Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 58. Übersicht der Rechtsinstitute.
dieses Verfahren würde sogleich als willkührlich und un-
verhältnißmäßig sich darstellen. Dazu kommt aber noch
die wichtigere Rücksicht, daß das wahrhaft Gemeinsame
in solchen Theilen der Rechtsinstitute gerade durch die Zu-
sammenstellung gründlicher erkannt werden kann. Und so
erscheint es denn von allen Seiten gerathen, dieses wirk-
lich Gemeinsame auszuziehen und dem System der beson-
deren Rechtsinstitute voran zu stellen, um dann bey je-
dem einzelnen die Modificationen, die für dasselbe gelten,
an jene gemeinsame Grundlage anknüpfen zu können.

Allerdings kann die Aufstellung eines solchen allgemei-
nen Theils dadurch der richtigen Einsicht nachtheilig wer-
den, daß auf diese Weise leicht als allgemein dargestellt
wird, was in der That nur in einer concreten Beziehung
Anwendung findet. So z. B. wenn in den allgemeinen
Theil die Lehre von den Zinsen oder von der Correal-
schuld aufgenommen wird, welche beide doch nur für die
Obligationen gelten können. Noch häufiger, als eine solche
unrichtige Stellung ganzer Rechtsinstitute, wird die unge-
hörig allgemeine Behandlung mancher besonderen Begriffe
oder Rechtssätze vorkommen, und diese wird, weil sie un-
scheinbarer ist, sogar noch leichter zu irrigen Ansichten ver-
leiten können. Hierin ist also große Sorgfalt anzuwen-
den, damit nicht das Besondere schon durch die falsche
Stellung einen täuschenden Schein von Allgemeinheit er-
halte, wodurch die richtige Gränze zwischen dem wahr-
haft Allgemeinen und dem Besonderen überschritten wer-

§. 58. Überſicht der Rechtsinſtitute.
dieſes Verfahren würde ſogleich als willkührlich und un-
verhältnißmäßig ſich darſtellen. Dazu kommt aber noch
die wichtigere Rückſicht, daß das wahrhaft Gemeinſame
in ſolchen Theilen der Rechtsinſtitute gerade durch die Zu-
ſammenſtellung gründlicher erkannt werden kann. Und ſo
erſcheint es denn von allen Seiten gerathen, dieſes wirk-
lich Gemeinſame auszuziehen und dem Syſtem der beſon-
deren Rechtsinſtitute voran zu ſtellen, um dann bey je-
dem einzelnen die Modificationen, die für daſſelbe gelten,
an jene gemeinſame Grundlage anknüpfen zu können.

Allerdings kann die Aufſtellung eines ſolchen allgemei-
nen Theils dadurch der richtigen Einſicht nachtheilig wer-
den, daß auf dieſe Weiſe leicht als allgemein dargeſtellt
wird, was in der That nur in einer concreten Beziehung
Anwendung findet. So z. B. wenn in den allgemeinen
Theil die Lehre von den Zinſen oder von der Correal-
ſchuld aufgenommen wird, welche beide doch nur für die
Obligationen gelten können. Noch häufiger, als eine ſolche
unrichtige Stellung ganzer Rechtsinſtitute, wird die unge-
hörig allgemeine Behandlung mancher beſonderen Begriffe
oder Rechtsſätze vorkommen, und dieſe wird, weil ſie un-
ſcheinbarer iſt, ſogar noch leichter zu irrigen Anſichten ver-
leiten können. Hierin iſt alſo große Sorgfalt anzuwen-
den, damit nicht das Beſondere ſchon durch die falſche
Stellung einen täuſchenden Schein von Allgemeinheit er-
halte, wodurch die richtige Gränze zwiſchen dem wahr-
haft Allgemeinen und dem Beſonderen überſchritten wer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0447" n="391"/><fw place="top" type="header">§. 58. Über&#x017F;icht der Rechtsin&#x017F;titute.</fw><lb/>
die&#x017F;es Verfahren würde &#x017F;ogleich als willkührlich und un-<lb/>
verhältnißmäßig &#x017F;ich dar&#x017F;tellen. Dazu kommt aber noch<lb/>
die wichtigere Rück&#x017F;icht, daß das wahrhaft Gemein&#x017F;ame<lb/>
in &#x017F;olchen Theilen der Rechtsin&#x017F;titute gerade durch die Zu-<lb/>
&#x017F;ammen&#x017F;tellung gründlicher erkannt werden kann. Und &#x017F;o<lb/>
er&#x017F;cheint es denn von allen Seiten gerathen, die&#x017F;es wirk-<lb/>
lich Gemein&#x017F;ame auszuziehen und dem Sy&#x017F;tem der be&#x017F;on-<lb/>
deren Rechtsin&#x017F;titute voran zu &#x017F;tellen, um dann bey je-<lb/>
dem einzelnen die Modificationen, die für da&#x017F;&#x017F;elbe gelten,<lb/>
an jene gemein&#x017F;ame Grundlage anknüpfen zu können.</p><lb/>
            <p>Allerdings kann die Auf&#x017F;tellung eines &#x017F;olchen allgemei-<lb/>
nen Theils dadurch der richtigen Ein&#x017F;icht nachtheilig wer-<lb/>
den, daß auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e leicht als allgemein darge&#x017F;tellt<lb/>
wird, was in der That nur in einer concreten Beziehung<lb/>
Anwendung findet. So z. B. wenn in den allgemeinen<lb/>
Theil die Lehre von den Zin&#x017F;en oder von der Correal-<lb/>
&#x017F;chuld aufgenommen wird, welche beide doch nur für die<lb/>
Obligationen gelten können. Noch häufiger, als eine &#x017F;olche<lb/>
unrichtige Stellung ganzer Rechtsin&#x017F;titute, wird die unge-<lb/>
hörig allgemeine Behandlung mancher be&#x017F;onderen Begriffe<lb/>
oder Rechts&#x017F;ätze vorkommen, und die&#x017F;e wird, weil &#x017F;ie un-<lb/>
&#x017F;cheinbarer i&#x017F;t, &#x017F;ogar noch leichter zu irrigen An&#x017F;ichten ver-<lb/>
leiten können. Hierin i&#x017F;t al&#x017F;o große Sorgfalt anzuwen-<lb/>
den, damit nicht das Be&#x017F;ondere &#x017F;chon durch die fal&#x017F;che<lb/>
Stellung einen täu&#x017F;chenden Schein von Allgemeinheit er-<lb/>
halte, wodurch die richtige Gränze zwi&#x017F;chen dem wahr-<lb/>
haft Allgemeinen und dem Be&#x017F;onderen über&#x017F;chritten wer-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[391/0447] §. 58. Überſicht der Rechtsinſtitute. dieſes Verfahren würde ſogleich als willkührlich und un- verhältnißmäßig ſich darſtellen. Dazu kommt aber noch die wichtigere Rückſicht, daß das wahrhaft Gemeinſame in ſolchen Theilen der Rechtsinſtitute gerade durch die Zu- ſammenſtellung gründlicher erkannt werden kann. Und ſo erſcheint es denn von allen Seiten gerathen, dieſes wirk- lich Gemeinſame auszuziehen und dem Syſtem der beſon- deren Rechtsinſtitute voran zu ſtellen, um dann bey je- dem einzelnen die Modificationen, die für daſſelbe gelten, an jene gemeinſame Grundlage anknüpfen zu können. Allerdings kann die Aufſtellung eines ſolchen allgemei- nen Theils dadurch der richtigen Einſicht nachtheilig wer- den, daß auf dieſe Weiſe leicht als allgemein dargeſtellt wird, was in der That nur in einer concreten Beziehung Anwendung findet. So z. B. wenn in den allgemeinen Theil die Lehre von den Zinſen oder von der Correal- ſchuld aufgenommen wird, welche beide doch nur für die Obligationen gelten können. Noch häufiger, als eine ſolche unrichtige Stellung ganzer Rechtsinſtitute, wird die unge- hörig allgemeine Behandlung mancher beſonderen Begriffe oder Rechtsſätze vorkommen, und dieſe wird, weil ſie un- ſcheinbarer iſt, ſogar noch leichter zu irrigen Anſichten ver- leiten können. Hierin iſt alſo große Sorgfalt anzuwen- den, damit nicht das Beſondere ſchon durch die falſche Stellung einen täuſchenden Schein von Allgemeinheit er- halte, wodurch die richtige Gränze zwiſchen dem wahr- haft Allgemeinen und dem Beſonderen überſchritten wer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/447
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/447>, abgerufen am 14.08.2024.