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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
der Gränzscheidung zwischen Sachenrecht und Obligatio-
nen, theils in der Beziehung worin beide Rechtstheile zu
einander gedacht werden. -- Was die Gränzscheidung be-
trifft, so giebt es allerdings einige äußerste Punkte, bey
welchen die besondere Natur des einen oder des andern
Rechtstheils ganz unverkennbar ist: so auf der einen Seite
das strenge Eigenthum mit unbeschränkter Vindication, auf
der anderen Seite der Dienstbotenvertrag und das Man-
dat. Allein zwischen diesen liegt eine natürliche Annähe-
rung, ja ein allmäliger Übergang, darin, daß die meisten
und wichtigsten Obligationen darauf abzwecken, durch
fremde Handlungen ein dingliches Recht, oder wenigstens
die Ausübung und den Genuß eines solchen, zu erlan-
gen (b). In dieser Beziehung nun ist im Römischen Recht
characteristisch ein scharfes Hervortreten des Eigenthums,
welches sich theils in der unbeschränkten Wirkung der Vin-
dication äußert (c), theils in der sehr beschränkten Möglich-
keit einer Verminderung des Eigenthums durch jura in re (d).

(b) Nämlich alle dandi obli-
gationes.
-- Darauf gründet sich
der Sprachgebrauch mancher neue-
ren Schriftsteller, nach welchem
die Obligationen (jura persona-
lia
) eingetheilt werden in jura
pers. in specie,
und jura ad
rem.
Daries Inst. jurispr. priv.

§ 31. -- Eben so nimmt das Preu-
ßische A. L. R. Th. 1. Tit. 2 § 123.
124 als Gattung das persönliche
Recht, als einzelne Art das Recht
zur Sache an.
(c) Im Gegensatz derselben
nimmt das Französische Recht in
der Regel keine Vindication be-
weglicher Sachen an, sondern nur
ausnahmsweise bey besonderen Ar-
ten des Besitzverlustes. Eben so
giebt das Preußische Recht dem
redlichen Käufer bey Sachen aller
Art das Recht, vom Eigenthü-
mer Ersatz des Kaufpreises zu
verlangen.
(d) Das R. R. läßt jura in re
nur in bestimmten einzelnen Fäl-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
der Gränzſcheidung zwiſchen Sachenrecht und Obligatio-
nen, theils in der Beziehung worin beide Rechtstheile zu
einander gedacht werden. — Was die Gränzſcheidung be-
trifft, ſo giebt es allerdings einige äußerſte Punkte, bey
welchen die beſondere Natur des einen oder des andern
Rechtstheils ganz unverkennbar iſt: ſo auf der einen Seite
das ſtrenge Eigenthum mit unbeſchränkter Vindication, auf
der anderen Seite der Dienſtbotenvertrag und das Man-
dat. Allein zwiſchen dieſen liegt eine natürliche Annähe-
rung, ja ein allmäliger Übergang, darin, daß die meiſten
und wichtigſten Obligationen darauf abzwecken, durch
fremde Handlungen ein dingliches Recht, oder wenigſtens
die Ausübung und den Genuß eines ſolchen, zu erlan-
gen (b). In dieſer Beziehung nun iſt im Römiſchen Recht
characteriſtiſch ein ſcharfes Hervortreten des Eigenthums,
welches ſich theils in der unbeſchränkten Wirkung der Vin-
dication äußert (c), theils in der ſehr beſchränkten Möglich-
keit einer Verminderung des Eigenthums durch jura in re (d).

(b) Nämlich alle dandi obli-
gationes.
— Darauf gründet ſich
der Sprachgebrauch mancher neue-
ren Schriftſteller, nach welchem
die Obligationen (jura persona-
lia
) eingetheilt werden in jura
pers. in specie,
und jura ad
rem.
Daries Inst. jurispr. priv.

§ 31. — Eben ſo nimmt das Preu-
ßiſche A. L. R. Th. 1. Tit. 2 § 123.
124 als Gattung das perſönliche
Recht, als einzelne Art das Recht
zur Sache an.
(c) Im Gegenſatz derſelben
nimmt das Franzöſiſche Recht in
der Regel keine Vindication be-
weglicher Sachen an, ſondern nur
ausnahmsweiſe bey beſonderen Ar-
ten des Beſitzverluſtes. Eben ſo
giebt das Preußiſche Recht dem
redlichen Käufer bey Sachen aller
Art das Recht, vom Eigenthü-
mer Erſatz des Kaufpreiſes zu
verlangen.
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[372/0428] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. der Gränzſcheidung zwiſchen Sachenrecht und Obligatio- nen, theils in der Beziehung worin beide Rechtstheile zu einander gedacht werden. — Was die Gränzſcheidung be- trifft, ſo giebt es allerdings einige äußerſte Punkte, bey welchen die beſondere Natur des einen oder des andern Rechtstheils ganz unverkennbar iſt: ſo auf der einen Seite das ſtrenge Eigenthum mit unbeſchränkter Vindication, auf der anderen Seite der Dienſtbotenvertrag und das Man- dat. Allein zwiſchen dieſen liegt eine natürliche Annähe- rung, ja ein allmäliger Übergang, darin, daß die meiſten und wichtigſten Obligationen darauf abzwecken, durch fremde Handlungen ein dingliches Recht, oder wenigſtens die Ausübung und den Genuß eines ſolchen, zu erlan- gen (b). In dieſer Beziehung nun iſt im Römiſchen Recht characteriſtiſch ein ſcharfes Hervortreten des Eigenthums, welches ſich theils in der unbeſchränkten Wirkung der Vin- dication äußert (c), theils in der ſehr beſchränkten Möglich- keit einer Verminderung des Eigenthums durch jura in re (d). (b) Nämlich alle dandi obli- gationes. — Darauf gründet ſich der Sprachgebrauch mancher neue- ren Schriftſteller, nach welchem die Obligationen (jura persona- lia) eingetheilt werden in jura pers. in specie, und jura ad rem. Daries Inst. jurispr. priv. § 31. — Eben ſo nimmt das Preu- ßiſche A. L. R. Th. 1. Tit. 2 § 123. 124 als Gattung das perſönliche Recht, als einzelne Art das Recht zur Sache an. (c) Im Gegenſatz derſelben nimmt das Franzöſiſche Recht in der Regel keine Vindication be- weglicher Sachen an, ſondern nur ausnahmsweiſe bey beſonderen Ar- ten des Beſitzverluſtes. Eben ſo giebt das Preußiſche Recht dem redlichen Käufer bey Sachen aller Art das Recht, vom Eigenthü- mer Erſatz des Kaufpreiſes zu verlangen. (d) Das R. R. läßt jura in re nur in beſtimmten einzelnen Fäl-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/428>, abgerufen am 26.11.2024.