Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 23. Aussprüche der Römer über die Gesetze.
die Kaiserlichen Endurtheile eine ausgedehntere Wirksam-
keit vorgeschrieben, so daß die in ihnen ausgesprochene
Rechtsregel auch in allen künftigen Fällen als Gesetz an-
gewendet werden sollte (o). Schon aus der Fassung dieser
Verordnung geht es hervor, daß bis dahin ein anderes
Recht galt, und daß also etwas Neues eingeführt werden
sollte; wenn sich der Kaiser dabey auf die übereinstimmende
Meynung der alten Juristen beruft, so giebt er ihren Worten
eine willkührliche Deutung, indem sie gewiß nur an die
Gesetzeskraft der Decrete für den einzelnen Fall dach-
ten (p). In der That aber ließ sich für diese Neuerung
Vieles sagen, wenigstens fielen die Bedenken weg, die
einer ähnlichen Behandlung der Rescripte im Wege stan-
den. Denn eine Täuschung des Kaisers durch einseitige
Vorträge war hier nicht möglich, wo beide Theile gehört
worden waren, und den Mangel einer öffentlichen Be-
kanntmachung ersetzte gewissermaßen die mit dem Gerichts-
hof des Kaisers verbundene Feyerlichkeit und Publicität (q).

tibus" (im Gegensatz der vorher
bestimmten Gesetzeskraft für die
Edicte).
(o) L 12 pr. C. de leg. (1.
14.) "Si imperialis majestas
causam cognitionaliter exami-
naverit, et partibus cominus
constitutis sententiam dixerit:

omnes omnino judices ... sciant
hanc esse legem non solum illi
causae, pro qua producta est,
sed et omnibus similibus."
Ge-
wöhnlich nimmt man zwischen
dieser Stelle und der in der vo-
rigen Note angeführten einen
Widerstreit an: allein die zwey Ar-
ten der Decrete sind ja hier eben
so deutlich unterschieden, wie sie
Ulpian unterscheidet (Note k).
(p) L. 12 cit. "... cum et
veteris juris conditores, con-
stitutiones quae ex imperiali
decreto processerunt, legis vim
obtinere, aperte dilucideque
definiant":
Am unmittelbarsten
scheint hier gedacht an Gajus
I
§ 5.
(q) Die Decrete dieser Art kön-

§. 23. Ausſprüche der Römer über die Geſetze.
die Kaiſerlichen Endurtheile eine ausgedehntere Wirkſam-
keit vorgeſchrieben, ſo daß die in ihnen ausgeſprochene
Rechtsregel auch in allen künftigen Fällen als Geſetz an-
gewendet werden ſollte (o). Schon aus der Faſſung dieſer
Verordnung geht es hervor, daß bis dahin ein anderes
Recht galt, und daß alſo etwas Neues eingeführt werden
ſollte; wenn ſich der Kaiſer dabey auf die übereinſtimmende
Meynung der alten Juriſten beruft, ſo giebt er ihren Worten
eine willkührliche Deutung, indem ſie gewiß nur an die
Geſetzeskraft der Decrete für den einzelnen Fall dach-
ten (p). In der That aber ließ ſich für dieſe Neuerung
Vieles ſagen, wenigſtens fielen die Bedenken weg, die
einer ähnlichen Behandlung der Reſcripte im Wege ſtan-
den. Denn eine Täuſchung des Kaiſers durch einſeitige
Vorträge war hier nicht möglich, wo beide Theile gehört
worden waren, und den Mangel einer öffentlichen Be-
kanntmachung erſetzte gewiſſermaßen die mit dem Gerichts-
hof des Kaiſers verbundene Feyerlichkeit und Publicität (q).

tibus” (im Gegenſatz der vorher
beſtimmten Geſetzeskraft für die
Edicte).
(o) L 12 pr. C. de leg. (1.
14.) „Si imperialis majestas
causam cognitionaliter exami-
naverit, et partibus cominus
constitutis sententiam dixerit:

omnes omnino judices … sciant
hanc esse legem non solum illi
causae, pro qua producta est,
sed et omnibus similibus.”
Ge-
wöhnlich nimmt man zwiſchen
dieſer Stelle und der in der vo-
rigen Note angeführten einen
Widerſtreit an: allein die zwey Ar-
ten der Decrete ſind ja hier eben
ſo deutlich unterſchieden, wie ſie
Ulpian unterſcheidet (Note k).
(p) L. 12 cit. „… cum et
veteris juris conditores, con-
stitutiones quae ex imperiali
decreto processerunt, legis vim
obtinere, aperte dilucideque
definiant”:
Am unmittelbarſten
ſcheint hier gedacht an Gajus
I
§ 5.
(q) Die Decrete dieſer Art kön-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0183" n="127"/><fw place="top" type="header">§. 23. Aus&#x017F;prüche der Römer über die Ge&#x017F;etze.</fw><lb/>
die Kai&#x017F;erlichen Endurtheile eine ausgedehntere Wirk&#x017F;am-<lb/>
keit vorge&#x017F;chrieben, &#x017F;o daß die in ihnen ausge&#x017F;prochene<lb/>
Rechtsregel auch in allen künftigen Fällen als Ge&#x017F;etz an-<lb/>
gewendet werden &#x017F;ollte <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi> 12 <hi rendition="#i">pr. C. de leg.</hi> (1.<lb/>
14.) &#x201E;Si imperialis majestas<lb/>
causam cognitionaliter exami-<lb/>
naverit, et <hi rendition="#i">partibus cominus<lb/>
constitutis sententiam dixerit:</hi><lb/>
omnes omnino judices &#x2026; sciant<lb/>
hanc esse legem non solum illi<lb/>
causae, pro qua producta est,<lb/><hi rendition="#i">sed et omnibus similibus.&#x201D;</hi></hi> Ge-<lb/>
wöhnlich nimmt man zwi&#x017F;chen<lb/>
die&#x017F;er Stelle und der in der vo-<lb/>
rigen Note angeführten einen<lb/>
Wider&#x017F;treit an: allein die zwey Ar-<lb/>
ten der Decrete &#x017F;ind ja hier eben<lb/>
&#x017F;o deutlich unter&#x017F;chieden, wie &#x017F;ie<lb/>
Ulpian unter&#x017F;cheidet (Note <hi rendition="#aq">k</hi>).</note>. Schon aus der Fa&#x017F;&#x017F;ung die&#x017F;er<lb/>
Verordnung geht es hervor, daß bis dahin ein anderes<lb/>
Recht galt, und daß al&#x017F;o etwas Neues eingeführt werden<lb/>
&#x017F;ollte; wenn &#x017F;ich der Kai&#x017F;er dabey auf die überein&#x017F;timmende<lb/>
Meynung der alten Juri&#x017F;ten beruft, &#x017F;o giebt er ihren Worten<lb/>
eine willkührliche Deutung, indem &#x017F;ie gewiß nur an die<lb/>
Ge&#x017F;etzeskraft der Decrete für den einzelnen Fall dach-<lb/>
ten <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12 <hi rendition="#i">cit.</hi> &#x201E;&#x2026; cum et<lb/>
veteris juris conditores, con-<lb/>
stitutiones quae ex imperiali<lb/>
decreto processerunt, legis vim<lb/>
obtinere, aperte dilucideque<lb/>
definiant&#x201D;:</hi> Am unmittelbar&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;cheint hier gedacht an <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi><lb/>
I</hi> § 5.</note>. In der That aber ließ &#x017F;ich für die&#x017F;e Neuerung<lb/>
Vieles &#x017F;agen, wenig&#x017F;tens fielen die Bedenken weg, die<lb/>
einer ähnlichen Behandlung der Re&#x017F;cripte im Wege &#x017F;tan-<lb/>
den. Denn eine Täu&#x017F;chung des Kai&#x017F;ers durch ein&#x017F;eitige<lb/>
Vorträge war hier nicht möglich, wo beide Theile gehört<lb/>
worden waren, und den Mangel einer öffentlichen Be-<lb/>
kanntmachung er&#x017F;etzte gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen die mit dem Gerichts-<lb/>
hof des Kai&#x017F;ers verbundene Feyerlichkeit und Publicität <note xml:id="seg2pn_18_1" next="#seg2pn_18_2" place="foot" n="(q)">Die Decrete die&#x017F;er Art kön-</note>.<lb/><note xml:id="seg2pn_17_2" prev="#seg2pn_17_1" place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">tibus&#x201D;</hi></hi> (im Gegen&#x017F;atz der vorher<lb/>
be&#x017F;timmten Ge&#x017F;etzeskraft für die<lb/>
Edicte).</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0183] §. 23. Ausſprüche der Römer über die Geſetze. die Kaiſerlichen Endurtheile eine ausgedehntere Wirkſam- keit vorgeſchrieben, ſo daß die in ihnen ausgeſprochene Rechtsregel auch in allen künftigen Fällen als Geſetz an- gewendet werden ſollte (o). Schon aus der Faſſung dieſer Verordnung geht es hervor, daß bis dahin ein anderes Recht galt, und daß alſo etwas Neues eingeführt werden ſollte; wenn ſich der Kaiſer dabey auf die übereinſtimmende Meynung der alten Juriſten beruft, ſo giebt er ihren Worten eine willkührliche Deutung, indem ſie gewiß nur an die Geſetzeskraft der Decrete für den einzelnen Fall dach- ten (p). In der That aber ließ ſich für dieſe Neuerung Vieles ſagen, wenigſtens fielen die Bedenken weg, die einer ähnlichen Behandlung der Reſcripte im Wege ſtan- den. Denn eine Täuſchung des Kaiſers durch einſeitige Vorträge war hier nicht möglich, wo beide Theile gehört worden waren, und den Mangel einer öffentlichen Be- kanntmachung erſetzte gewiſſermaßen die mit dem Gerichts- hof des Kaiſers verbundene Feyerlichkeit und Publicität (q). (n) (o) L 12 pr. C. de leg. (1. 14.) „Si imperialis majestas causam cognitionaliter exami- naverit, et partibus cominus constitutis sententiam dixerit: omnes omnino judices … sciant hanc esse legem non solum illi causae, pro qua producta est, sed et omnibus similibus.” Ge- wöhnlich nimmt man zwiſchen dieſer Stelle und der in der vo- rigen Note angeführten einen Widerſtreit an: allein die zwey Ar- ten der Decrete ſind ja hier eben ſo deutlich unterſchieden, wie ſie Ulpian unterſcheidet (Note k). (p) L. 12 cit. „… cum et veteris juris conditores, con- stitutiones quae ex imperiali decreto processerunt, legis vim obtinere, aperte dilucideque definiant”: Am unmittelbarſten ſcheint hier gedacht an Gajus I § 5. (q) Die Decrete dieſer Art kön- (n) tibus” (im Gegenſatz der vorher beſtimmten Geſetzeskraft für die Edicte).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/183
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/183>, abgerufen am 21.11.2024.