Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch I. Quellen. Kap. I. Aufgabe des Werks.
stitute als solche; zweytens jede einzelne, dem früheren
Recht angehörende, dem Justinianischen fremde, Bestim-
mung, da nur diese neueste Gestalt des Römischen Rechts
mit unsrem heutigen Rechtszustand in Verbindung getre-
ten ist; drittens jedes Institut, welches zwar dem Justi-
nianischen Recht angehört, aber aus unsrem Rechtszu-
stand verschwunden ist.

3. Nur das Privatrecht gehört zu unsrer Aufgabe,
nicht das öffentliche Recht: also dasjenige, was die Rö-
mer durch jus civile (in einer der vielen Bedeutungen
dieses Ausdrucks) bezeichnen, oder das, was sie zur Zeit
der Republik als die ausschließende Kenntniß eines Juris-
consultus,
oder die eigentliche jurisprudentia, ansahen (a).
Diese Beschränkung ist jedoch zum Theil schon als eine
Folge der vorhergehenden anzusehen, indem nur das Pri-
vatrecht der Römer im Ganzen ein Stück unsres Rechts-
zustandes geworden ist. Zwar ist auch das Römische
Criminalrecht unsrem Rechtszustand nicht fremd geblie-
ben: allein es ist doch nur theilweise, und ungleich weni-
ger als das Privatrecht, in denselben übergegangen.


(a) So setzt Cicero sich selbst
sehr bestimmt den Juristen ent-
gegen, aber er war weit entfernt
zu glauben, daß er oder ein an-
derer Staatsmann weniger als
ein Jurist von der Verfassung,
vom jus sacrum u. s. w. wissen
müsse. Ulpian freilich giebt der
jurisprudentia eine viel weitere
Ausdehnung (L. 10. §. 2. D. de
J. et J.);
das liegt aber nicht
blos an der Ungenauigkeit seiner
Erklärung, noch weniger an einer
übertriebenen Erhebung seiner
Wissenschaft, sondern an der in
seiner Zeit sehr veränderten Stel-
lung des Juristen und des Staats-
manns überhaupt.

Buch I. Quellen. Kap. I. Aufgabe des Werks.
ſtitute als ſolche; zweytens jede einzelne, dem früheren
Recht angehörende, dem Juſtinianiſchen fremde, Beſtim-
mung, da nur dieſe neueſte Geſtalt des Römiſchen Rechts
mit unſrem heutigen Rechtszuſtand in Verbindung getre-
ten iſt; drittens jedes Inſtitut, welches zwar dem Juſti-
nianiſchen Recht angehört, aber aus unſrem Rechtszu-
ſtand verſchwunden iſt.

3. Nur das Privatrecht gehört zu unſrer Aufgabe,
nicht das öffentliche Recht: alſo dasjenige, was die Rö-
mer durch jus civile (in einer der vielen Bedeutungen
dieſes Ausdrucks) bezeichnen, oder das, was ſie zur Zeit
der Republik als die ausſchließende Kenntniß eines Juris-
consultus,
oder die eigentliche jurisprudentia, anſahen (a).
Dieſe Beſchränkung iſt jedoch zum Theil ſchon als eine
Folge der vorhergehenden anzuſehen, indem nur das Pri-
vatrecht der Römer im Ganzen ein Stück unſres Rechts-
zuſtandes geworden iſt. Zwar iſt auch das Römiſche
Criminalrecht unſrem Rechtszuſtand nicht fremd geblie-
ben: allein es iſt doch nur theilweiſe, und ungleich weni-
ger als das Privatrecht, in denſelben übergegangen.


(a) So ſetzt Cicero ſich ſelbſt
ſehr beſtimmt den Juriſten ent-
gegen, aber er war weit entfernt
zu glauben, daß er oder ein an-
derer Staatsmann weniger als
ein Juriſt von der Verfaſſung,
vom jus sacrum u. ſ. w. wiſſen
müſſe. Ulpian freilich giebt der
jurisprudentia eine viel weitere
Ausdehnung (L. 10. §. 2. D. de
J. et J.);
das liegt aber nicht
blos an der Ungenauigkeit ſeiner
Erklärung, noch weniger an einer
übertriebenen Erhebung ſeiner
Wiſſenſchaft, ſondern an der in
ſeiner Zeit ſehr veränderten Stel-
lung des Juriſten und des Staats-
manns überhaupt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0058" n="2"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Aufgabe des Werks.</fw><lb/>
&#x017F;titute als &#x017F;olche; zweytens jede einzelne, dem früheren<lb/>
Recht angehörende, dem Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen fremde, Be&#x017F;tim-<lb/>
mung, da nur die&#x017F;e neue&#x017F;te Ge&#x017F;talt des Römi&#x017F;chen Rechts<lb/>
mit un&#x017F;rem heutigen Rechtszu&#x017F;tand in Verbindung getre-<lb/>
ten i&#x017F;t; drittens jedes In&#x017F;titut, welches zwar dem Ju&#x017F;ti-<lb/>
niani&#x017F;chen Recht angehört, aber aus un&#x017F;rem Rechtszu-<lb/>
&#x017F;tand ver&#x017F;chwunden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>3. Nur das <hi rendition="#g">Privatrecht</hi> gehört zu un&#x017F;rer Aufgabe,<lb/>
nicht das öffentliche Recht: al&#x017F;o dasjenige, was die Rö-<lb/>
mer durch <hi rendition="#aq">jus civile</hi> (in einer der vielen Bedeutungen<lb/>
die&#x017F;es Ausdrucks) bezeichnen, oder das, was &#x017F;ie zur Zeit<lb/>
der Republik als die aus&#x017F;chließende Kenntniß eines <hi rendition="#aq">Juris-<lb/>
consultus,</hi> oder die eigentliche <hi rendition="#aq">jurisprudentia,</hi> an&#x017F;ahen <note place="foot" n="(a)">So &#x017F;etzt <hi rendition="#g">Cicero</hi> &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr be&#x017F;timmt den Juri&#x017F;ten ent-<lb/>
gegen, aber er war weit entfernt<lb/>
zu glauben, daß er oder ein an-<lb/>
derer Staatsmann weniger als<lb/>
ein Juri&#x017F;t von der Verfa&#x017F;&#x017F;ung,<lb/>
vom <hi rendition="#aq">jus sacrum</hi> u. &#x017F;. w. wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>&#x017F;&#x017F;e. <hi rendition="#g">Ulpian</hi> freilich giebt der<lb/><hi rendition="#aq">jurisprudentia</hi> eine viel weitere<lb/>
Ausdehnung <hi rendition="#aq">(L. 10. §. 2. D. de<lb/>
J. et J.);</hi> das liegt aber nicht<lb/>
blos an der Ungenauigkeit &#x017F;einer<lb/>
Erklärung, noch weniger an einer<lb/>
übertriebenen Erhebung &#x017F;einer<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, &#x017F;ondern an der in<lb/>
&#x017F;einer Zeit &#x017F;ehr veränderten Stel-<lb/>
lung des Juri&#x017F;ten und des Staats-<lb/>
manns überhaupt.</note>.<lb/>
Die&#x017F;e Be&#x017F;chränkung i&#x017F;t jedoch zum Theil &#x017F;chon als eine<lb/>
Folge der vorhergehenden anzu&#x017F;ehen, indem nur das Pri-<lb/>
vatrecht der Römer im Ganzen ein Stück un&#x017F;res Rechts-<lb/>
zu&#x017F;tandes geworden i&#x017F;t. Zwar i&#x017F;t auch das Römi&#x017F;che<lb/>
Criminalrecht un&#x017F;rem Rechtszu&#x017F;tand nicht fremd geblie-<lb/>
ben: allein es i&#x017F;t doch nur theilwei&#x017F;e, und ungleich weni-<lb/>
ger als das Privatrecht, in den&#x017F;elben übergegangen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0058] Buch I. Quellen. Kap. I. Aufgabe des Werks. ſtitute als ſolche; zweytens jede einzelne, dem früheren Recht angehörende, dem Juſtinianiſchen fremde, Beſtim- mung, da nur dieſe neueſte Geſtalt des Römiſchen Rechts mit unſrem heutigen Rechtszuſtand in Verbindung getre- ten iſt; drittens jedes Inſtitut, welches zwar dem Juſti- nianiſchen Recht angehört, aber aus unſrem Rechtszu- ſtand verſchwunden iſt. 3. Nur das Privatrecht gehört zu unſrer Aufgabe, nicht das öffentliche Recht: alſo dasjenige, was die Rö- mer durch jus civile (in einer der vielen Bedeutungen dieſes Ausdrucks) bezeichnen, oder das, was ſie zur Zeit der Republik als die ausſchließende Kenntniß eines Juris- consultus, oder die eigentliche jurisprudentia, anſahen (a). Dieſe Beſchränkung iſt jedoch zum Theil ſchon als eine Folge der vorhergehenden anzuſehen, indem nur das Pri- vatrecht der Römer im Ganzen ein Stück unſres Rechts- zuſtandes geworden iſt. Zwar iſt auch das Römiſche Criminalrecht unſrem Rechtszuſtand nicht fremd geblie- ben: allein es iſt doch nur theilweiſe, und ungleich weni- ger als das Privatrecht, in denſelben übergegangen. (a) So ſetzt Cicero ſich ſelbſt ſehr beſtimmt den Juriſten ent- gegen, aber er war weit entfernt zu glauben, daß er oder ein an- derer Staatsmann weniger als ein Juriſt von der Verfaſſung, vom jus sacrum u. ſ. w. wiſſen müſſe. Ulpian freilich giebt der jurisprudentia eine viel weitere Ausdehnung (L. 10. §. 2. D. de J. et J.); das liegt aber nicht blos an der Ungenauigkeit ſeiner Erklärung, noch weniger an einer übertriebenen Erhebung ſeiner Wiſſenſchaft, ſondern an der in ſeiner Zeit ſehr veränderten Stel- lung des Juriſten und des Staats- manns überhaupt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/58
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/58>, abgerufen am 02.05.2024.