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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 55. Familienrecht. Fortsetzung.
veräußerten Freyen sollten doch zu dem neuen Herrn in
einem anderen und milderen Verhältniß stehen als eigent-
liche Sklaven. Dieses war die Mancipii causa, ein Mit-
telzustand zwischen Freyen und Sklaven, woraus ferner
durch Freylassung ein Patronat, ähnlich dem über wahre
Sklaven, entstehen konnte. Nur in der Unfähigkeit zum
Vermögen, und in dem Erwerb für den Herrn, steht die-
ser Abhängige dem Sklaven ganz gleich. -- Diese Rechts-
verhältnisse haben sich, als blos juristische Formen bey
Auflösung der väterlichen Gewalt, in ausgedehnter Übung
erhalten, nachdem ein ernstlicher Verkauf der Kinder schon
längst ungewöhnlich, ja selbst strafbar geworden war.

5) Tutela und Curatio. Der Kern dieses Rechtsin-
stituts ist unstreitig die Tutel über die Unmündigen, und
diese muß als Surrogat der väterlichen Gewalt, wo eine
solche zufällig fehlt, betrachtet werden. Es fragt sich nur,
in welchem Sinn sie ein solches Surrogat ist. Gewiß
nicht insofern, als in der väterlichen Gewalt eine Perso-
neneinheit liegt, denn diese ist in der Tutel sicher nicht
vorhanden. Eher könnte man an das Erziehungsverhält-
niß denken, aber auch dieses liegt außer den Gränzen der
Tutel und kann nur ganz zufällig mit ihr verbunden seyn.
Der wahre Zusammenhang aber ist dieser. Wenn der
Inhaber eines Vermögens unmündig ist, so kann er sein
Vermögen nicht vertreten, das heißt er ist handlungsun-
fähig. Die meisten Unmündigen nun stehen in väterlicher
Gewalt, und für sie besteht jene Schwierigkeit nicht, da

§. 55. Familienrecht. Fortſetzung.
veräußerten Freyen ſollten doch zu dem neuen Herrn in
einem anderen und milderen Verhältniß ſtehen als eigent-
liche Sklaven. Dieſes war die Mancipii causa, ein Mit-
telzuſtand zwiſchen Freyen und Sklaven, woraus ferner
durch Freylaſſung ein Patronat, ähnlich dem über wahre
Sklaven, entſtehen konnte. Nur in der Unfähigkeit zum
Vermögen, und in dem Erwerb für den Herrn, ſteht die-
ſer Abhängige dem Sklaven ganz gleich. — Dieſe Rechts-
verhältniſſe haben ſich, als blos juriſtiſche Formen bey
Auflöſung der väterlichen Gewalt, in ausgedehnter Übung
erhalten, nachdem ein ernſtlicher Verkauf der Kinder ſchon
längſt ungewöhnlich, ja ſelbſt ſtrafbar geworden war.

5) Tutela und Curatio. Der Kern dieſes Rechtsin-
ſtituts iſt unſtreitig die Tutel über die Unmündigen, und
dieſe muß als Surrogat der väterlichen Gewalt, wo eine
ſolche zufällig fehlt, betrachtet werden. Es fragt ſich nur,
in welchem Sinn ſie ein ſolches Surrogat iſt. Gewiß
nicht inſofern, als in der väterlichen Gewalt eine Perſo-
neneinheit liegt, denn dieſe iſt in der Tutel ſicher nicht
vorhanden. Eher könnte man an das Erziehungsverhält-
niß denken, aber auch dieſes liegt außer den Gränzen der
Tutel und kann nur ganz zufällig mit ihr verbunden ſeyn.
Der wahre Zuſammenhang aber iſt dieſer. Wenn der
Inhaber eines Vermögens unmündig iſt, ſo kann er ſein
Vermögen nicht vertreten, das heißt er iſt handlungsun-
fähig. Die meiſten Unmündigen nun ſtehen in väterlicher
Gewalt, und für ſie beſteht jene Schwierigkeit nicht, da

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[361/0417] §. 55. Familienrecht. Fortſetzung. veräußerten Freyen ſollten doch zu dem neuen Herrn in einem anderen und milderen Verhältniß ſtehen als eigent- liche Sklaven. Dieſes war die Mancipii causa, ein Mit- telzuſtand zwiſchen Freyen und Sklaven, woraus ferner durch Freylaſſung ein Patronat, ähnlich dem über wahre Sklaven, entſtehen konnte. Nur in der Unfähigkeit zum Vermögen, und in dem Erwerb für den Herrn, ſteht die- ſer Abhängige dem Sklaven ganz gleich. — Dieſe Rechts- verhältniſſe haben ſich, als blos juriſtiſche Formen bey Auflöſung der väterlichen Gewalt, in ausgedehnter Übung erhalten, nachdem ein ernſtlicher Verkauf der Kinder ſchon längſt ungewöhnlich, ja ſelbſt ſtrafbar geworden war. 5) Tutela und Curatio. Der Kern dieſes Rechtsin- ſtituts iſt unſtreitig die Tutel über die Unmündigen, und dieſe muß als Surrogat der väterlichen Gewalt, wo eine ſolche zufällig fehlt, betrachtet werden. Es fragt ſich nur, in welchem Sinn ſie ein ſolches Surrogat iſt. Gewiß nicht inſofern, als in der väterlichen Gewalt eine Perſo- neneinheit liegt, denn dieſe iſt in der Tutel ſicher nicht vorhanden. Eher könnte man an das Erziehungsverhält- niß denken, aber auch dieſes liegt außer den Gränzen der Tutel und kann nur ganz zufällig mit ihr verbunden ſeyn. Der wahre Zuſammenhang aber iſt dieſer. Wenn der Inhaber eines Vermögens unmündig iſt, ſo kann er ſein Vermögen nicht vertreten, das heißt er iſt handlungsun- fähig. Die meiſten Unmündigen nun ſtehen in väterlicher Gewalt, und für ſie beſteht jene Schwierigkeit nicht, da

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/417>, abgerufen am 26.11.2024.