diese Betrachtungsweise nothwendig, wenn sie rein und vollständig aufgefaßt werden sollten. Allein ein so ver- einzeltes Daseyn haben sie in der Wirklichkeit in keinem der Staaten gehabt, worin sie Eingang fanden. Daher soll nun noch eine Übersicht über diejenigen ihnen fremd- artigen Rechtsquellen gegeben werden, die mit ihnen in Berührung getreten sind, und mit welchen sie im Leben selbst die Herrschaft über die Rechtsverhältnisse ge- theilt haben.
Zuerst begegnete ihnen überall schon zur Zeit ihrer Aufnahme einheimisches Recht: namentlich also in Deutsch- land ursprünglich Germanisches Recht, und eben so in den meisten anderen Ländern, insbesondere in Frankreich. Das Verhältniß dieser beiden verschiedenartigen Rechte in der Anwendung auf das Leben, war zu allen Zeiten ein schwie- riges und verwickeltes, und die Ausgleichung dieses Con- flicts gehörte stets zu den wichtigsten Aufgaben des wissen- schaftlichen Rechts, besonders in dem praktischen Theil desselben (§ 20).
Dann aber schloß sich überall eine fortgehende Lan- desgesetzgebung an das aufgenommene fremde Recht an, die theils durch das eben erwähnte Bedürfniß der Aus- gleichung mit dem Germanischen Recht angeregt wurde, theils auch ohne Rücksicht auf diesen Conflict durch die neuere Praxis (§ 20), die in diesen Landesgesetzen häufig Anerkennung und Feststellung fand. Dahin gehört also in den einzelnen Theilen von Deutschland das ganze Ter-
§. 21. Concurrirende Rechtsquellen.
dieſe Betrachtungsweiſe nothwendig, wenn ſie rein und vollſtändig aufgefaßt werden ſollten. Allein ein ſo ver- einzeltes Daſeyn haben ſie in der Wirklichkeit in keinem der Staaten gehabt, worin ſie Eingang fanden. Daher ſoll nun noch eine Überſicht über diejenigen ihnen fremd- artigen Rechtsquellen gegeben werden, die mit ihnen in Berührung getreten ſind, und mit welchen ſie im Leben ſelbſt die Herrſchaft über die Rechtsverhältniſſe ge- theilt haben.
Zuerſt begegnete ihnen überall ſchon zur Zeit ihrer Aufnahme einheimiſches Recht: namentlich alſo in Deutſch- land urſprünglich Germaniſches Recht, und eben ſo in den meiſten anderen Ländern, insbeſondere in Frankreich. Das Verhältniß dieſer beiden verſchiedenartigen Rechte in der Anwendung auf das Leben, war zu allen Zeiten ein ſchwie- riges und verwickeltes, und die Ausgleichung dieſes Con- flicts gehörte ſtets zu den wichtigſten Aufgaben des wiſſen- ſchaftlichen Rechts, beſonders in dem praktiſchen Theil deſſelben (§ 20).
Dann aber ſchloß ſich überall eine fortgehende Lan- desgeſetzgebung an das aufgenommene fremde Recht an, die theils durch das eben erwähnte Bedürfniß der Aus- gleichung mit dem Germaniſchen Recht angeregt wurde, theils auch ohne Rückſicht auf dieſen Conflict durch die neuere Praxis (§ 20), die in dieſen Landesgeſetzen häufig Anerkennung und Feſtſtellung fand. Dahin gehört alſo in den einzelnen Theilen von Deutſchland das ganze Ter-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0157"n="101"/><fwplace="top"type="header">§. 21. Concurrirende Rechtsquellen.</fw><lb/>
dieſe Betrachtungsweiſe nothwendig, wenn ſie rein und<lb/>
vollſtändig aufgefaßt werden ſollten. Allein ein ſo ver-<lb/>
einzeltes Daſeyn haben ſie in der Wirklichkeit in keinem<lb/>
der Staaten gehabt, worin ſie Eingang fanden. Daher<lb/>ſoll nun noch eine Überſicht über diejenigen ihnen fremd-<lb/>
artigen Rechtsquellen gegeben werden, die mit ihnen in<lb/>
Berührung getreten ſind, und mit welchen ſie im Leben<lb/>ſelbſt die Herrſchaft über die Rechtsverhältniſſe ge-<lb/>
theilt haben.</p><lb/><p>Zuerſt begegnete ihnen überall ſchon zur Zeit ihrer<lb/>
Aufnahme einheimiſches Recht: namentlich alſo in Deutſch-<lb/>
land urſprünglich Germaniſches Recht, und eben ſo in den<lb/>
meiſten anderen Ländern, insbeſondere in Frankreich. Das<lb/>
Verhältniß dieſer beiden verſchiedenartigen Rechte in der<lb/>
Anwendung auf das Leben, war zu allen Zeiten ein ſchwie-<lb/>
riges und verwickeltes, und die Ausgleichung dieſes Con-<lb/>
flicts gehörte ſtets zu den wichtigſten Aufgaben des wiſſen-<lb/>ſchaftlichen Rechts, beſonders in dem praktiſchen Theil<lb/>
deſſelben (§ 20).</p><lb/><p>Dann aber ſchloß ſich überall eine fortgehende Lan-<lb/>
desgeſetzgebung an das aufgenommene fremde Recht an,<lb/>
die theils durch das eben erwähnte Bedürfniß der Aus-<lb/>
gleichung mit dem Germaniſchen Recht angeregt wurde,<lb/>
theils auch ohne Rückſicht auf dieſen Conflict durch die<lb/>
neuere Praxis (§ 20), die in dieſen Landesgeſetzen häufig<lb/>
Anerkennung und Feſtſtellung fand. Dahin gehört alſo<lb/>
in den einzelnen Theilen von Deutſchland das ganze Ter-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[101/0157]
§. 21. Concurrirende Rechtsquellen.
dieſe Betrachtungsweiſe nothwendig, wenn ſie rein und
vollſtändig aufgefaßt werden ſollten. Allein ein ſo ver-
einzeltes Daſeyn haben ſie in der Wirklichkeit in keinem
der Staaten gehabt, worin ſie Eingang fanden. Daher
ſoll nun noch eine Überſicht über diejenigen ihnen fremd-
artigen Rechtsquellen gegeben werden, die mit ihnen in
Berührung getreten ſind, und mit welchen ſie im Leben
ſelbſt die Herrſchaft über die Rechtsverhältniſſe ge-
theilt haben.
Zuerſt begegnete ihnen überall ſchon zur Zeit ihrer
Aufnahme einheimiſches Recht: namentlich alſo in Deutſch-
land urſprünglich Germaniſches Recht, und eben ſo in den
meiſten anderen Ländern, insbeſondere in Frankreich. Das
Verhältniß dieſer beiden verſchiedenartigen Rechte in der
Anwendung auf das Leben, war zu allen Zeiten ein ſchwie-
riges und verwickeltes, und die Ausgleichung dieſes Con-
flicts gehörte ſtets zu den wichtigſten Aufgaben des wiſſen-
ſchaftlichen Rechts, beſonders in dem praktiſchen Theil
deſſelben (§ 20).
Dann aber ſchloß ſich überall eine fortgehende Lan-
desgeſetzgebung an das aufgenommene fremde Recht an,
die theils durch das eben erwähnte Bedürfniß der Aus-
gleichung mit dem Germaniſchen Recht angeregt wurde,
theils auch ohne Rückſicht auf dieſen Conflict durch die
neuere Praxis (§ 20), die in dieſen Landesgeſetzen häufig
Anerkennung und Feſtſtellung fand. Dahin gehört alſo
in den einzelnen Theilen von Deutſchland das ganze Ter-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/157>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.