cum duae partes or-
dinis in urbe positae, totius
curiae instar exhibeant.” In
dieſen letzten Worten iſt ganz un-
zweydeutig geſagt, daß jede Ver-
ſammlung von ⅔ aller Mitglie-
der, für die ganze Curie, den
ganzen ordo, angeſehen wer-
den ſolle.
(d) L. 46 C. de decur. (Note b)
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