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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
der eigene Herr gezwungen wird seinem Sklaven Alimente
zu geben, anstatt daß er ihn sonst hungern lassen könnte;
dieses kommt vor, da wo ohnehin schon für die Zukunft
die Freyheit des Sklaven, oder dessen Übergang an einen
andern Herrn rechtlich gesichert ist (e). -- In welcher
Form diese Sätze durchgeführt wurden, ist nicht ganz klar;
ohne Zweifel geschah es extra ordinem, durch die Obrig-
keit, nach der Form der Fideicommisse, und also auch
wahrscheinlich erst seit der Zeit, in welcher die Fideicom-
misse Rechtsgültigkeit erlangten (f).

Mit diesem Fall darf nicht verwechselt werden ein an-
derer, der nur eine äußere und scheinbare Ähnlichkeit mit
demselben hat. Das Legat einer periodischen Geldrente

(e) L. 17 de alim. leg. (34.
1.). L. 16 de annuis leg. (33. 1.).
"Servus post decem annos li-
ber esse jussus est, legatumque
ei ex die mortis domini in an-
nos singulos relictum est: eo-
rum quidem annorum, quibus
jam liber erit, legatum debe-
bitur: interim autem heres ei
alimenta praestare compelli-
tur.
"
Dieser letzte Fall ist be-
sonders merkwürdig und erläu-
ternd. Das Legat einer jährlichen
Geldrente ist ein gewöhnliches,
dessen der Sklave nicht fähig ist;
daher wird es für die beschränkte
Zeit, worin der Legatar noch
Sklave ist, ganz nach dem un-
zweifelhaften Sinn des Testators,
in ein Alimentenlegat umgewan-
delt, dessen ist der Sklave fähig,
und der eigene Herr wird zur
Entrichtung gezwungen.
(f) Daß es in L. 17 de alim.
leg.
(34. 1.) heißt officio judicis,
kann nicht als Einwurf gelten,
denn auch in L. 3 eod. heißt es:
Solent judices ex causa alimen-
torum libertos dividere,
und
doch ist sowohl aus dem Fortgang
der Stelle, als aus der Inscrip-
tion klar, daß die Consuln ge-
meynt sind. (Vgl. § 1 J. de fid.
her.
2. 23.). Der allgemeinere
Name judex wurde vielleicht hier
gebraucht, um die Consuln und
den Fideicommissarprätor zugleich
zu umfassen. Gewiß ist es we-
nigstens, daß nicht der Sklave
im ordentlichen Prozeß vor dem
praetor urbanus auftreten konnte.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
der eigene Herr gezwungen wird ſeinem Sklaven Alimente
zu geben, anſtatt daß er ihn ſonſt hungern laſſen könnte;
dieſes kommt vor, da wo ohnehin ſchon für die Zukunft
die Freyheit des Sklaven, oder deſſen Übergang an einen
andern Herrn rechtlich geſichert iſt (e). — In welcher
Form dieſe Sätze durchgeführt wurden, iſt nicht ganz klar;
ohne Zweifel geſchah es extra ordinem, durch die Obrig-
keit, nach der Form der Fideicommiſſe, und alſo auch
wahrſcheinlich erſt ſeit der Zeit, in welcher die Fideicom-
miſſe Rechtsgültigkeit erlangten (f).

Mit dieſem Fall darf nicht verwechſelt werden ein an-
derer, der nur eine äußere und ſcheinbare Ähnlichkeit mit
demſelben hat. Das Legat einer periodiſchen Geldrente

(e) L. 17 de alim. leg. (34.
1.). L. 16 de annuis leg. (33. 1.).
„Servus post decem annos li-
ber esse jussus est, legatumque
ei ex die mortis domini in an-
nos singulos relictum est: eo-
rum quidem annorum, quibus
jam liber erit, legatum debe-
bitur: interim autem heres ei
alimenta praestare compelli-
tur.
Dieſer letzte Fall iſt be-
ſonders merkwürdig und erläu-
ternd. Das Legat einer jährlichen
Geldrente iſt ein gewöhnliches,
deſſen der Sklave nicht fähig iſt;
daher wird es für die beſchränkte
Zeit, worin der Legatar noch
Sklave iſt, ganz nach dem un-
zweifelhaften Sinn des Teſtators,
in ein Alimentenlegat umgewan-
delt, deſſen iſt der Sklave fähig,
und der eigene Herr wird zur
Entrichtung gezwungen.
(f) Daß es in L. 17 de alim.
leg.
(34. 1.) heißt officio judicis,
kann nicht als Einwurf gelten,
denn auch in L. 3 eod. heißt es:
Solent judices ex causa alimen-
torum libertos dividere,
und
doch iſt ſowohl aus dem Fortgang
der Stelle, als aus der Inſcrip-
tion klar, daß die Conſuln ge-
meynt ſind. (Vgl. § 1 J. de fid.
her.
2. 23.). Der allgemeinere
Name judex wurde vielleicht hier
gebraucht, um die Conſuln und
den Fideicommiſſarprätor zugleich
zu umfaſſen. Gewiß iſt es we-
nigſtens, daß nicht der Sklave
im ordentlichen Prozeß vor dem
praetor urbanus auftreten konnte.
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[108/0122] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. der eigene Herr gezwungen wird ſeinem Sklaven Alimente zu geben, anſtatt daß er ihn ſonſt hungern laſſen könnte; dieſes kommt vor, da wo ohnehin ſchon für die Zukunft die Freyheit des Sklaven, oder deſſen Übergang an einen andern Herrn rechtlich geſichert iſt (e). — In welcher Form dieſe Sätze durchgeführt wurden, iſt nicht ganz klar; ohne Zweifel geſchah es extra ordinem, durch die Obrig- keit, nach der Form der Fideicommiſſe, und alſo auch wahrſcheinlich erſt ſeit der Zeit, in welcher die Fideicom- miſſe Rechtsgültigkeit erlangten (f). Mit dieſem Fall darf nicht verwechſelt werden ein an- derer, der nur eine äußere und ſcheinbare Ähnlichkeit mit demſelben hat. Das Legat einer periodiſchen Geldrente (e) L. 17 de alim. leg. (34. 1.). L. 16 de annuis leg. (33. 1.). „Servus post decem annos li- ber esse jussus est, legatumque ei ex die mortis domini in an- nos singulos relictum est: eo- rum quidem annorum, quibus jam liber erit, legatum debe- bitur: interim autem heres ei alimenta praestare compelli- tur.” Dieſer letzte Fall iſt be- ſonders merkwürdig und erläu- ternd. Das Legat einer jährlichen Geldrente iſt ein gewöhnliches, deſſen der Sklave nicht fähig iſt; daher wird es für die beſchränkte Zeit, worin der Legatar noch Sklave iſt, ganz nach dem un- zweifelhaften Sinn des Teſtators, in ein Alimentenlegat umgewan- delt, deſſen iſt der Sklave fähig, und der eigene Herr wird zur Entrichtung gezwungen. (f) Daß es in L. 17 de alim. leg. (34. 1.) heißt officio judicis, kann nicht als Einwurf gelten, denn auch in L. 3 eod. heißt es: Solent judices ex causa alimen- torum libertos dividere, und doch iſt ſowohl aus dem Fortgang der Stelle, als aus der Inſcrip- tion klar, daß die Conſuln ge- meynt ſind. (Vgl. § 1 J. de fid. her. 2. 23.). Der allgemeinere Name judex wurde vielleicht hier gebraucht, um die Conſuln und den Fideicommiſſarprätor zugleich zu umfaſſen. Gewiß iſt es we- nigſtens, daß nicht der Sklave im ordentlichen Prozeß vor dem praetor urbanus auftreten konnte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/122>, abgerufen am 04.05.2024.