dieser Zusatz nicht gehalten werden können, wenn man er- wägt, daß dieser Theil des Französischen Rechts auch in den Gesetzen deutscher Länder Eingang gefunden hat, und leicht noch ferner Eingang finden könnte.
Im Römischen Recht erscheinen bey den meisten schwe- ren Verbrechen viererley Folgen vereinigt: Criminalstra- fen, Magna capitis deminutio, der bürgerliche Tod, die Confiscation des Vermögens. Diese vier Folgen werden häufig in einem unrichtigen Verhältniß zu einander ge- dacht, und hierin liegt der Grund der bedenklichsten Mis- verständnisse.
Die magna capitis deminutio ist nicht identisch mit den Criminalstrafen, denn die relegatio ist eine Criminal- strafe ohne capitis deminutio(w); auf der andern Seite erlitt eine magna capitis deminutio der Römische Bürger, der in Kriegsgefangenschaft gerieth, oder der in eine La- tinische Colonie eintrat, und bey diesen Beiden wird Nie- mand an eine Strafe denken. Beide Rechtsbegriffe liegen also außer einander, und man kann nur sagen, daß an mehrere Criminalstrafen die capitis deminutio als eine ganz positive Folge angeknüpft ist, ohne aus dem Begriff die- ser Strafen von selbst zu folgen.
Der Ausdruck des bürgerlichen Todes (mors civilis) ist erst in neuerer Zeit entstanden; um den Begriff be- stimmter zu bezeichnen, will ich es die Fiction des Todes nennen, das heißt die Behandlung eines lebenden Men-
(w)L. 7 § 5 de bonis damn. (48. 20.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
dieſer Zuſatz nicht gehalten werden können, wenn man er- wägt, daß dieſer Theil des Franzöſiſchen Rechts auch in den Geſetzen deutſcher Länder Eingang gefunden hat, und leicht noch ferner Eingang finden könnte.
Im Roͤmiſchen Recht erſcheinen bey den meiſten ſchwe- ren Verbrechen viererley Folgen vereinigt: Criminalſtra- fen, Magna capitis deminutio, der bürgerliche Tod, die Confiscation des Vermögens. Dieſe vier Folgen werden häufig in einem unrichtigen Verhältniß zu einander ge- dacht, und hierin liegt der Grund der bedenklichſten Mis- verſtändniſſe.
Die magna capitis deminutio iſt nicht identiſch mit den Criminalſtrafen, denn die relegatio iſt eine Criminal- ſtrafe ohne capitis deminutio(w); auf der andern Seite erlitt eine magna capitis deminutio der Römiſche Bürger, der in Kriegsgefangenſchaft gerieth, oder der in eine La- tiniſche Colonie eintrat, und bey dieſen Beiden wird Nie- mand an eine Strafe denken. Beide Rechtsbegriffe liegen alſo außer einander, und man kann nur ſagen, daß an mehrere Criminalſtrafen die capitis deminutio als eine ganz poſitive Folge angeknüpft iſt, ohne aus dem Begriff die- ſer Strafen von ſelbſt zu folgen.
Der Ausdruck des bürgerlichen Todes (mors civilis) iſt erſt in neuerer Zeit entſtanden; um den Begriff be- ſtimmter zu bezeichnen, will ich es die Fiction des Todes nennen, das heißt die Behandlung eines lebenden Men-
(w)L. 7 § 5 de bonis damn. (48. 20.).
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
dieſer Zuſatz nicht gehalten werden können, wenn man er-
wägt, daß dieſer Theil des Franzöſiſchen Rechts auch in
den Geſetzen deutſcher Länder Eingang gefunden hat, und
leicht noch ferner Eingang finden könnte.
Im Roͤmiſchen Recht erſcheinen bey den meiſten ſchwe-
ren Verbrechen viererley Folgen vereinigt: Criminalſtra-
fen, Magna capitis deminutio, der bürgerliche Tod, die
Confiscation des Vermögens. Dieſe vier Folgen werden
häufig in einem unrichtigen Verhältniß zu einander ge-
dacht, und hierin liegt der Grund der bedenklichſten Mis-
verſtändniſſe.
Die magna capitis deminutio iſt nicht identiſch mit
den Criminalſtrafen, denn die relegatio iſt eine Criminal-
ſtrafe ohne capitis deminutio (w); auf der andern Seite
erlitt eine magna capitis deminutio der Römiſche Bürger,
der in Kriegsgefangenſchaft gerieth, oder der in eine La-
tiniſche Colonie eintrat, und bey dieſen Beiden wird Nie-
mand an eine Strafe denken. Beide Rechtsbegriffe liegen
alſo außer einander, und man kann nur ſagen, daß an
mehrere Criminalſtrafen die capitis deminutio als eine ganz
poſitive Folge angeknüpft iſt, ohne aus dem Begriff die-
ſer Strafen von ſelbſt zu folgen.
Der Ausdruck des bürgerlichen Todes (mors civilis)
iſt erſt in neuerer Zeit entſtanden; um den Begriff be-
ſtimmter zu bezeichnen, will ich es die Fiction des Todes
nennen, das heißt die Behandlung eines lebenden Men-
(w) L. 7 § 5 de bonis damn. (48. 20.).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/178>, abgerufen am 28.11.2024.
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