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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.

Da nun die Edicte als wahre Gesetze allgemein ver-
bindliche Kraft haben sollten, im Gegensatz der übrigen
Constitutionen, so war es wichtig, sichere Kennzeichen dafür
zu haben. Diese werden in einem Edict von Theodos II. und
Valentinian III. so angegeben: der Name edictum oder gene-
ralis lex,
die Mittheilung an den Senat durch eine oratio,
die Bekanntmachung durch die Statthalter der Provinzen,
endlich die der Constitution eingerückte Bestimmung, daß
sie für Alle verbindliche Kraft haben solle; jedes dieser
Kennzeichen sollte für sich allein, auch ohne die übrigen,
hinreichen (e). Es wurde daher diese Eigenschaft nicht
ausgeschlossen durch die specielle, in einem einzelnen Rechts-
fall liegende Veranlassung, wie dieses die angeführte Con-
stitution ausdrücklich sagt: eben so nicht durch den Um-
stand, daß der Inhalt nicht auf alle Römer, sondern auf
eine einzelne Klasse, gerichtet war (f), da auch diese Vor-
schriften von Allen gekannt und respectirt werden sollten:
endlich nicht durch die Richtung an eine einzelne Obrig-
keit, auf deren Anfrage vielleicht das Gesetz erlassen wor-
den war (g). -- Außerdem erklärten dieselben Kaiser, wie

solche Bekanntmachungen an das
Volk vor, worin gar kein Rechts-
satz aufgestellt werden sollte, z. B.
das des Nerva bey Plinius epist.
X
66.
(e) L. 3 C. de leg. (1. 14.).
(f) Was unsre Juristen ein jus
singulare
nennen. So z. B. be-
trafen Edicte von August und
Claudius die Bürgschaften der
Frauen, ein Edict von August
verbot die Enterbung der Sol-
daten. L. 2 pr. ad Sc. Vell.
(16. 1.), L. 26 de lib.
(28. 2.).
Das waren darum dennoch (nach
dem späteren Sprachgebrauch)
generales leges. Hierüber irrt
Güyet Abhandlungen S. 42.
(g) Bey weitem die meisten
Kaisergesetze, namentlich die von
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.

Da nun die Edicte als wahre Geſetze allgemein ver-
bindliche Kraft haben ſollten, im Gegenſatz der übrigen
Conſtitutionen, ſo war es wichtig, ſichere Kennzeichen dafür
zu haben. Dieſe werden in einem Edict von Theodos II. und
Valentinian III. ſo angegeben: der Name edictum oder gene-
ralis lex,
die Mittheilung an den Senat durch eine oratio,
die Bekanntmachung durch die Statthalter der Provinzen,
endlich die der Conſtitution eingerückte Beſtimmung, daß
ſie für Alle verbindliche Kraft haben ſolle; jedes dieſer
Kennzeichen ſollte für ſich allein, auch ohne die übrigen,
hinreichen (e). Es wurde daher dieſe Eigenſchaft nicht
ausgeſchloſſen durch die ſpecielle, in einem einzelnen Rechts-
fall liegende Veranlaſſung, wie dieſes die angeführte Con-
ſtitution ausdrücklich ſagt: eben ſo nicht durch den Um-
ſtand, daß der Inhalt nicht auf alle Römer, ſondern auf
eine einzelne Klaſſe, gerichtet war (f), da auch dieſe Vor-
ſchriften von Allen gekannt und reſpectirt werden ſollten:
endlich nicht durch die Richtung an eine einzelne Obrig-
keit, auf deren Anfrage vielleicht das Geſetz erlaſſen wor-
den war (g). — Außerdem erklärten dieſelben Kaiſer, wie

ſolche Bekanntmachungen an das
Volk vor, worin gar kein Rechts-
ſatz aufgeſtellt werden ſollte, z. B.
das des Nerva bey Plinius epist.
X
66.
(e) L. 3 C. de leg. (1. 14.).
(f) Was unſre Juriſten ein jus
singulare
nennen. So z. B. be-
trafen Edicte von Auguſt und
Claudius die Bürgſchaften der
Frauen, ein Edict von Auguſt
verbot die Enterbung der Sol-
daten. L. 2 pr. ad Sc. Vell.
(16. 1.), L. 26 de lib.
(28. 2.).
Das waren darum dennoch (nach
dem ſpäteren Sprachgebrauch)
generales leges. Hierüber irrt
Güyet Abhandlungen S. 42.
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Kaiſergeſetze, namentlich die von
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[124/0180] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. Da nun die Edicte als wahre Geſetze allgemein ver- bindliche Kraft haben ſollten, im Gegenſatz der übrigen Conſtitutionen, ſo war es wichtig, ſichere Kennzeichen dafür zu haben. Dieſe werden in einem Edict von Theodos II. und Valentinian III. ſo angegeben: der Name edictum oder gene- ralis lex, die Mittheilung an den Senat durch eine oratio, die Bekanntmachung durch die Statthalter der Provinzen, endlich die der Conſtitution eingerückte Beſtimmung, daß ſie für Alle verbindliche Kraft haben ſolle; jedes dieſer Kennzeichen ſollte für ſich allein, auch ohne die übrigen, hinreichen (e). Es wurde daher dieſe Eigenſchaft nicht ausgeſchloſſen durch die ſpecielle, in einem einzelnen Rechts- fall liegende Veranlaſſung, wie dieſes die angeführte Con- ſtitution ausdrücklich ſagt: eben ſo nicht durch den Um- ſtand, daß der Inhalt nicht auf alle Römer, ſondern auf eine einzelne Klaſſe, gerichtet war (f), da auch dieſe Vor- ſchriften von Allen gekannt und reſpectirt werden ſollten: endlich nicht durch die Richtung an eine einzelne Obrig- keit, auf deren Anfrage vielleicht das Geſetz erlaſſen wor- den war (g). — Außerdem erklärten dieſelben Kaiſer, wie (d) (e) L. 3 C. de leg. (1. 14.). (f) Was unſre Juriſten ein jus singulare nennen. So z. B. be- trafen Edicte von Auguſt und Claudius die Bürgſchaften der Frauen, ein Edict von Auguſt verbot die Enterbung der Sol- daten. L. 2 pr. ad Sc. Vell. (16. 1.), L. 26 de lib. (28. 2.). Das waren darum dennoch (nach dem ſpäteren Sprachgebrauch) generales leges. Hierüber irrt Güyet Abhandlungen S. 42. (g) Bey weitem die meiſten Kaiſergeſetze, namentlich die von (d) ſolche Bekanntmachungen an das Volk vor, worin gar kein Rechts- ſatz aufgeſtellt werden ſollte, z. B. das des Nerva bey Plinius epist. X 66.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/180>, abgerufen am 04.05.2024.