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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 19. Wissenschaftliches Recht.
ten, und jeder Einzelne unter ihnen, besonders der durch Geist
Ausgezeichnete, hatte an dieser unsichtbaren Macht einen
namhaften Antheil. Bey uns heißt Jurist ein Jeder, der
Rechtswissenschaft studirt hat, um sie als Richter, Sach-
walter, Schriftsteller, Lehrer zu üben, also fast immer um
einen einträglichen Lebensberuf damit zu verbinden. Diese
Juristen sind verbreitet über ganz Deutschland, in unge-
heurer Anzahl, und sie bilden eine höchst gemischte Gesell-
schaft in der mannichfaltigsten Abstufung des innern Wer-
thes. Natürlich ist hier die Einwirkung sehr viel unbe-
stimmter und massenhafter, es gehört längere Zeit dazu,
ehe eine gemeine Meynung zu entschiedener Anerkennung
gelangt, und es muß weit mehr vom Zufall abhängig
seyn, wie gerade eine eigenthümliche Bildungsweise oder
Ansicht hier oder dort zu einem Einfluß auf die Gesetzge-
bung, und durch diese auf die Fortbildung des Rechts kommt.

Einen ganz anderen Zustand, als im alten Rom, fin-
den wir im Mittelalter, als das Römische Recht von
einem großen Theil der Europäischen Staaten aufgenom-
men wurde. Diese Aufnahme erzeugte einen künstlichen
Rechtszustand (§ 18), dessen Schwierigkeiten nur durch einen
höheren Grad von Rechtskenntniß, als sie im Gemeingut
der Nation denkbar ist, erworben werden konnte. Durch
dieses Bedürfniß entstand eine juristische Schule und Lite-
ratur, ohne durch die allgemeine Bildungsstufe der Völker
hervorgerufen zu seyn (a). Auch hier also, wie im alten

(a) Savigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 3 § 32.

§. 19. Wiſſenſchaftliches Recht.
ten, und jeder Einzelne unter ihnen, beſonders der durch Geiſt
Ausgezeichnete, hatte an dieſer unſichtbaren Macht einen
namhaften Antheil. Bey uns heißt Juriſt ein Jeder, der
Rechtswiſſenſchaft ſtudirt hat, um ſie als Richter, Sach-
walter, Schriftſteller, Lehrer zu üben, alſo faſt immer um
einen einträglichen Lebensberuf damit zu verbinden. Dieſe
Juriſten ſind verbreitet über ganz Deutſchland, in unge-
heurer Anzahl, und ſie bilden eine höchſt gemiſchte Geſell-
ſchaft in der mannichfaltigſten Abſtufung des innern Wer-
thes. Natürlich iſt hier die Einwirkung ſehr viel unbe-
ſtimmter und maſſenhafter, es gehört längere Zeit dazu,
ehe eine gemeine Meynung zu entſchiedener Anerkennung
gelangt, und es muß weit mehr vom Zufall abhängig
ſeyn, wie gerade eine eigenthümliche Bildungsweiſe oder
Anſicht hier oder dort zu einem Einfluß auf die Geſetzge-
bung, und durch dieſe auf die Fortbildung des Rechts kommt.

Einen ganz anderen Zuſtand, als im alten Rom, fin-
den wir im Mittelalter, als das Römiſche Recht von
einem großen Theil der Europäiſchen Staaten aufgenom-
men wurde. Dieſe Aufnahme erzeugte einen künſtlichen
Rechtszuſtand (§ 18), deſſen Schwierigkeiten nur durch einen
höheren Grad von Rechtskenntniß, als ſie im Gemeingut
der Nation denkbar iſt, erworben werden konnte. Durch
dieſes Bedürfniß entſtand eine juriſtiſche Schule und Lite-
ratur, ohne durch die allgemeine Bildungsſtufe der Völker
hervorgerufen zu ſeyn (a). Auch hier alſo, wie im alten

(a) Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 3 § 32.
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[85/0141] §. 19. Wiſſenſchaftliches Recht. ten, und jeder Einzelne unter ihnen, beſonders der durch Geiſt Ausgezeichnete, hatte an dieſer unſichtbaren Macht einen namhaften Antheil. Bey uns heißt Juriſt ein Jeder, der Rechtswiſſenſchaft ſtudirt hat, um ſie als Richter, Sach- walter, Schriftſteller, Lehrer zu üben, alſo faſt immer um einen einträglichen Lebensberuf damit zu verbinden. Dieſe Juriſten ſind verbreitet über ganz Deutſchland, in unge- heurer Anzahl, und ſie bilden eine höchſt gemiſchte Geſell- ſchaft in der mannichfaltigſten Abſtufung des innern Wer- thes. Natürlich iſt hier die Einwirkung ſehr viel unbe- ſtimmter und maſſenhafter, es gehört längere Zeit dazu, ehe eine gemeine Meynung zu entſchiedener Anerkennung gelangt, und es muß weit mehr vom Zufall abhängig ſeyn, wie gerade eine eigenthümliche Bildungsweiſe oder Anſicht hier oder dort zu einem Einfluß auf die Geſetzge- bung, und durch dieſe auf die Fortbildung des Rechts kommt. Einen ganz anderen Zuſtand, als im alten Rom, fin- den wir im Mittelalter, als das Römiſche Recht von einem großen Theil der Europäiſchen Staaten aufgenom- men wurde. Dieſe Aufnahme erzeugte einen künſtlichen Rechtszuſtand (§ 18), deſſen Schwierigkeiten nur durch einen höheren Grad von Rechtskenntniß, als ſie im Gemeingut der Nation denkbar iſt, erworben werden konnte. Durch dieſes Bedürfniß entſtand eine juriſtiſche Schule und Lite- ratur, ohne durch die allgemeine Bildungsſtufe der Völker hervorgerufen zu ſeyn (a). Auch hier alſo, wie im alten (a) Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 3 § 32.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/141>, abgerufen am 05.12.2024.