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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.

2) Diese Trennung muß eine vollständige seyn (g).

3) Das so geborne Wesen muß nach der Trennung
gelebt haben (h). Wenn also während einer langwieri-
gen Geburt das Kind Zeichen des Lebens giebt, aber stirbt
bevor es ganz außer der Mutter existirte, so hat es nie-
mals Rechtsfähigkeit gehabt. Noch weniger hat es solche
haben können, wenn es schon vor dem Anfang der Ge-
burt todt war, sey es nun zu früh geboren (abortus) (i),
oder zwar ausgetragen, aber im Mutterleibe gestorben (k).
-- Durch welches Zeichen das Leben außer Zweifel ge-
setzt werden kann, ist gleichgültig. Früher behaupteten
manche Rechtslehrer, das Kind müsse nothwendig ge-
schrieen haben, allein Justinian hat diese Meynung aus-
drücklich verworfen (l). Eben so ist die Dauer des Le-

(g) L. 3 C. de posthumis (6.
29.) "perfecte natus ... ad or-
bem totus processit."
(h) L. 3 C. de posthumis (6.
29.) "vivus .. natus est." --
Paulus IV. 9 § 1 "vivos pa-
riant."
In dieser letzten Stelle
ist nicht von der Rechtsfähigkeit
des Kindes die Rede, sondern von
einer Belohnung der Mutter.
(i) L. 2 C. de posthumis (6.
29.). "Uxoris abortu testamen-
tum mariti non solvi."
(k) L. 129 de V. S. (50. 16.).
"Qui mortui nascuntur, neque
nati, neque procreati videntur:
quia nunquam liberi appellari
potuerunt."
Dieser Satz ist sicher
wahr für die eigene Rechtsfähig-
keit des Kindes: eben so auch
für die Belohnungen der Mut-
ter, z. B. das Erbrecht nach dem
Sc. Tertullianum (Paulus IV. 9
§ 1); von welchem dieser Fälle
der Jurist reden wollte, läßt sich
nicht bestimmen, da die Überschrift
der Stelle (Paulus lib. 1. ad L.
Jul. et Pap.
) hierüber nicht sicher
entscheiden kann (Note e). Da-
gegen ist der Satz sicher nicht an-
genommen worden bey den Stra-
fen der Kinderlosigkeit, welches
aber erst unten, bey dem Erfor-
derniß der menschlichen Natur des
Kindes, klar gemacht werden kann
(Note s).
(l) L. 3 C. de posthumis (6. 29.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.

2) Dieſe Trennung muß eine vollſtändige ſeyn (g).

3) Das ſo geborne Weſen muß nach der Trennung
gelebt haben (h). Wenn alſo während einer langwieri-
gen Geburt das Kind Zeichen des Lebens giebt, aber ſtirbt
bevor es ganz außer der Mutter exiſtirte, ſo hat es nie-
mals Rechtsfähigkeit gehabt. Noch weniger hat es ſolche
haben können, wenn es ſchon vor dem Anfang der Ge-
burt todt war, ſey es nun zu früh geboren (abortus) (i),
oder zwar ausgetragen, aber im Mutterleibe geſtorben (k).
— Durch welches Zeichen das Leben außer Zweifel ge-
ſetzt werden kann, iſt gleichgültig. Früher behaupteten
manche Rechtslehrer, das Kind müſſe nothwendig ge-
ſchrieen haben, allein Juſtinian hat dieſe Meynung aus-
drücklich verworfen (l). Eben ſo iſt die Dauer des Le-

(g) L. 3 C. de posthumis (6.
29.) „perfecte natus … ad or-
bem totus processit.
(h) L. 3 C. de posthumis (6.
29.) „vivus .. natus est.” —
Paulus IV. 9 § 1 „vivos pa-
riant.”
In dieſer letzten Stelle
iſt nicht von der Rechtsfähigkeit
des Kindes die Rede, ſondern von
einer Belohnung der Mutter.
(i) L. 2 C. de posthumis (6.
29.). „Uxoris abortu testamen-
tum mariti non solvi.”
(k) L. 129 de V. S. (50. 16.).
„Qui mortui nascuntur, neque
nati, neque procreati videntur:
quia nunquam liberi appellari
potuerunt.”
Dieſer Satz iſt ſicher
wahr für die eigene Rechtsfähig-
keit des Kindes: eben ſo auch
für die Belohnungen der Mut-
ter, z. B. das Erbrecht nach dem
Sc. Tertullianum (Paulus IV. 9
§ 1); von welchem dieſer Fälle
der Juriſt reden wollte, läßt ſich
nicht beſtimmen, da die Überſchrift
der Stelle (Paulus lib. 1. ad L.
Jul. et Pap.
) hierüber nicht ſicher
entſcheiden kann (Note e). Da-
gegen iſt der Satz ſicher nicht an-
genommen worden bey den Stra-
fen der Kinderloſigkeit, welches
aber erſt unten, bey dem Erfor-
derniß der menſchlichen Natur des
Kindes, klar gemacht werden kann
(Note s).
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[8/0022] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. 2) Dieſe Trennung muß eine vollſtändige ſeyn (g). 3) Das ſo geborne Weſen muß nach der Trennung gelebt haben (h). Wenn alſo während einer langwieri- gen Geburt das Kind Zeichen des Lebens giebt, aber ſtirbt bevor es ganz außer der Mutter exiſtirte, ſo hat es nie- mals Rechtsfähigkeit gehabt. Noch weniger hat es ſolche haben können, wenn es ſchon vor dem Anfang der Ge- burt todt war, ſey es nun zu früh geboren (abortus) (i), oder zwar ausgetragen, aber im Mutterleibe geſtorben (k). — Durch welches Zeichen das Leben außer Zweifel ge- ſetzt werden kann, iſt gleichgültig. Früher behaupteten manche Rechtslehrer, das Kind müſſe nothwendig ge- ſchrieen haben, allein Juſtinian hat dieſe Meynung aus- drücklich verworfen (l). Eben ſo iſt die Dauer des Le- (g) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) „perfecte natus … ad or- bem totus processit.” (h) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) „vivus .. natus est.” — Paulus IV. 9 § 1 „vivos pa- riant.” In dieſer letzten Stelle iſt nicht von der Rechtsfähigkeit des Kindes die Rede, ſondern von einer Belohnung der Mutter. (i) L. 2 C. de posthumis (6. 29.). „Uxoris abortu testamen- tum mariti non solvi.” (k) L. 129 de V. S. (50. 16.). „Qui mortui nascuntur, neque nati, neque procreati videntur: quia nunquam liberi appellari potuerunt.” Dieſer Satz iſt ſicher wahr für die eigene Rechtsfähig- keit des Kindes: eben ſo auch für die Belohnungen der Mut- ter, z. B. das Erbrecht nach dem Sc. Tertullianum (Paulus IV. 9 § 1); von welchem dieſer Fälle der Juriſt reden wollte, läßt ſich nicht beſtimmen, da die Überſchrift der Stelle (Paulus lib. 1. ad L. Jul. et Pap.) hierüber nicht ſicher entſcheiden kann (Note e). Da- gegen iſt der Satz ſicher nicht an- genommen worden bey den Stra- fen der Kinderloſigkeit, welches aber erſt unten, bey dem Erfor- derniß der menſchlichen Natur des Kindes, klar gemacht werden kann (Note s). (l) L. 3 C. de posthumis (6. 29.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/22>, abgerufen am 20.04.2024.