Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 48. Aussprüche des Römischen Rechts. Fortsetzung. den Sinn eines Gesetzes angefragt werden sollte. DieseAnfragen aber sollten nicht etwa zu authentischen Ausle- gungen durch Edicte führen, sondern nur zu Rescripten, die für den vorliegenden Fall bindende Kraft hatten, nicht weiter. Und dieser Zustand der Dinge scheint sich auch in der folgenden Zeit unverändert erhalten zu haben. Denn als Justinian, Acht Jahre nach Einführung der Digesten, die Privatrescripte in der Novelle 113 für unverbindlich erklärte (§ 24), setzte er ausdrücklich hinzu, die Anfragen und Rescripte wegen Gesetzauslegung sollten wie bisher fortbestehen. Noch später (im J. 544) verbot die No- velle 125 auch die Consultationen (§ 24), und zwar ohne jenen ausdrücklichen Vorbehalt. Dennoch muß derselbe stillschweigend hinzugedacht werden. Denn es ist völlig undenkbar, daß Justinian die Privatauslegung, die er wie- derholt und auf die feyerlichste Art verboten hatte, nun- mehr indirect und gleichsam verstohlnerweise wieder frey gegeben haben sollte. Ohne Zweifel also gieng das Ver- bot nur auf die eigentlichen Consultationen, die den Kai- ser veranlaßten den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, also anstatt des Richters (so wie es unsre Facultäten thun) ein Urtheil abzufassen. Die Anfragen wegen Gesetzausle- gung sollten dadurch nicht berührt seyn. Indessen ist dieser von Justinian klar vorgeschriebene §. 48. Ausſprüche des Römiſchen Rechts. Fortſetzung. den Sinn eines Geſetzes angefragt werden ſollte. DieſeAnfragen aber ſollten nicht etwa zu authentiſchen Ausle- gungen durch Edicte führen, ſondern nur zu Reſcripten, die für den vorliegenden Fall bindende Kraft hatten, nicht weiter. Und dieſer Zuſtand der Dinge ſcheint ſich auch in der folgenden Zeit unverändert erhalten zu haben. Denn als Juſtinian, Acht Jahre nach Einführung der Digeſten, die Privatreſcripte in der Novelle 113 für unverbindlich erklärte (§ 24), ſetzte er ausdrücklich hinzu, die Anfragen und Reſcripte wegen Geſetzauslegung ſollten wie bisher fortbeſtehen. Noch ſpäter (im J. 544) verbot die No- velle 125 auch die Conſultationen (§ 24), und zwar ohne jenen ausdrücklichen Vorbehalt. Dennoch muß derſelbe ſtillſchweigend hinzugedacht werden. Denn es iſt völlig undenkbar, daß Juſtinian die Privatauslegung, die er wie- derholt und auf die feyerlichſte Art verboten hatte, nun- mehr indirect und gleichſam verſtohlnerweiſe wieder frey gegeben haben ſollte. Ohne Zweifel alſo gieng das Ver- bot nur auf die eigentlichen Conſultationen, die den Kai- ſer veranlaßten den Rechtsſtreit ſelbſt zu entſcheiden, alſo anſtatt des Richters (ſo wie es unſre Facultäten thun) ein Urtheil abzufaſſen. Die Anfragen wegen Geſetzausle- gung ſollten dadurch nicht berührt ſeyn. Indeſſen iſt dieſer von Juſtinian klar vorgeſchriebene <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0365" n="309"/><fw place="top" type="header">§. 48. Ausſprüche des Römiſchen Rechts. Fortſetzung.</fw><lb/> den Sinn eines Geſetzes angefragt werden ſollte. Dieſe<lb/> Anfragen aber ſollten nicht etwa zu authentiſchen Ausle-<lb/> gungen durch Edicte führen, ſondern nur zu Reſcripten,<lb/> die für den vorliegenden Fall bindende Kraft hatten, nicht<lb/> weiter. Und dieſer Zuſtand der Dinge ſcheint ſich auch<lb/> in der folgenden Zeit unverändert erhalten zu haben. Denn<lb/> als Juſtinian, Acht Jahre nach Einführung der Digeſten,<lb/> die Privatreſcripte in der Novelle 113 für unverbindlich<lb/> erklärte (§ 24), ſetzte er ausdrücklich hinzu, die Anfragen<lb/> und Reſcripte wegen Geſetzauslegung ſollten wie bisher<lb/> fortbeſtehen. Noch ſpäter (im J. 544) verbot die No-<lb/> velle 125 auch die Conſultationen (§ 24), und zwar ohne<lb/> jenen ausdrücklichen Vorbehalt. Dennoch muß derſelbe<lb/> ſtillſchweigend hinzugedacht werden. Denn es iſt völlig<lb/> undenkbar, daß Juſtinian die Privatauslegung, die er wie-<lb/> derholt und auf die feyerlichſte Art verboten hatte, nun-<lb/> mehr indirect und gleichſam verſtohlnerweiſe wieder frey<lb/> gegeben haben ſollte. Ohne Zweifel alſo gieng das Ver-<lb/> bot nur auf die eigentlichen Conſultationen, die den Kai-<lb/> ſer veranlaßten den Rechtsſtreit ſelbſt zu entſcheiden, alſo<lb/> anſtatt des Richters (ſo wie es unſre Facultäten thun)<lb/> ein Urtheil abzufaſſen. Die Anfragen wegen Geſetzausle-<lb/> gung ſollten dadurch nicht berührt ſeyn.</p><lb/> <p>Indeſſen iſt dieſer von Juſtinian klar vorgeſchriebene<lb/> Geſchäftsgang nicht ohne praktiſche Schwierigkeit. Man<lb/> könnte denken, er hätte durch Anfragen ſo überhäuft wer-<lb/> den müſſen, daß an übriges Regieren kaum mehr zu den-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [309/0365]
§. 48. Ausſprüche des Römiſchen Rechts. Fortſetzung.
den Sinn eines Geſetzes angefragt werden ſollte. Dieſe
Anfragen aber ſollten nicht etwa zu authentiſchen Ausle-
gungen durch Edicte führen, ſondern nur zu Reſcripten,
die für den vorliegenden Fall bindende Kraft hatten, nicht
weiter. Und dieſer Zuſtand der Dinge ſcheint ſich auch
in der folgenden Zeit unverändert erhalten zu haben. Denn
als Juſtinian, Acht Jahre nach Einführung der Digeſten,
die Privatreſcripte in der Novelle 113 für unverbindlich
erklärte (§ 24), ſetzte er ausdrücklich hinzu, die Anfragen
und Reſcripte wegen Geſetzauslegung ſollten wie bisher
fortbeſtehen. Noch ſpäter (im J. 544) verbot die No-
velle 125 auch die Conſultationen (§ 24), und zwar ohne
jenen ausdrücklichen Vorbehalt. Dennoch muß derſelbe
ſtillſchweigend hinzugedacht werden. Denn es iſt völlig
undenkbar, daß Juſtinian die Privatauslegung, die er wie-
derholt und auf die feyerlichſte Art verboten hatte, nun-
mehr indirect und gleichſam verſtohlnerweiſe wieder frey
gegeben haben ſollte. Ohne Zweifel alſo gieng das Ver-
bot nur auf die eigentlichen Conſultationen, die den Kai-
ſer veranlaßten den Rechtsſtreit ſelbſt zu entſcheiden, alſo
anſtatt des Richters (ſo wie es unſre Facultäten thun)
ein Urtheil abzufaſſen. Die Anfragen wegen Geſetzausle-
gung ſollten dadurch nicht berührt ſeyn.
Indeſſen iſt dieſer von Juſtinian klar vorgeſchriebene
Geſchäftsgang nicht ohne praktiſche Schwierigkeit. Man
könnte denken, er hätte durch Anfragen ſo überhäuft wer-
den müſſen, daß an übriges Regieren kaum mehr zu den-
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