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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 7. Allgemeine Entstehung des Rechts.
jeden urkundlichen Beweis derselben verzichten. Allein
dieser Mangel ist unsrer Ansicht von jener Entstehung mit
jeder anderen Ansicht gemein, da wir in allen Völkern,
welche jemals in die Gränzen urkundlicher Geschichte ein-
getreten sind, ein positives Recht schon vorfinden, dessen
ursprüngliche Erzeugung also außer jenen Gränzen liegen
muß. Allein an Beweisen anderer Art, wie sie der beson-
dern Natur des Gegenstandes angemessen sind, fehlt es
nicht. Ein solcher Beweis liegt in der allgemeinen, gleich-
förmigen Anerkennung des positiven Rechts, und in dem
Gefühl innerer Nothwendigkeit, wovon die Vorstellung
desselben begleitet ist. Dieses Gefühl spricht sich am be-
stimmtesten aus in der uralten Behauptung eines göttli-
chen Ursprungs des Rechts oder der Gesetze; denn ein
entschiednerer Gegensatz gegen die Entstehung durch Zufall
oder menschliche Willkühr läßt sich nicht denken. Ein
zweyter Beweis liegt in der Analogie anderer Eigenthüm-
lichkeiten der Völker, die eine eben so unsichtbare, über
die urkundliche Geschichte hinaufreichende Entstehung ha-
ben, wie z. B. die Sitte des geselligen Lebens, vor allen
aber die Sprache. Bey dieser nun findet sich dieselbe
Unabhängigkeit von Zufall und freyer Wahl der Einzel-
nen, also dieselbe Erzeugung aus der Thätigkeit des in
allen Einzelnen gemeinsam wirkenden Volksgeistes; bey ihr
aber ist dieses Alles durch ihre sinnliche Natur anschau-
licher und unverkennbarer als bey dem Recht. Ja es
wird die individuelle Natur der einzelnen Völker lediglich

§. 7. Allgemeine Entſtehung des Rechts.
jeden urkundlichen Beweis derſelben verzichten. Allein
dieſer Mangel iſt unſrer Anſicht von jener Entſtehung mit
jeder anderen Anſicht gemein, da wir in allen Völkern,
welche jemals in die Gränzen urkundlicher Geſchichte ein-
getreten ſind, ein poſitives Recht ſchon vorfinden, deſſen
urſprüngliche Erzeugung alſo außer jenen Gränzen liegen
muß. Allein an Beweiſen anderer Art, wie ſie der beſon-
dern Natur des Gegenſtandes angemeſſen ſind, fehlt es
nicht. Ein ſolcher Beweis liegt in der allgemeinen, gleich-
förmigen Anerkennung des poſitiven Rechts, und in dem
Gefühl innerer Nothwendigkeit, wovon die Vorſtellung
deſſelben begleitet iſt. Dieſes Gefühl ſpricht ſich am be-
ſtimmteſten aus in der uralten Behauptung eines göttli-
chen Urſprungs des Rechts oder der Geſetze; denn ein
entſchiednerer Gegenſatz gegen die Entſtehung durch Zufall
oder menſchliche Willkühr läßt ſich nicht denken. Ein
zweyter Beweis liegt in der Analogie anderer Eigenthüm-
lichkeiten der Völker, die eine eben ſo unſichtbare, über
die urkundliche Geſchichte hinaufreichende Entſtehung ha-
ben, wie z. B. die Sitte des geſelligen Lebens, vor allen
aber die Sprache. Bey dieſer nun findet ſich dieſelbe
Unabhängigkeit von Zufall und freyer Wahl der Einzel-
nen, alſo dieſelbe Erzeugung aus der Thätigkeit des in
allen Einzelnen gemeinſam wirkenden Volksgeiſtes; bey ihr
aber iſt dieſes Alles durch ihre ſinnliche Natur anſchau-
licher und unverkennbarer als bey dem Recht. Ja es
wird die individuelle Natur der einzelnen Völker lediglich

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[15/0071] §. 7. Allgemeine Entſtehung des Rechts. jeden urkundlichen Beweis derſelben verzichten. Allein dieſer Mangel iſt unſrer Anſicht von jener Entſtehung mit jeder anderen Anſicht gemein, da wir in allen Völkern, welche jemals in die Gränzen urkundlicher Geſchichte ein- getreten ſind, ein poſitives Recht ſchon vorfinden, deſſen urſprüngliche Erzeugung alſo außer jenen Gränzen liegen muß. Allein an Beweiſen anderer Art, wie ſie der beſon- dern Natur des Gegenſtandes angemeſſen ſind, fehlt es nicht. Ein ſolcher Beweis liegt in der allgemeinen, gleich- förmigen Anerkennung des poſitiven Rechts, und in dem Gefühl innerer Nothwendigkeit, wovon die Vorſtellung deſſelben begleitet iſt. Dieſes Gefühl ſpricht ſich am be- ſtimmteſten aus in der uralten Behauptung eines göttli- chen Urſprungs des Rechts oder der Geſetze; denn ein entſchiednerer Gegenſatz gegen die Entſtehung durch Zufall oder menſchliche Willkühr läßt ſich nicht denken. Ein zweyter Beweis liegt in der Analogie anderer Eigenthüm- lichkeiten der Völker, die eine eben ſo unſichtbare, über die urkundliche Geſchichte hinaufreichende Entſtehung ha- ben, wie z. B. die Sitte des geſelligen Lebens, vor allen aber die Sprache. Bey dieſer nun findet ſich dieſelbe Unabhängigkeit von Zufall und freyer Wahl der Einzel- nen, alſo dieſelbe Erzeugung aus der Thätigkeit des in allen Einzelnen gemeinſam wirkenden Volksgeiſtes; bey ihr aber iſt dieſes Alles durch ihre ſinnliche Natur anſchau- licher und unverkennbarer als bey dem Recht. Ja es wird die individuelle Natur der einzelnen Völker lediglich

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/71>, abgerufen am 25.11.2024.