Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten. gem Gehalt. Die abstracte Behandlung des Vermögensaber macht es ferner möglich und nöthig, in dasselbe auch die passive Seite der Obligationen mit hinein zu ziehen, das Verhältniß des Schuldners, welches nicht so, wie das bisher betrachtete Vermögen, eine erweiterte Freyheit begründet, sondern eine verminderte. Indem wir auf diese Weise auch die Schulden als Bestandtheile des Vermö- gens ansehen, müssen wir annehmen, daß die Totalität eines jeden Vermögens bald ein Plus, bald ein Minus, bald auch eine völlige Indifferenz oder eine Null, darstel- len kann. Diese rein quantitative Behandlung des Vermögens, (k) Im älteren Römischen Pro-
zeß trat diese praktische Zurück- führung aller, auch der verschie- denartigsten, Rechte auf Geld- werth besonders sichtbar hervor. Gajus IV. § 48. -- Hegel Na- turrecht § 63 bestimmt die Be- griffe von Werth und Geld im Ganzen richtig, und ist nur darin einseitig, daß er lediglich einen Eigenthums- oder Verkaufswerth anerkennt, also weder einen Ge- brauchswerth annimmt, noch ei- nen Sachwerth unter Voraus- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. gem Gehalt. Die abſtracte Behandlung des Vermögensaber macht es ferner möglich und nöthig, in daſſelbe auch die paſſive Seite der Obligationen mit hinein zu ziehen, das Verhältniß des Schuldners, welches nicht ſo, wie das bisher betrachtete Vermögen, eine erweiterte Freyheit begründet, ſondern eine verminderte. Indem wir auf dieſe Weiſe auch die Schulden als Beſtandtheile des Vermö- gens anſehen, müſſen wir annehmen, daß die Totalität eines jeden Vermögens bald ein Plus, bald ein Minus, bald auch eine völlige Indifferenz oder eine Null, darſtel- len kann. Dieſe rein quantitative Behandlung des Vermögens, (k) Im älteren Römiſchen Pro-
zeß trat dieſe praktiſche Zurück- führung aller, auch der verſchie- denartigſten, Rechte auf Geld- werth beſonders ſichtbar hervor. Gajus IV. § 48. — Hegel Na- turrecht § 63 beſtimmt die Be- griffe von Werth und Geld im Ganzen richtig, und iſt nur darin einſeitig, daß er lediglich einen Eigenthums- oder Verkaufswerth anerkennt, alſo weder einen Ge- brauchswerth annimmt, noch ei- nen Sachwerth unter Voraus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0432" n="376"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Weſen und Arten.</fw><lb/> gem Gehalt. Die abſtracte Behandlung des Vermögens<lb/> aber macht es ferner möglich und nöthig, in daſſelbe auch<lb/> die paſſive Seite der Obligationen mit hinein zu ziehen,<lb/> das Verhältniß des Schuldners, welches nicht ſo, wie<lb/> das bisher betrachtete Vermögen, eine erweiterte Freyheit<lb/> begründet, ſondern eine verminderte. Indem wir auf dieſe<lb/> Weiſe auch die Schulden als Beſtandtheile des Vermö-<lb/> gens anſehen, müſſen wir annehmen, daß die Totalität<lb/> eines jeden Vermögens bald ein Plus, bald ein Minus,<lb/> bald auch eine völlige Indifferenz oder eine Null, darſtel-<lb/> len kann.</p><lb/> <p>Dieſe rein quantitative Behandlung des Vermögens,<lb/> ohne welche eine Handhabung des Rechts nur in ſehr un-<lb/> vollkommener Weiſe möglich ſeyn würde, wird vermittelt<lb/> durch den Begriff des <hi rendition="#g">Werthes</hi>, oder der Gleichſtellung<lb/> verſchiedenartiger Vermögensrechte durch Reduction auf<lb/> ein gemeinſchaftliches Drittes. Und dieſer Begriff wie-<lb/> derum wird äußerlich dargeſtellt und in das wirkliche Le-<lb/> ben eingeführt durch das <hi rendition="#g">Geld</hi>, ſo daß alſo für den ju-<lb/> riſtiſchen Gebrauch Werth und Geldwerth gleichbedeutende<lb/> Ausdrücke ſind, und auch in der That abwechſelnd ange-<lb/> wendet zu werden pflegen <note xml:id="seg2pn_51_1" next="#seg2pn_51_2" place="foot" n="(k)">Im älteren Römiſchen Pro-<lb/> zeß trat dieſe praktiſche Zurück-<lb/> führung aller, auch der verſchie-<lb/> denartigſten, Rechte auf Geld-<lb/> werth beſonders ſichtbar hervor.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 48. — <hi rendition="#g">Hegel</hi> Na-<lb/> turrecht § 63 beſtimmt die Be-<lb/> griffe von Werth und Geld im<lb/> Ganzen richtig, und iſt nur darin<lb/> einſeitig, daß er lediglich einen<lb/> Eigenthums- oder Verkaufswerth<lb/> anerkennt, alſo weder einen Ge-<lb/> brauchswerth annimmt, noch ei-<lb/> nen Sachwerth unter Voraus-</note>. Das individuelle Vermö-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [376/0432]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
gem Gehalt. Die abſtracte Behandlung des Vermögens
aber macht es ferner möglich und nöthig, in daſſelbe auch
die paſſive Seite der Obligationen mit hinein zu ziehen,
das Verhältniß des Schuldners, welches nicht ſo, wie
das bisher betrachtete Vermögen, eine erweiterte Freyheit
begründet, ſondern eine verminderte. Indem wir auf dieſe
Weiſe auch die Schulden als Beſtandtheile des Vermö-
gens anſehen, müſſen wir annehmen, daß die Totalität
eines jeden Vermögens bald ein Plus, bald ein Minus,
bald auch eine völlige Indifferenz oder eine Null, darſtel-
len kann.
Dieſe rein quantitative Behandlung des Vermögens,
ohne welche eine Handhabung des Rechts nur in ſehr un-
vollkommener Weiſe möglich ſeyn würde, wird vermittelt
durch den Begriff des Werthes, oder der Gleichſtellung
verſchiedenartiger Vermögensrechte durch Reduction auf
ein gemeinſchaftliches Drittes. Und dieſer Begriff wie-
derum wird äußerlich dargeſtellt und in das wirkliche Le-
ben eingeführt durch das Geld, ſo daß alſo für den ju-
riſtiſchen Gebrauch Werth und Geldwerth gleichbedeutende
Ausdrücke ſind, und auch in der That abwechſelnd ange-
wendet zu werden pflegen (k). Das individuelle Vermö-
(k) Im älteren Römiſchen Pro-
zeß trat dieſe praktiſche Zurück-
führung aller, auch der verſchie-
denartigſten, Rechte auf Geld-
werth beſonders ſichtbar hervor.
Gajus IV. § 48. — Hegel Na-
turrecht § 63 beſtimmt die Be-
griffe von Werth und Geld im
Ganzen richtig, und iſt nur darin
einſeitig, daß er lediglich einen
Eigenthums- oder Verkaufswerth
anerkennt, alſo weder einen Ge-
brauchswerth annimmt, noch ei-
nen Sachwerth unter Voraus-
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