interpretirt, als wäre es der civitas hinterlassen (r). Ver- anlassung zu der hier widerlegten Meynung hat ein Aus- druck Ulpians gegeben, der aber in der That einen ande- ren Sinn hat, und nicht von der incerta persona ver- standen werden darf (Note b).
Die bisher aufgestellten Regeln über die Erbfähigkeit bezogen sich auf diejenigen juristischen Personen, welche schon den alten Juristen bekannt waren. Sobald aber das Christenthum herrschend wurde, traten für die kirch- lichen Stiftungen im weitesten Sinn (pia corpora) ganz neue Grundsätze ein. Ihnen allen sollten jetzt Erbschaften und Legate auf die freyeste Weise zugewendet werden dür- fen. Ja nicht blos auf wahre juristische Personen be- schränkte sich diese neu gestattete Freyheit in der Verfü- gung durch letzten Willen, sondern es sollte auch Alles gültig seyn, was zu frommen und milden Zwecken ange- wiesen wäre, ohne durch die damals noch geltende Be- schränkung der incertae personae gehindert zu seyn. Wenn z. B. Jemand den Armen seiner Stadt ein Legat aussetzt, so geht das auf die zur Zeit des Todes vorhandenen Ar- men; diese bilden gewiß keine Corporation, sie sind wahre incertae personae, dennoch wurde das Legat als gültig anerkannt, und zwar lange vor Justinians neuer Bestim- mung über die incertae personae(s). -- Das canonische
(r)L. 2 de rebus dub. (34. 5.).
(s)L. 1. 26 C. de SS. eccl. (1. 2.), L. 24. 49 C. de episc. (1. 3.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
interpretirt, als wäre es der civitas hinterlaſſen (r). Ver- anlaſſung zu der hier widerlegten Meynung hat ein Aus- druck Ulpians gegeben, der aber in der That einen ande- ren Sinn hat, und nicht von der incerta persona ver- ſtanden werden darf (Note b).
Die bisher aufgeſtellten Regeln über die Erbfähigkeit bezogen ſich auf diejenigen juriſtiſchen Perſonen, welche ſchon den alten Juriſten bekannt waren. Sobald aber das Chriſtenthum herrſchend wurde, traten für die kirch- lichen Stiftungen im weiteſten Sinn (pia corpora) ganz neue Grundſätze ein. Ihnen allen ſollten jetzt Erbſchaften und Legate auf die freyeſte Weiſe zugewendet werden dür- fen. Ja nicht blos auf wahre juriſtiſche Perſonen be- ſchränkte ſich dieſe neu geſtattete Freyheit in der Verfü- gung durch letzten Willen, ſondern es ſollte auch Alles gültig ſeyn, was zu frommen und milden Zwecken ange- wieſen wäre, ohne durch die damals noch geltende Be- ſchränkung der incertae personae gehindert zu ſeyn. Wenn z. B. Jemand den Armen ſeiner Stadt ein Legat ausſetzt, ſo geht das auf die zur Zeit des Todes vorhandenen Ar- men; dieſe bilden gewiß keine Corporation, ſie ſind wahre incertae personae, dennoch wurde das Legat als gültig anerkannt, und zwar lange vor Juſtinians neuer Beſtim- mung über die incertae personae(s). — Das canoniſche
(r)L. 2 de rebus dub. (34. 5.).
(s)L. 1. 26 C. de SS. eccl. (1. 2.), L. 24. 49 C. de episc. (1. 3.).
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
interpretirt, als wäre es der civitas hinterlaſſen (r). Ver-
anlaſſung zu der hier widerlegten Meynung hat ein Aus-
druck Ulpians gegeben, der aber in der That einen ande-
ren Sinn hat, und nicht von der incerta persona ver-
ſtanden werden darf (Note b).
Die bisher aufgeſtellten Regeln über die Erbfähigkeit
bezogen ſich auf diejenigen juriſtiſchen Perſonen, welche
ſchon den alten Juriſten bekannt waren. Sobald aber
das Chriſtenthum herrſchend wurde, traten für die kirch-
lichen Stiftungen im weiteſten Sinn (pia corpora) ganz
neue Grundſätze ein. Ihnen allen ſollten jetzt Erbſchaften
und Legate auf die freyeſte Weiſe zugewendet werden dür-
fen. Ja nicht blos auf wahre juriſtiſche Perſonen be-
ſchränkte ſich dieſe neu geſtattete Freyheit in der Verfü-
gung durch letzten Willen, ſondern es ſollte auch Alles
gültig ſeyn, was zu frommen und milden Zwecken ange-
wieſen wäre, ohne durch die damals noch geltende Be-
ſchränkung der incertae personae gehindert zu ſeyn. Wenn
z. B. Jemand den Armen ſeiner Stadt ein Legat ausſetzt,
ſo geht das auf die zur Zeit des Todes vorhandenen Ar-
men; dieſe bilden gewiß keine Corporation, ſie ſind wahre
incertae personae, dennoch wurde das Legat als gültig
anerkannt, und zwar lange vor Juſtinians neuer Beſtim-
mung über die incertae personae (s). — Das canoniſche
(r) L. 2 de rebus dub. (34. 5.).
(s) L. 1. 26 C. de SS. eccl.
(1. 2.), L. 24. 49 C. de episc.
(1. 3.).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/322>, abgerufen am 25.11.2024.
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