Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze.
Erkenntniß desselben schon an sich unsicherer, und zugleich
verschiedener Grade der Gewißheit empfänglich ist. Diese
Schwierigkeit aber wird noch erhöht durch den Umstand,
daß uns das nächste und natürlichste Erkenntnißmittel für
den Gedanken entzogen ist: denn dieses besteht eben in
dem Ausdruck, und der Ausdruck ist es gerade, dem wir
hier den Glauben versagen. -- Ferner war bey der Un-
bestimmtheit das Bedürfniß einer künstlichen Abhülfe un-
abweislich, indem ohne sie gar Nichts vorhanden war,
das wir als Gesetz hätten betrachten und anwenden kön-
nen. Hier ist es anders, indem uns auch schon der un-
berichtigte Ausdruck einen verständlichen und anwendbaren
Gedanken darbietet. -- Endlich war bey der Unbestimmtheit
die Erkenntniß des Mangels gänzlich verschieden von der
Abhülfe, hier fallen beide zusammen. Denn wir erkennen
die Unrichtigkeit des Ausdrucks nur durch dessen Verglei-
chung mit dem wahren Gedanken: ist aber dieser von uns
erkannt, so ist damit auch zugleich die Abhülfe für jenen
Mangel gefunden.

Es sollen nunmehr die drey oben angegebenen Hülfs-
mittel (§ 35) in ihrer Anwendbarkeit auf den hier darge-
stellten Mangel, der in dem unrichtigen Ausdruck besteht,
einzeln geprüft werden.

Am unbedenklichsten erscheint auch hier wieder der
innere Zusammenhang der Gesetzgebung als Mittel der
Abhülfe. Ein Beyspiel findet sich bey dem Senatuscon-
sult, welches die hereditatis petitio näher bestimmte. Nach

Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
Erkenntniß deſſelben ſchon an ſich unſicherer, und zugleich
verſchiedener Grade der Gewißheit empfänglich iſt. Dieſe
Schwierigkeit aber wird noch erhöht durch den Umſtand,
daß uns das nächſte und natürlichſte Erkenntnißmittel für
den Gedanken entzogen iſt: denn dieſes beſteht eben in
dem Ausdruck, und der Ausdruck iſt es gerade, dem wir
hier den Glauben verſagen. — Ferner war bey der Un-
beſtimmtheit das Bedürfniß einer künſtlichen Abhülfe un-
abweislich, indem ohne ſie gar Nichts vorhanden war,
das wir als Geſetz hätten betrachten und anwenden kön-
nen. Hier iſt es anders, indem uns auch ſchon der un-
berichtigte Ausdruck einen verſtändlichen und anwendbaren
Gedanken darbietet. — Endlich war bey der Unbeſtimmtheit
die Erkenntniß des Mangels gänzlich verſchieden von der
Abhülfe, hier fallen beide zuſammen. Denn wir erkennen
die Unrichtigkeit des Ausdrucks nur durch deſſen Verglei-
chung mit dem wahren Gedanken: iſt aber dieſer von uns
erkannt, ſo iſt damit auch zugleich die Abhülfe für jenen
Mangel gefunden.

Es ſollen nunmehr die drey oben angegebenen Hülfs-
mittel (§ 35) in ihrer Anwendbarkeit auf den hier darge-
ſtellten Mangel, der in dem unrichtigen Ausdruck beſteht,
einzeln geprüft werden.

Am unbedenklichſten erſcheint auch hier wieder der
innere Zuſammenhang der Geſetzgebung als Mittel der
Abhülfe. Ein Beyſpiel findet ſich bey dem Senatuscon-
ſult, welches die hereditatis petitio näher beſtimmte. Nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0288" n="232"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Ge&#x017F;etze.</fw><lb/>
Erkenntniß de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;chon an &#x017F;ich un&#x017F;icherer, und zugleich<lb/>
ver&#x017F;chiedener Grade der Gewißheit empfänglich i&#x017F;t. Die&#x017F;e<lb/>
Schwierigkeit aber wird noch erhöht durch den Um&#x017F;tand,<lb/>
daß uns das näch&#x017F;te und natürlich&#x017F;te Erkenntnißmittel für<lb/>
den Gedanken entzogen i&#x017F;t: denn die&#x017F;es be&#x017F;teht eben in<lb/>
dem Ausdruck, und der Ausdruck i&#x017F;t es gerade, dem wir<lb/>
hier den Glauben ver&#x017F;agen. &#x2014; Ferner war bey der Un-<lb/>
be&#x017F;timmtheit das Bedürfniß einer kün&#x017F;tlichen Abhülfe un-<lb/>
abweislich, indem ohne &#x017F;ie gar Nichts vorhanden war,<lb/>
das wir als Ge&#x017F;etz hätten betrachten und anwenden kön-<lb/>
nen. Hier i&#x017F;t es anders, indem uns auch &#x017F;chon der un-<lb/>
berichtigte Ausdruck einen ver&#x017F;tändlichen und anwendbaren<lb/>
Gedanken darbietet. &#x2014; Endlich war bey der Unbe&#x017F;timmtheit<lb/>
die Erkenntniß des Mangels gänzlich ver&#x017F;chieden von der<lb/>
Abhülfe, hier fallen beide zu&#x017F;ammen. Denn wir erkennen<lb/>
die Unrichtigkeit des Ausdrucks nur durch de&#x017F;&#x017F;en Verglei-<lb/>
chung mit dem wahren Gedanken: i&#x017F;t aber die&#x017F;er von uns<lb/>
erkannt, &#x017F;o i&#x017F;t damit auch zugleich die Abhülfe für jenen<lb/>
Mangel gefunden.</p><lb/>
            <p>Es &#x017F;ollen nunmehr die drey oben angegebenen Hülfs-<lb/>
mittel (§ 35) in ihrer Anwendbarkeit auf den hier darge-<lb/>
&#x017F;tellten Mangel, der in dem unrichtigen Ausdruck be&#x017F;teht,<lb/>
einzeln geprüft werden.</p><lb/>
            <p>Am unbedenklich&#x017F;ten er&#x017F;cheint auch hier wieder der<lb/>
innere Zu&#x017F;ammenhang der Ge&#x017F;etzgebung als Mittel der<lb/>
Abhülfe. Ein Bey&#x017F;piel findet &#x017F;ich bey dem Senatuscon-<lb/>
&#x017F;ult, welches die <hi rendition="#aq">hereditatis petitio</hi> näher be&#x017F;timmte. Nach<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0288] Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. Erkenntniß deſſelben ſchon an ſich unſicherer, und zugleich verſchiedener Grade der Gewißheit empfänglich iſt. Dieſe Schwierigkeit aber wird noch erhöht durch den Umſtand, daß uns das nächſte und natürlichſte Erkenntnißmittel für den Gedanken entzogen iſt: denn dieſes beſteht eben in dem Ausdruck, und der Ausdruck iſt es gerade, dem wir hier den Glauben verſagen. — Ferner war bey der Un- beſtimmtheit das Bedürfniß einer künſtlichen Abhülfe un- abweislich, indem ohne ſie gar Nichts vorhanden war, das wir als Geſetz hätten betrachten und anwenden kön- nen. Hier iſt es anders, indem uns auch ſchon der un- berichtigte Ausdruck einen verſtändlichen und anwendbaren Gedanken darbietet. — Endlich war bey der Unbeſtimmtheit die Erkenntniß des Mangels gänzlich verſchieden von der Abhülfe, hier fallen beide zuſammen. Denn wir erkennen die Unrichtigkeit des Ausdrucks nur durch deſſen Verglei- chung mit dem wahren Gedanken: iſt aber dieſer von uns erkannt, ſo iſt damit auch zugleich die Abhülfe für jenen Mangel gefunden. Es ſollen nunmehr die drey oben angegebenen Hülfs- mittel (§ 35) in ihrer Anwendbarkeit auf den hier darge- ſtellten Mangel, der in dem unrichtigen Ausdruck beſteht, einzeln geprüft werden. Am unbedenklichſten erſcheint auch hier wieder der innere Zuſammenhang der Geſetzgebung als Mittel der Abhülfe. Ein Beyſpiel findet ſich bey dem Senatuscon- ſult, welches die hereditatis petitio näher beſtimmte. Nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/288
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/288>, abgerufen am 22.11.2024.