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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 53. Arten.
zelnen, so wie die darauf bezügliche Ergänzung, zeigt sich
in zwey verschiedenen Richtungen. Erstlich in der Tren-
nung der Geschlechter, deren jedes, einzeln für sich be-
trachtet, die menschliche Natur nur unvollständig in sich
enthält; hierauf bezieht sich die Ergänzung der Individuen
durch die Ehe (c). -- Zweytens in dem zeitlich beschränk-
ten Daseyn des einzelnen Menschen, welches wiederum
auf verschiedene Weise zu dem Bedürfniß und der Aner-
kennung von ergänzenden Rechtsverhältnissen führt. Zu-
nächst, und am unmittelbarsten, durch das vergängliche
Leben des Einzelnen; hier liegt die Ergänzung in der
Fortpflanzung, wodurch nicht blos für die Gattung, son-
dern auf beschränktere Weise auch für die Individualität,
eine stete Fortdauer vermittelt wird. Dann aber durch die
Einrichtung der menschlichen Natur, nach welcher der Ein-
zelne im Anfang seines Lebens die Macht über sich selbst
völlig entbehrt, und erst ganz allmälig erlangt; hier liegt
die Ergänzung in der Erziehung. Das Institut des Rö-
mischen Rechts, worin diese zwiefache Ergänzung ihre ge-
meinschaftliche Anerkennung und Ausbildung findet, ist die
väterliche Gewalt; an diese aber schließt sich, theils
in weiterer Entwicklung, theils in blos natürlicher, oder
minder juristischer, Analogie die Verwandtschaft an (d).

(c) Diese Ansicht drückt Fichte
Sittenlehre S. 449 etwas ener-
gisch also aus: "Es ist die abso-
lute Bestimmung eines jeden In-
dividuum beider Geschlechter, sich
zu verehlichen .... Die unver-
heirathete Person ist nur zur
Hälfte ein Mensch."
(d) Als weitere Entwicklung
nämlich in der Agnation, die nur
das residuum einer früher vor-
handenen väterlichen Gewalt mit

§. 53. Arten.
zelnen, ſo wie die darauf bezügliche Ergänzung, zeigt ſich
in zwey verſchiedenen Richtungen. Erſtlich in der Tren-
nung der Geſchlechter, deren jedes, einzeln für ſich be-
trachtet, die menſchliche Natur nur unvollſtändig in ſich
enthält; hierauf bezieht ſich die Ergänzung der Individuen
durch die Ehe (c). — Zweytens in dem zeitlich beſchränk-
ten Daſeyn des einzelnen Menſchen, welches wiederum
auf verſchiedene Weiſe zu dem Bedürfniß und der Aner-
kennung von ergänzenden Rechtsverhältniſſen führt. Zu-
nächſt, und am unmittelbarſten, durch das vergängliche
Leben des Einzelnen; hier liegt die Ergänzung in der
Fortpflanzung, wodurch nicht blos für die Gattung, ſon-
dern auf beſchränktere Weiſe auch für die Individualität,
eine ſtete Fortdauer vermittelt wird. Dann aber durch die
Einrichtung der menſchlichen Natur, nach welcher der Ein-
zelne im Anfang ſeines Lebens die Macht über ſich ſelbſt
völlig entbehrt, und erſt ganz allmälig erlangt; hier liegt
die Ergänzung in der Erziehung. Das Inſtitut des Rö-
miſchen Rechts, worin dieſe zwiefache Ergänzung ihre ge-
meinſchaftliche Anerkennung und Ausbildung findet, iſt die
väterliche Gewalt; an dieſe aber ſchließt ſich, theils
in weiterer Entwicklung, theils in blos natürlicher, oder
minder juriſtiſcher, Analogie die Verwandtſchaft an (d).

(c) Dieſe Anſicht drückt Fichte
Sittenlehre S. 449 etwas ener-
giſch alſo aus: „Es iſt die abſo-
lute Beſtimmung eines jeden In-
dividuum beider Geſchlechter, ſich
zu verehlichen .... Die unver-
heirathete Perſon iſt nur zur
Hälfte ein Menſch.“
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nämlich in der Agnation, die nur
das residuum einer früher vor-
handenen väterlichen Gewalt mit
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[341/0397] §. 53. Arten. zelnen, ſo wie die darauf bezügliche Ergänzung, zeigt ſich in zwey verſchiedenen Richtungen. Erſtlich in der Tren- nung der Geſchlechter, deren jedes, einzeln für ſich be- trachtet, die menſchliche Natur nur unvollſtändig in ſich enthält; hierauf bezieht ſich die Ergänzung der Individuen durch die Ehe (c). — Zweytens in dem zeitlich beſchränk- ten Daſeyn des einzelnen Menſchen, welches wiederum auf verſchiedene Weiſe zu dem Bedürfniß und der Aner- kennung von ergänzenden Rechtsverhältniſſen führt. Zu- nächſt, und am unmittelbarſten, durch das vergängliche Leben des Einzelnen; hier liegt die Ergänzung in der Fortpflanzung, wodurch nicht blos für die Gattung, ſon- dern auf beſchränktere Weiſe auch für die Individualität, eine ſtete Fortdauer vermittelt wird. Dann aber durch die Einrichtung der menſchlichen Natur, nach welcher der Ein- zelne im Anfang ſeines Lebens die Macht über ſich ſelbſt völlig entbehrt, und erſt ganz allmälig erlangt; hier liegt die Ergänzung in der Erziehung. Das Inſtitut des Rö- miſchen Rechts, worin dieſe zwiefache Ergänzung ihre ge- meinſchaftliche Anerkennung und Ausbildung findet, iſt die väterliche Gewalt; an dieſe aber ſchließt ſich, theils in weiterer Entwicklung, theils in blos natürlicher, oder minder juriſtiſcher, Analogie die Verwandtſchaft an (d). (c) Dieſe Anſicht drückt Fichte Sittenlehre S. 449 etwas ener- giſch alſo aus: „Es iſt die abſo- lute Beſtimmung eines jeden In- dividuum beider Geſchlechter, ſich zu verehlichen .... Die unver- heirathete Perſon iſt nur zur Hälfte ein Menſch.“ (d) Als weitere Entwicklung nämlich in der Agnation, die nur das residuum einer früher vor- handenen väterlichen Gewalt mit

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/397>, abgerufen am 24.11.2024.