kennen, daß die erste Entstehung der Sklaverey aus Ge- walt, also aus Zufall und Willkühr, abzuleiten sey: ja es ist möglich, daß die Natur dieses Verhältnisses zu der ganzen Ansicht den Anstoß gegeben hat. Allein die ganze hierauf gegründete Eintheilung ist zu verwerfen. Erstlich weil an sich die Unterscheidung des mehr oder weniger Natürlichen eine willkührliche und schwankende ist: zwey- tens weil die Eintheilung, so gefaßt, lediglich das allge- meine, unbestimmte Daseyn der Rechtsinstitute betraf, und daher unfruchtbar bleiben mußte: die weit wichtigere Aus- führung in einzelnen Rechtsregeln lag ganz außer ihrem Gebiet. Nicht so bey der zweygliedrigen Eintheilung, in welcher auch der Gegensatz der Rechtsregeln sichtbar wird, und die deswegen für die Anwendung auf das Rechtssy- stem allein Brauchbarkeit hat.
Es läßt sich aber auch zeigen, daß die zweygliedrige Eintheilung im Römischen Recht stets die Herrschaft be- hauptet hat. Dafür könnte man schon die größere Zahl der dafür angeführten Zeugnisse geltend machen. Doch lege ich darauf weniger Gewicht, da die Auswahl der Stellen, die wir darüber besitzen, sehr zufällig gemacht seyn kann. Dagegen halte ich für ganz entscheidend den großen Einfluß derselben, der sich durch das ganze Rechts- system nachweisen läßt, anstatt daß die dreygliedrige in keiner einzelnen Anwendung erscheint. Überall nämlich finden wir in den Rechtsinstituten und in einzelnen Rechts- sätzen einen aus zwey, nicht aus drey Gliedern bestehen-
27
Jus naturale, gentium, civile.
kennen, daß die erſte Entſtehung der Sklaverey aus Ge- walt, alſo aus Zufall und Willkühr, abzuleiten ſey: ja es iſt möglich, daß die Natur dieſes Verhältniſſes zu der ganzen Anſicht den Anſtoß gegeben hat. Allein die ganze hierauf gegründete Eintheilung iſt zu verwerfen. Erſtlich weil an ſich die Unterſcheidung des mehr oder weniger Natürlichen eine willkührliche und ſchwankende iſt: zwey- tens weil die Eintheilung, ſo gefaßt, lediglich das allge- meine, unbeſtimmte Daſeyn der Rechtsinſtitute betraf, und daher unfruchtbar bleiben mußte: die weit wichtigere Aus- führung in einzelnen Rechtsregeln lag ganz außer ihrem Gebiet. Nicht ſo bey der zweygliedrigen Eintheilung, in welcher auch der Gegenſatz der Rechtsregeln ſichtbar wird, und die deswegen für die Anwendung auf das Rechtsſy- ſtem allein Brauchbarkeit hat.
Es läßt ſich aber auch zeigen, daß die zweygliedrige Eintheilung im Römiſchen Recht ſtets die Herrſchaft be- hauptet hat. Dafür könnte man ſchon die groͤßere Zahl der dafür angeführten Zeugniſſe geltend machen. Doch lege ich darauf weniger Gewicht, da die Auswahl der Stellen, die wir darüber beſitzen, ſehr zufällig gemacht ſeyn kann. Dagegen halte ich für ganz entſcheidend den großen Einfluß derſelben, der ſich durch das ganze Rechts- ſyſtem nachweiſen läßt, anſtatt daß die dreygliedrige in keiner einzelnen Anwendung erſcheint. Überall nämlich finden wir in den Rechtsinſtituten und in einzelnen Rechts- ſätzen einen aus zwey, nicht aus drey Gliedern beſtehen-
27
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0473"n="417"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">Jus naturale, gentium, civile.</hi></fw><lb/>
kennen, daß die erſte Entſtehung der Sklaverey aus Ge-<lb/>
walt, alſo aus Zufall und Willkühr, abzuleiten ſey: ja<lb/>
es iſt möglich, daß die Natur dieſes Verhältniſſes zu der<lb/>
ganzen Anſicht den Anſtoß gegeben hat. Allein die ganze<lb/>
hierauf gegründete Eintheilung iſt zu verwerfen. Erſtlich<lb/>
weil an ſich die Unterſcheidung des mehr oder weniger<lb/>
Natürlichen eine willkührliche und ſchwankende iſt: zwey-<lb/>
tens weil die Eintheilung, ſo gefaßt, lediglich das allge-<lb/>
meine, unbeſtimmte Daſeyn der Rechtsinſtitute betraf, und<lb/>
daher unfruchtbar bleiben mußte: die weit wichtigere Aus-<lb/>
führung in einzelnen Rechtsregeln lag ganz außer ihrem<lb/>
Gebiet. Nicht ſo bey der zweygliedrigen Eintheilung, in<lb/>
welcher auch der Gegenſatz der Rechtsregeln ſichtbar wird,<lb/>
und die deswegen für die Anwendung auf das Rechtsſy-<lb/>ſtem allein Brauchbarkeit hat.</p><lb/><p>Es läßt ſich aber auch zeigen, daß die zweygliedrige<lb/>
Eintheilung im Römiſchen Recht ſtets die Herrſchaft be-<lb/>
hauptet hat. Dafür könnte man ſchon die groͤßere Zahl<lb/>
der dafür angeführten Zeugniſſe geltend machen. Doch<lb/>
lege ich darauf weniger Gewicht, da die Auswahl der<lb/>
Stellen, die wir darüber beſitzen, ſehr zufällig gemacht<lb/>ſeyn kann. Dagegen halte ich für ganz entſcheidend den<lb/>
großen Einfluß derſelben, der ſich durch das ganze Rechts-<lb/>ſyſtem nachweiſen läßt, anſtatt daß die dreygliedrige in<lb/>
keiner einzelnen Anwendung erſcheint. Überall nämlich<lb/>
finden wir in den Rechtsinſtituten und in einzelnen Rechts-<lb/>ſätzen einen aus zwey, nicht aus drey Gliedern beſtehen-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">27</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[417/0473]
Jus naturale, gentium, civile.
kennen, daß die erſte Entſtehung der Sklaverey aus Ge-
walt, alſo aus Zufall und Willkühr, abzuleiten ſey: ja
es iſt möglich, daß die Natur dieſes Verhältniſſes zu der
ganzen Anſicht den Anſtoß gegeben hat. Allein die ganze
hierauf gegründete Eintheilung iſt zu verwerfen. Erſtlich
weil an ſich die Unterſcheidung des mehr oder weniger
Natürlichen eine willkührliche und ſchwankende iſt: zwey-
tens weil die Eintheilung, ſo gefaßt, lediglich das allge-
meine, unbeſtimmte Daſeyn der Rechtsinſtitute betraf, und
daher unfruchtbar bleiben mußte: die weit wichtigere Aus-
führung in einzelnen Rechtsregeln lag ganz außer ihrem
Gebiet. Nicht ſo bey der zweygliedrigen Eintheilung, in
welcher auch der Gegenſatz der Rechtsregeln ſichtbar wird,
und die deswegen für die Anwendung auf das Rechtsſy-
ſtem allein Brauchbarkeit hat.
Es läßt ſich aber auch zeigen, daß die zweygliedrige
Eintheilung im Römiſchen Recht ſtets die Herrſchaft be-
hauptet hat. Dafür könnte man ſchon die groͤßere Zahl
der dafür angeführten Zeugniſſe geltend machen. Doch
lege ich darauf weniger Gewicht, da die Auswahl der
Stellen, die wir darüber beſitzen, ſehr zufällig gemacht
ſeyn kann. Dagegen halte ich für ganz entſcheidend den
großen Einfluß derſelben, der ſich durch das ganze Rechts-
ſyſtem nachweiſen läßt, anſtatt daß die dreygliedrige in
keiner einzelnen Anwendung erſcheint. Überall nämlich
finden wir in den Rechtsinſtituten und in einzelnen Rechts-
ſätzen einen aus zwey, nicht aus drey Gliedern beſtehen-
27
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/473>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.