Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 96. Juristische Personen. Verfassung.
geschäfte, welche (so wie der Kauf) aus gegenseitigem
Geben und Nehmen bestehen; ferner nicht auf gerichtliche
Geschäfte aller Art; endlich nicht auf die obere Leitung
der Geschäfte, sondern nur auf ihre Vollziehung im Ein-
zelnen. Dennoch war diese Art der Vertretung von gro-
ßer Wichtigkeit, weil dadurch von jeher der unmittelbare
Erwerb des Eigenthums durch feyerliche Rechtsgeschäfte
bewirkt werden konnte, welcher außerdem für diesen Fall
ganz unmöglich geblieben wäre.

Bey der ungemeinen Verschiedenheit der juristischen
Personen unter einander, würde es ein ganz fruchtloses
Unternehmen seyn, positive Grundsätze der Verfassung auf-
stellen zu wollen, die für sie gemeinschaftlich anwendbar
wären. Nur dieses läßt sich allgemein behaupten, daß
dem Staate über sie alle, aus gleichem Grunde wie bey
den Unmündigen, Schutz und Aufsicht zukommt. Für
manche derselben beschränkt sich hierauf der Einfluß des
Staats, da außerdem ihr Daseyn dem Staate nicht wich-
tiger ist, als das Daseyn jeder Vermögen habenden na-
türlichen Person; bey vielen aber tritt ein höheres und
unmittelbares Staatsinteresse hinzu, weil sie für dauernde
allgemeine Zwecke zu wirken bestimmt sind, oder wohl gar
(wie die Gemeinden) die Grundbestandtheile des Staates
selbst bilden. Dieser zwiefache Einfluß des Staates auf
die juristischen Personen ist aber entschiedener und mannich-
faltiger in neuerer Zeit, als im Römischen Recht, seitdem
sich überhaupt die centrale Gewalt mehr entwickelt und

§. 96. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung.
geſchäfte, welche (ſo wie der Kauf) aus gegenſeitigem
Geben und Nehmen beſtehen; ferner nicht auf gerichtliche
Geſchäfte aller Art; endlich nicht auf die obere Leitung
der Geſchäfte, ſondern nur auf ihre Vollziehung im Ein-
zelnen. Dennoch war dieſe Art der Vertretung von gro-
ßer Wichtigkeit, weil dadurch von jeher der unmittelbare
Erwerb des Eigenthums durch feyerliche Rechtsgeſchäfte
bewirkt werden konnte, welcher außerdem für dieſen Fall
ganz unmöglich geblieben wäre.

Bey der ungemeinen Verſchiedenheit der juriſtiſchen
Perſonen unter einander, würde es ein ganz fruchtloſes
Unternehmen ſeyn, poſitive Grundſätze der Verfaſſung auf-
ſtellen zu wollen, die für ſie gemeinſchaftlich anwendbar
wären. Nur dieſes läßt ſich allgemein behaupten, daß
dem Staate über ſie alle, aus gleichem Grunde wie bey
den Unmündigen, Schutz und Aufſicht zukommt. Für
manche derſelben beſchränkt ſich hierauf der Einfluß des
Staats, da außerdem ihr Daſeyn dem Staate nicht wich-
tiger iſt, als das Daſeyn jeder Vermögen habenden na-
türlichen Perſon; bey vielen aber tritt ein hoͤheres und
unmittelbares Staatsintereſſe hinzu, weil ſie für dauernde
allgemeine Zwecke zu wirken beſtimmt ſind, oder wohl gar
(wie die Gemeinden) die Grundbeſtandtheile des Staates
ſelbſt bilden. Dieſer zwiefache Einfluß des Staates auf
die juriſtiſchen Perſonen iſt aber entſchiedener und mannich-
faltiger in neuerer Zeit, als im Römiſchen Recht, ſeitdem
ſich überhaupt die centrale Gewalt mehr entwickelt und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0339" n="325"/><fw place="top" type="header">§. 96. Juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;onen. Verfa&#x017F;&#x017F;ung.</fw><lb/>
ge&#x017F;chäfte, welche (&#x017F;o wie der Kauf) aus gegen&#x017F;eitigem<lb/>
Geben und Nehmen be&#x017F;tehen; ferner nicht auf gerichtliche<lb/>
Ge&#x017F;chäfte aller Art; endlich nicht auf die obere Leitung<lb/>
der Ge&#x017F;chäfte, &#x017F;ondern nur auf ihre Vollziehung im Ein-<lb/>
zelnen. Dennoch war die&#x017F;e Art der Vertretung von gro-<lb/>
ßer Wichtigkeit, weil dadurch von jeher der unmittelbare<lb/>
Erwerb des Eigenthums durch feyerliche Rechtsge&#x017F;chäfte<lb/>
bewirkt werden konnte, welcher außerdem für die&#x017F;en Fall<lb/>
ganz unmöglich geblieben wäre.</p><lb/>
            <p>Bey der ungemeinen Ver&#x017F;chiedenheit der juri&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Per&#x017F;onen unter einander, würde es ein ganz fruchtlo&#x017F;es<lb/>
Unternehmen &#x017F;eyn, po&#x017F;itive Grund&#x017F;ätze der Verfa&#x017F;&#x017F;ung auf-<lb/>
&#x017F;tellen zu wollen, die für &#x017F;ie gemein&#x017F;chaftlich anwendbar<lb/>
wären. Nur die&#x017F;es läßt &#x017F;ich allgemein behaupten, daß<lb/>
dem Staate über &#x017F;ie alle, aus gleichem Grunde wie bey<lb/>
den Unmündigen, Schutz und Auf&#x017F;icht zukommt. Für<lb/>
manche der&#x017F;elben be&#x017F;chränkt &#x017F;ich hierauf der Einfluß des<lb/>
Staats, da außerdem ihr Da&#x017F;eyn dem Staate nicht wich-<lb/>
tiger i&#x017F;t, als das Da&#x017F;eyn jeder Vermögen habenden na-<lb/>
türlichen Per&#x017F;on; bey vielen aber tritt ein ho&#x0364;heres und<lb/>
unmittelbares Staatsintere&#x017F;&#x017F;e hinzu, weil &#x017F;ie für dauernde<lb/>
allgemeine Zwecke zu wirken be&#x017F;timmt &#x017F;ind, oder wohl gar<lb/>
(wie die Gemeinden) die Grundbe&#x017F;tandtheile des Staates<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t bilden. Die&#x017F;er zwiefache Einfluß des Staates auf<lb/>
die juri&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;onen i&#x017F;t aber ent&#x017F;chiedener und mannich-<lb/>
faltiger in neuerer Zeit, als im Römi&#x017F;chen Recht, &#x017F;eitdem<lb/>
&#x017F;ich überhaupt die centrale Gewalt mehr entwickelt und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0339] §. 96. Juriſtiſche Perſonen. Verfaſſung. geſchäfte, welche (ſo wie der Kauf) aus gegenſeitigem Geben und Nehmen beſtehen; ferner nicht auf gerichtliche Geſchäfte aller Art; endlich nicht auf die obere Leitung der Geſchäfte, ſondern nur auf ihre Vollziehung im Ein- zelnen. Dennoch war dieſe Art der Vertretung von gro- ßer Wichtigkeit, weil dadurch von jeher der unmittelbare Erwerb des Eigenthums durch feyerliche Rechtsgeſchäfte bewirkt werden konnte, welcher außerdem für dieſen Fall ganz unmöglich geblieben wäre. Bey der ungemeinen Verſchiedenheit der juriſtiſchen Perſonen unter einander, würde es ein ganz fruchtloſes Unternehmen ſeyn, poſitive Grundſätze der Verfaſſung auf- ſtellen zu wollen, die für ſie gemeinſchaftlich anwendbar wären. Nur dieſes läßt ſich allgemein behaupten, daß dem Staate über ſie alle, aus gleichem Grunde wie bey den Unmündigen, Schutz und Aufſicht zukommt. Für manche derſelben beſchränkt ſich hierauf der Einfluß des Staats, da außerdem ihr Daſeyn dem Staate nicht wich- tiger iſt, als das Daſeyn jeder Vermögen habenden na- türlichen Perſon; bey vielen aber tritt ein hoͤheres und unmittelbares Staatsintereſſe hinzu, weil ſie für dauernde allgemeine Zwecke zu wirken beſtimmt ſind, oder wohl gar (wie die Gemeinden) die Grundbeſtandtheile des Staates ſelbſt bilden. Dieſer zwiefache Einfluß des Staates auf die juriſtiſchen Perſonen iſt aber entſchiedener und mannich- faltiger in neuerer Zeit, als im Römiſchen Recht, ſeitdem ſich überhaupt die centrale Gewalt mehr entwickelt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/339
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/339>, abgerufen am 21.05.2024.