Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) und es war nur eine Fortsetzung desselben Gedankens,wenn auch der in einem einzelnen Tempel verehrte Gott wieder eine besondere juristische Person vorstellte, ja selbst eigene Privilegien erhielt (dd). Die christliche Kirche da- gegen beruht auf dem Glauben an Einen Gott, und sie ist durch den gemeinsamen Glauben an diesen Einen Gott und dessen bestimmte Offenbarung zu Einer Kirche ver- bunden. Es lag also sehr nahe, diese Einheit auch auf die Vermögensverhältnisse zu übertragen, und diese Auf- fassung findet sich in ganz verschiedenen Zeitaltern, sowohl in der Lehre von Schriftstellern, als in dem Gefühl und der Ausdrucksweise einzelner Urheber von Stiftungen. So geschah es also ganz gewöhnlich, daß als Eigenthümer des Kirchengutes bald Jesus Christus, bald die allgemeine christliche Kirche, oder auch deren sichtbares Oberhaupt, der Pabst, bezeichnet wurde. Allein bey genauerer Be- trachtung mußte man sich überzeugen, daß auf dem, an sich nothwendig beschränkten, Rechtsgebiet diese Auffassung völlig unbrauchbar sey, und daß an ihre Stelle die An- nahme individueller juristischer Personen, auch in Bezie- hung auf das Kirchengut, gesetzt werden müsse. In diesem Sinn enthält schon ein Gesetz von Justi- (dd) Ulpian. XXII. § 6 (ee) L. 26 C. de SS. eccles. (1. 2.); die Stelle ist nicht glossirt.
§. 88. Juriſtiſche Perſonen. Geſchichte. (Fortſetzung.) und es war nur eine Fortſetzung deſſelben Gedankens,wenn auch der in einem einzelnen Tempel verehrte Gott wieder eine beſondere juriſtiſche Perſon vorſtellte, ja ſelbſt eigene Privilegien erhielt (dd). Die chriſtliche Kirche da- gegen beruht auf dem Glauben an Einen Gott, und ſie iſt durch den gemeinſamen Glauben an dieſen Einen Gott und deſſen beſtimmte Offenbarung zu Einer Kirche ver- bunden. Es lag alſo ſehr nahe, dieſe Einheit auch auf die Vermögensverhältniſſe zu übertragen, und dieſe Auf- faſſung findet ſich in ganz verſchiedenen Zeitaltern, ſowohl in der Lehre von Schriftſtellern, als in dem Gefühl und der Ausdrucksweiſe einzelner Urheber von Stiftungen. So geſchah es alſo ganz gewöhnlich, daß als Eigenthümer des Kirchengutes bald Jeſus Chriſtus, bald die allgemeine chriſtliche Kirche, oder auch deren ſichtbares Oberhaupt, der Pabſt, bezeichnet wurde. Allein bey genauerer Be- trachtung mußte man ſich überzeugen, daß auf dem, an ſich nothwendig beſchränkten, Rechtsgebiet dieſe Auffaſſung völlig unbrauchbar ſey, und daß an ihre Stelle die An- nahme individueller juriſtiſcher Perſonen, auch in Bezie- hung auf das Kirchengut, geſetzt werden müſſe. In dieſem Sinn enthält ſchon ein Geſetz von Juſti- (dd) Ulpian. XXII. § 6 (ee) L. 26 C. de SS. eccles. (1. 2.); die Stelle iſt nicht gloſſirt.
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§. 88. Juriſtiſche Perſonen. Geſchichte. (Fortſetzung.)
und es war nur eine Fortſetzung deſſelben Gedankens,
wenn auch der in einem einzelnen Tempel verehrte Gott
wieder eine beſondere juriſtiſche Perſon vorſtellte, ja ſelbſt
eigene Privilegien erhielt (dd). Die chriſtliche Kirche da-
gegen beruht auf dem Glauben an Einen Gott, und ſie
iſt durch den gemeinſamen Glauben an dieſen Einen Gott
und deſſen beſtimmte Offenbarung zu Einer Kirche ver-
bunden. Es lag alſo ſehr nahe, dieſe Einheit auch auf
die Vermögensverhältniſſe zu übertragen, und dieſe Auf-
faſſung findet ſich in ganz verſchiedenen Zeitaltern, ſowohl
in der Lehre von Schriftſtellern, als in dem Gefühl und
der Ausdrucksweiſe einzelner Urheber von Stiftungen. So
geſchah es alſo ganz gewöhnlich, daß als Eigenthümer
des Kirchengutes bald Jeſus Chriſtus, bald die allgemeine
chriſtliche Kirche, oder auch deren ſichtbares Oberhaupt,
der Pabſt, bezeichnet wurde. Allein bey genauerer Be-
trachtung mußte man ſich überzeugen, daß auf dem, an
ſich nothwendig beſchränkten, Rechtsgebiet dieſe Auffaſſung
völlig unbrauchbar ſey, und daß an ihre Stelle die An-
nahme individueller juriſtiſcher Perſonen, auch in Bezie-
hung auf das Kirchengut, geſetzt werden müſſe.
In dieſem Sinn enthält ſchon ein Geſetz von Juſti-
nian folgende Beſtimmungen (ee). Wenn ein Teſtator Je-
ſus Chriſtus zum Erben einſetzt, ſo iſt darunter die Kirche
ſeines Wohnorts zu verſtehen. Setzt er einen Erzengel
(dd) Ulpian. XXII. § 6
(ee) L. 26 C. de SS. eccles. (1. 2.); die Stelle iſt nicht gloſſirt.
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/279>, abgerufen am 16.07.2024. |