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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
um sie dann auf die eigenen Kinder zu übertragen und in
ihnen weiter fortzusetzen. Diese Ansicht zeigt sich deutlich
in der Repräsentation des Vaters durch die Erwerbun-
gen des Kindes, so wie in der eigenthümlichen Art, wie
der Suus die väterliche Erbschaft erwirbt. Sie zeigt sich
auch in der Vermögensunfähigkeit des Kindes, wobey ohne
Zweifel die Ansicht zum Grunde liegt, daß dem Kinde ei-
genes Vermögen entbehrlich ist, weil des Vaters Vermö-
gen faktisch auch zugleich das seinige ist (h). Daneben ist
es durch diese Unfähigkeit von selbst einleuchtend, warum
es nicht nöthig war, das Vermögen des in väterlicher Ge-
walt stehenden Kindes für die Jahre der Unmündigkeit be-
sonders zu schützen; diese Bemerkung aber ist hier nöthig,
weil in ihr der Ausgangspunkt liegt, aus welchem die
Tutel als ein künstliches Surrogat hervorgeht (§ 55).

Die Verwandtschaft endlich ist das unbestimmteste
unter jenen drey Verhältnissen, schon deshalb weil es in
so verschiedenen Abstufungen erscheint, und sich zuletzt un-
merklich verliert. Ja es wird gewöhnlich nicht als ein
eigenes Familienverhältniß anerkannt, weil man den Cha-
racter eines solchen in gegenseitige Rechtsansprüche zu

(h) Ich sage, es ist faktisch
zugleich das seinige, indem das
Kind bey einem natürlichen Zu-
stand des Familienlebens die Vor-
theile des Vermögens mit genießt.
Daneben besteht sehr wohl die
nur wenig beschränkte rechtliche
Macht des Vaters, dem Kinde
jene Vortheile in der Gegenwart
zu versagen, und für die Zukunft
zu entziehen. Es ist also ein ähn-
liches Verhältniß wie bey der dos,
die juristisch dem Manne gehört,
faktisch der Frau; nur war bey
der dos mehr Veranlassung, die-
ses Verhältniß auszubilden und in
bestimmten Regeln auszusprechen.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
um ſie dann auf die eigenen Kinder zu übertragen und in
ihnen weiter fortzuſetzen. Dieſe Anſicht zeigt ſich deutlich
in der Repräſentation des Vaters durch die Erwerbun-
gen des Kindes, ſo wie in der eigenthümlichen Art, wie
der Suus die väterliche Erbſchaft erwirbt. Sie zeigt ſich
auch in der Vermögensunfähigkeit des Kindes, wobey ohne
Zweifel die Anſicht zum Grunde liegt, daß dem Kinde ei-
genes Vermögen entbehrlich iſt, weil des Vaters Vermö-
gen faktiſch auch zugleich das ſeinige iſt (h). Daneben iſt
es durch dieſe Unfähigkeit von ſelbſt einleuchtend, warum
es nicht nöthig war, das Vermögen des in väterlicher Ge-
walt ſtehenden Kindes für die Jahre der Unmündigkeit be-
ſonders zu ſchützen; dieſe Bemerkung aber iſt hier nöthig,
weil in ihr der Ausgangspunkt liegt, aus welchem die
Tutel als ein künſtliches Surrogat hervorgeht (§ 55).

Die Verwandtſchaft endlich iſt das unbeſtimmteſte
unter jenen drey Verhältniſſen, ſchon deshalb weil es in
ſo verſchiedenen Abſtufungen erſcheint, und ſich zuletzt un-
merklich verliert. Ja es wird gewöhnlich nicht als ein
eigenes Familienverhältniß anerkannt, weil man den Cha-
racter eines ſolchen in gegenſeitige Rechtsanſprüche zu

(h) Ich ſage, es iſt faktiſch
zugleich das ſeinige, indem das
Kind bey einem natürlichen Zu-
ſtand des Familienlebens die Vor-
theile des Vermögens mit genießt.
Daneben beſteht ſehr wohl die
nur wenig beſchränkte rechtliche
Macht des Vaters, dem Kinde
jene Vortheile in der Gegenwart
zu verſagen, und für die Zukunft
zu entziehen. Es iſt alſo ein ähn-
liches Verhältniß wie bey der dos,
die juriſtiſch dem Manne gehört,
faktiſch der Frau; nur war bey
der dos mehr Veranlaſſung, die-
ſes Verhältniß auszubilden und in
beſtimmten Regeln auszuſprechen.
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[354/0410] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. um ſie dann auf die eigenen Kinder zu übertragen und in ihnen weiter fortzuſetzen. Dieſe Anſicht zeigt ſich deutlich in der Repräſentation des Vaters durch die Erwerbun- gen des Kindes, ſo wie in der eigenthümlichen Art, wie der Suus die väterliche Erbſchaft erwirbt. Sie zeigt ſich auch in der Vermögensunfähigkeit des Kindes, wobey ohne Zweifel die Anſicht zum Grunde liegt, daß dem Kinde ei- genes Vermögen entbehrlich iſt, weil des Vaters Vermö- gen faktiſch auch zugleich das ſeinige iſt (h). Daneben iſt es durch dieſe Unfähigkeit von ſelbſt einleuchtend, warum es nicht nöthig war, das Vermögen des in väterlicher Ge- walt ſtehenden Kindes für die Jahre der Unmündigkeit be- ſonders zu ſchützen; dieſe Bemerkung aber iſt hier nöthig, weil in ihr der Ausgangspunkt liegt, aus welchem die Tutel als ein künſtliches Surrogat hervorgeht (§ 55). Die Verwandtſchaft endlich iſt das unbeſtimmteſte unter jenen drey Verhältniſſen, ſchon deshalb weil es in ſo verſchiedenen Abſtufungen erſcheint, und ſich zuletzt un- merklich verliert. Ja es wird gewöhnlich nicht als ein eigenes Familienverhältniß anerkannt, weil man den Cha- racter eines ſolchen in gegenſeitige Rechtsanſprüche zu (h) Ich ſage, es iſt faktiſch zugleich das ſeinige, indem das Kind bey einem natürlichen Zu- ſtand des Familienlebens die Vor- theile des Vermögens mit genießt. Daneben beſteht ſehr wohl die nur wenig beſchränkte rechtliche Macht des Vaters, dem Kinde jene Vortheile in der Gegenwart zu verſagen, und für die Zukunft zu entziehen. Es iſt alſo ein ähn- liches Verhältniß wie bey der dos, die juriſtiſch dem Manne gehört, faktiſch der Frau; nur war bey der dos mehr Veranlaſſung, die- ſes Verhältniß auszubilden und in beſtimmten Regeln auszuſprechen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/410>, abgerufen am 17.09.2024.