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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Beylage II.
also nicht weniger gelten, wenn dasselbe Staatsinteresse
einem absoluten Gesetz die Entstehung gegeben hat. Ge-
gen ein solches Gesetz also kann die spätere Gewohnheit
einer Stadt oder Gegend nicht aufkommen. Eben so we-
nig aber auch deren früheres Gewohnheitsrecht, das man
sonst wohl eben als ein partikuläres, von dem allgemei-
nen Gesetz nicht ausdrücklich aufgehobenes, zu schützen ver-
suchen könnte. So sollen z. B. gegen Wuchergesetze we-
der frühere, noch spätere partikuläre Gewohnheiten gel-
ten (c). Ein ganz ähnliches Verhältniß tritt auch bey Ge-
setzen für einzelne Orte ein. So z. B. war durch solche
Gesetze in manchen Städten erlaubt, in der Stadt zu be-
graben; als nun späterhin diese Art der Beerdigung aus
polizeylichen Gründen allgemein verboten wurde, so wa-
ren damit jene Gesetze, auch ohne besonders erwähnt zu
seyn, dennoch aufgehoben (d). -- Anders verhält es sich
bey vermittelnden Gesetzen. So führt Azo das Beyspiel
der Gewohnheiten von Modena und Ravenna an, nach
welchen die kirchlichen Emphyteusen nicht verfallen,
wenngleich binnen zwey Jahren kein Canon gezahlt ist:
diese Gewohnheiten sind gültig, weil ja auch durch
Verträge jede Abweichung hierüber bestimmt werden

(c) L. 26 § 1 C. eod. (4. 32.).
L. 1 pr. de usuris
(22. 1.) spricht
gar nicht von Gewohnheitsrecht,
sondern von dem üblichen Zins-
fuß, der vielleicht das gesetzli[ - 2 Zeichen fehlen]
Maaß überschreiten könnte; ob
er nun in diesem Fall, und un-
ter welchen Bedingungen, das Ge-
setz abändert, sagt wenigstens
diese Stelle nicht. Vgl. Puchta II.
S. 77.
(d) L. 3 § 5 de sepulchro
viol.
(47. 12.).

Beylage II.
alſo nicht weniger gelten, wenn daſſelbe Staatsintereſſe
einem abſoluten Geſetz die Entſtehung gegeben hat. Ge-
gen ein ſolches Geſetz alſo kann die ſpätere Gewohnheit
einer Stadt oder Gegend nicht aufkommen. Eben ſo we-
nig aber auch deren früheres Gewohnheitsrecht, das man
ſonſt wohl eben als ein partikuläres, von dem allgemei-
nen Geſetz nicht ausdrücklich aufgehobenes, zu ſchützen ver-
ſuchen könnte. So ſollen z. B. gegen Wuchergeſetze we-
der frühere, noch ſpätere partikuläre Gewohnheiten gel-
ten (c). Ein ganz ähnliches Verhältniß tritt auch bey Ge-
ſetzen für einzelne Orte ein. So z. B. war durch ſolche
Geſetze in manchen Städten erlaubt, in der Stadt zu be-
graben; als nun ſpäterhin dieſe Art der Beerdigung aus
polizeylichen Gründen allgemein verboten wurde, ſo wa-
ren damit jene Geſetze, auch ohne beſonders erwähnt zu
ſeyn, dennoch aufgehoben (d). — Anders verhält es ſich
bey vermittelnden Geſetzen. So führt Azo das Beyſpiel
der Gewohnheiten von Modena und Ravenna an, nach
welchen die kirchlichen Emphyteuſen nicht verfallen,
wenngleich binnen zwey Jahren kein Canon gezahlt iſt:
dieſe Gewohnheiten ſind gültig, weil ja auch durch
Verträge jede Abweichung hierüber beſtimmt werden

(c) L. 26 § 1 C. eod. (4. 32.).
L. 1 pr. de usuris
(22. 1.) ſpricht
gar nicht von Gewohnheitsrecht,
ſondern von dem üblichen Zins-
fuß, der vielleicht das geſetzli[ – 2 Zeichen fehlen]
Maaß überſchreiten könnte; ob
er nun in dieſem Fall, und un-
ter welchen Bedingungen, das Ge-
ſetz abändert, ſagt wenigſtens
dieſe Stelle nicht. Vgl. Puchta II.
S. 77.
(d) L. 3 § 5 de sepulchro
viol.
(47. 12.).
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[422/0478] Beylage II. alſo nicht weniger gelten, wenn daſſelbe Staatsintereſſe einem abſoluten Geſetz die Entſtehung gegeben hat. Ge- gen ein ſolches Geſetz alſo kann die ſpätere Gewohnheit einer Stadt oder Gegend nicht aufkommen. Eben ſo we- nig aber auch deren früheres Gewohnheitsrecht, das man ſonſt wohl eben als ein partikuläres, von dem allgemei- nen Geſetz nicht ausdrücklich aufgehobenes, zu ſchützen ver- ſuchen könnte. So ſollen z. B. gegen Wuchergeſetze we- der frühere, noch ſpätere partikuläre Gewohnheiten gel- ten (c). Ein ganz ähnliches Verhältniß tritt auch bey Ge- ſetzen für einzelne Orte ein. So z. B. war durch ſolche Geſetze in manchen Städten erlaubt, in der Stadt zu be- graben; als nun ſpäterhin dieſe Art der Beerdigung aus polizeylichen Gründen allgemein verboten wurde, ſo wa- ren damit jene Geſetze, auch ohne beſonders erwähnt zu ſeyn, dennoch aufgehoben (d). — Anders verhält es ſich bey vermittelnden Geſetzen. So führt Azo das Beyſpiel der Gewohnheiten von Modena und Ravenna an, nach welchen die kirchlichen Emphyteuſen nicht verfallen, wenngleich binnen zwey Jahren kein Canon gezahlt iſt: dieſe Gewohnheiten ſind gültig, weil ja auch durch Verträge jede Abweichung hierüber beſtimmt werden (c) L. 26 § 1 C. eod. (4. 32.). L. 1 pr. de usuris (22. 1.) ſpricht gar nicht von Gewohnheitsrecht, ſondern von dem üblichen Zins- fuß, der vielleicht das geſetzli__ Maaß überſchreiten könnte; ob er nun in dieſem Fall, und un- ter welchen Bedingungen, das Ge- ſetz abändert, ſagt wenigſtens dieſe Stelle nicht. Vgl. Puchta II. S. 77. (d) L. 3 § 5 de sepulchro viol. (47. 12.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/478>, abgerufen am 03.05.2024.