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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 41. Justinianische Gesetze. Verhältniß zur Compilation.
bestimmt, und dann kann derselbe auch zur Auslegung
benutzt werden (c).

Endlich aber sind ganz besonders wichtig die Ände-
rungen, die an unzähligen Stellen bey ihrer Aufnahme
in die Compilationen vorgenommen worden sind. Und
zwar sind diese Änderungen von dreyerley Art.

Die erste und unmittelbarste Art besteht darin, wenn
manche Stellen, bey der Aufnahme in die Compilationen,
theilweise umgeschrieben worden sind, welches Verfahren
eine Interpolation oder Emblema Triboniani genannt
zu werden pflegt. Manche dieser Interpolationen lassen
sich mit großer Sicherheit nachweisen (d), eine weit grö-
ßere Zahl kann nur mit einiger Wahrscheinlichkeit behaup-
tet werden, oder bleibt uns auch gänzlich verborgen. Die
Erlaubniß zu solchen Interpolationen, ja die Anweisung
dazu, hat Justinian den Verfassern der Compilationen
ausdrücklich gegeben, und der sehr natürliche Zweck lag
darin, daß ältere Stellen, wenn darin einzelne Ausdrücke
zu dem gegenwärtigen Recht nicht mehr paßten, durch

(c) Bluhme Ordnung der
Fragmente in den Pandectenti-
teln, Zeitschrift f. geschichtl. Rwiss.
B. 4. S. 290. 366. 414.
(d) So z. B. dauerte die Usu-
capion der Grundstücke bis auf
Justinian zwey Jahre, er aber
setzte sie auf zehen, zuweilen
zwanzig Jahre, was nach einem
alten Sprachgebrauch longum
tempus
hieß. Daher wurden
nun in den Stellen der alten
Juristen, welche von Grundstük-
ken handelten, die Ausdrücke usu-
capio
und usucapere ganz ge-
wöhnlich (obgleich unnöthiger-
weise) in longi temporis capio
und longo tempore capere ver-
wandelt. Vgl. L. 10 § 1. L. 17.
L. 26. L. 33 § 3 de usurp.
(41.
3.), und manche ähnliche Stellen.
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§. 41. Juſtinianiſche Geſetze. Verhältniß zur Compilation.
beſtimmt, und dann kann derſelbe auch zur Auslegung
benutzt werden (c).

Endlich aber ſind ganz beſonders wichtig die Ände-
rungen, die an unzähligen Stellen bey ihrer Aufnahme
in die Compilationen vorgenommen worden ſind. Und
zwar ſind dieſe Änderungen von dreyerley Art.

Die erſte und unmittelbarſte Art beſteht darin, wenn
manche Stellen, bey der Aufnahme in die Compilationen,
theilweiſe umgeſchrieben worden ſind, welches Verfahren
eine Interpolation oder Emblema Triboniani genannt
zu werden pflegt. Manche dieſer Interpolationen laſſen
ſich mit großer Sicherheit nachweiſen (d), eine weit grö-
ßere Zahl kann nur mit einiger Wahrſcheinlichkeit behaup-
tet werden, oder bleibt uns auch gänzlich verborgen. Die
Erlaubniß zu ſolchen Interpolationen, ja die Anweiſung
dazu, hat Juſtinian den Verfaſſern der Compilationen
ausdrücklich gegeben, und der ſehr natürliche Zweck lag
darin, daß ältere Stellen, wenn darin einzelne Ausdrücke
zu dem gegenwärtigen Recht nicht mehr paßten, durch

(c) Bluhme Ordnung der
Fragmente in den Pandectenti-
teln, Zeitſchrift f. geſchichtl. Rwiſſ.
B. 4. S. 290. 366. 414.
(d) So z. B. dauerte die Uſu-
capion der Grundſtücke bis auf
Juſtinian zwey Jahre, er aber
ſetzte ſie auf zehen, zuweilen
zwanzig Jahre, was nach einem
alten Sprachgebrauch longum
tempus
hieß. Daher wurden
nun in den Stellen der alten
Juriſten, welche von Grundſtük-
ken handelten, die Ausdrücke usu-
capio
und usucapere ganz ge-
wöhnlich (obgleich unnöthiger-
weiſe) in longi temporis capio
und longo tempore capere ver-
wandelt. Vgl. L. 10 § 1. L. 17.
L. 26. L. 33 § 3 de usurp.
(41.
3.), und manche ähnliche Stellen.
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[257/0313] §. 41. Juſtinianiſche Geſetze. Verhältniß zur Compilation. beſtimmt, und dann kann derſelbe auch zur Auslegung benutzt werden (c). Endlich aber ſind ganz beſonders wichtig die Ände- rungen, die an unzähligen Stellen bey ihrer Aufnahme in die Compilationen vorgenommen worden ſind. Und zwar ſind dieſe Änderungen von dreyerley Art. Die erſte und unmittelbarſte Art beſteht darin, wenn manche Stellen, bey der Aufnahme in die Compilationen, theilweiſe umgeſchrieben worden ſind, welches Verfahren eine Interpolation oder Emblema Triboniani genannt zu werden pflegt. Manche dieſer Interpolationen laſſen ſich mit großer Sicherheit nachweiſen (d), eine weit grö- ßere Zahl kann nur mit einiger Wahrſcheinlichkeit behaup- tet werden, oder bleibt uns auch gänzlich verborgen. Die Erlaubniß zu ſolchen Interpolationen, ja die Anweiſung dazu, hat Juſtinian den Verfaſſern der Compilationen ausdrücklich gegeben, und der ſehr natürliche Zweck lag darin, daß ältere Stellen, wenn darin einzelne Ausdrücke zu dem gegenwärtigen Recht nicht mehr paßten, durch (c) Bluhme Ordnung der Fragmente in den Pandectenti- teln, Zeitſchrift f. geſchichtl. Rwiſſ. B. 4. S. 290. 366. 414. (d) So z. B. dauerte die Uſu- capion der Grundſtücke bis auf Juſtinian zwey Jahre, er aber ſetzte ſie auf zehen, zuweilen zwanzig Jahre, was nach einem alten Sprachgebrauch longum tempus hieß. Daher wurden nun in den Stellen der alten Juriſten, welche von Grundſtük- ken handelten, die Ausdrücke usu- capio und usucapere ganz ge- wöhnlich (obgleich unnöthiger- weiſe) in longi temporis capio und longo tempore capere ver- wandelt. Vgl. L. 10 § 1. L. 17. L. 26. L. 33 § 3 de usurp. (41. 3.), und manche ähnliche Stellen. 17

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/313>, abgerufen am 17.05.2024.