Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 19. Wissenschaftliches Recht.
selbst wieder eine neu erzeugte Regel an dessen Stelle
setzen (d).

§. 19.
C. Wissenschaftliches Recht.

Im alten Rom hatte das Volksrecht, in früher Ge-
meinschaft mit Gesetzgebung, eine höchst bedeutende und
eigenthümliche Rechtsbildung hervorgebracht, lange ehe
man an eine Rechtswissenschaft dachte. Als aber wissen-
schaftliches Leben überhaupt in der Nation aufging, wen-
dete sich dieses natürlich auch auf das Recht, worin es
einen eben so würdigen, als ächt nationalen Stoff bereits
verfand. Der Juristenstand, der sich nun bildete, wurde
zugleich größtentheils der Träger des Volksrechts, dessen
schaffende Kraft in seiner ursprünglichen Form nur noch
seltener sichtbar hervortrat. War also die Rechtswissen-
schaft zwar ein Zweig des allgemeinen, in der Nation
entstandenen wissenschaftlichen Lebens, so hatte sie doch
einen ganz eigenthümlichen Entwicklungsgang. Sie kam
langsamer als andere Wissenschaften zu derjenigen Reife,
die ihnen überhaupt unter den Römern beschieden war,
und sie erreichte den Gipfel ihrer Vollendung zu einer

(d) Die Bedeutung und Wich-
tigkeit dieser sehr abstract erschei-
nenden Sätze wird erst unten
(§ 28 fg.) aus den entgegen-
gesetzten Meynungen neuerer
Schriftsteller klar werden. Eben
dahin verweise ich die genauere
Feststellung der Bedingungen ei-
nes wahren Gewohnheitsrechts,
die schon hier ihre Stelle finden
würden, wenn es nicht wegen
der sehr verbreiteten Irrthümer
der neueren Rechtslehrer gerathe-
ner wäre, die wahren Bedingun-
gen in Verbindung mit diesen
Irrthümern, und im Gegensatz
derselben, kritisch festzustellen.
6*

§. 19. Wiſſenſchaftliches Recht.
ſelbſt wieder eine neu erzeugte Regel an deſſen Stelle
ſetzen (d).

§. 19.
C. Wiſſenſchaftliches Recht.

Im alten Rom hatte das Volksrecht, in früher Ge-
meinſchaft mit Geſetzgebung, eine höchſt bedeutende und
eigenthümliche Rechtsbildung hervorgebracht, lange ehe
man an eine Rechtswiſſenſchaft dachte. Als aber wiſſen-
ſchaftliches Leben überhaupt in der Nation aufging, wen-
dete ſich dieſes natürlich auch auf das Recht, worin es
einen eben ſo würdigen, als ächt nationalen Stoff bereits
verfand. Der Juriſtenſtand, der ſich nun bildete, wurde
zugleich größtentheils der Träger des Volksrechts, deſſen
ſchaffende Kraft in ſeiner urſprünglichen Form nur noch
ſeltener ſichtbar hervortrat. War alſo die Rechtswiſſen-
ſchaft zwar ein Zweig des allgemeinen, in der Nation
entſtandenen wiſſenſchaftlichen Lebens, ſo hatte ſie doch
einen ganz eigenthümlichen Entwicklungsgang. Sie kam
langſamer als andere Wiſſenſchaften zu derjenigen Reife,
die ihnen überhaupt unter den Römern beſchieden war,
und ſie erreichte den Gipfel ihrer Vollendung zu einer

(d) Die Bedeutung und Wich-
tigkeit dieſer ſehr abſtract erſchei-
nenden Sätze wird erſt unten
(§ 28 fg.) aus den entgegen-
geſetzten Meynungen neuerer
Schriftſteller klar werden. Eben
dahin verweiſe ich die genauere
Feſtſtellung der Bedingungen ei-
nes wahren Gewohnheitsrechts,
die ſchon hier ihre Stelle finden
würden, wenn es nicht wegen
der ſehr verbreiteten Irrthümer
der neueren Rechtslehrer gerathe-
ner wäre, die wahren Bedingun-
gen in Verbindung mit dieſen
Irrthümern, und im Gegenſatz
derſelben, kritiſch feſtzuſtellen.
6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0139" n="83"/><fw place="top" type="header">§. 19. Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliches Recht.</fw><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wieder eine neu erzeugte Regel an de&#x017F;&#x017F;en Stelle<lb/>
&#x017F;etzen <note place="foot" n="(d)">Die Bedeutung und Wich-<lb/>
tigkeit die&#x017F;er &#x017F;ehr ab&#x017F;tract er&#x017F;chei-<lb/>
nenden Sätze wird er&#x017F;t unten<lb/>
(§ 28 fg.) aus den entgegen-<lb/>
ge&#x017F;etzten Meynungen neuerer<lb/>
Schrift&#x017F;teller klar werden. Eben<lb/>
dahin verwei&#x017F;e ich die genauere<lb/>
Fe&#x017F;t&#x017F;tellung der Bedingungen ei-<lb/>
nes wahren Gewohnheitsrechts,<lb/>
die &#x017F;chon hier ihre Stelle finden<lb/>
würden, wenn es nicht wegen<lb/>
der &#x017F;ehr verbreiteten Irrthümer<lb/>
der neueren Rechtslehrer gerathe-<lb/>
ner wäre, die wahren Bedingun-<lb/>
gen in Verbindung mit die&#x017F;en<lb/>
Irrthümern, und im Gegen&#x017F;atz<lb/>
der&#x017F;elben, kriti&#x017F;ch fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 19.<lb/><hi rendition="#aq">C.</hi> <hi rendition="#g">Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliches Recht</hi>.</head><lb/>
            <p>Im alten Rom hatte das Volksrecht, in früher Ge-<lb/>
mein&#x017F;chaft mit Ge&#x017F;etzgebung, eine höch&#x017F;t bedeutende und<lb/>
eigenthümliche Rechtsbildung hervorgebracht, lange ehe<lb/>
man an eine Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft dachte. Als aber wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftliches Leben überhaupt in der Nation aufging, wen-<lb/>
dete &#x017F;ich die&#x017F;es natürlich auch auf das Recht, worin es<lb/>
einen eben &#x017F;o würdigen, als ächt nationalen Stoff bereits<lb/>
verfand. Der Juri&#x017F;ten&#x017F;tand, der &#x017F;ich nun bildete, wurde<lb/>
zugleich größtentheils der Träger des Volksrechts, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chaffende Kraft in &#x017F;einer ur&#x017F;prünglichen Form nur noch<lb/>
&#x017F;eltener &#x017F;ichtbar hervortrat. War al&#x017F;o die Rechtswi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft zwar ein Zweig des allgemeinen, in der Nation<lb/>
ent&#x017F;tandenen wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Lebens, &#x017F;o hatte &#x017F;ie doch<lb/>
einen ganz eigenthümlichen Entwicklungsgang. Sie kam<lb/>
lang&#x017F;amer als andere Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften zu derjenigen Reife,<lb/>
die ihnen überhaupt unter den Römern be&#x017F;chieden war,<lb/>
und &#x017F;ie erreichte den Gipfel ihrer Vollendung zu einer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0139] §. 19. Wiſſenſchaftliches Recht. ſelbſt wieder eine neu erzeugte Regel an deſſen Stelle ſetzen (d). §. 19. C. Wiſſenſchaftliches Recht. Im alten Rom hatte das Volksrecht, in früher Ge- meinſchaft mit Geſetzgebung, eine höchſt bedeutende und eigenthümliche Rechtsbildung hervorgebracht, lange ehe man an eine Rechtswiſſenſchaft dachte. Als aber wiſſen- ſchaftliches Leben überhaupt in der Nation aufging, wen- dete ſich dieſes natürlich auch auf das Recht, worin es einen eben ſo würdigen, als ächt nationalen Stoff bereits verfand. Der Juriſtenſtand, der ſich nun bildete, wurde zugleich größtentheils der Träger des Volksrechts, deſſen ſchaffende Kraft in ſeiner urſprünglichen Form nur noch ſeltener ſichtbar hervortrat. War alſo die Rechtswiſſen- ſchaft zwar ein Zweig des allgemeinen, in der Nation entſtandenen wiſſenſchaftlichen Lebens, ſo hatte ſie doch einen ganz eigenthümlichen Entwicklungsgang. Sie kam langſamer als andere Wiſſenſchaften zu derjenigen Reife, die ihnen überhaupt unter den Römern beſchieden war, und ſie erreichte den Gipfel ihrer Vollendung zu einer (d) Die Bedeutung und Wich- tigkeit dieſer ſehr abſtract erſchei- nenden Sätze wird erſt unten (§ 28 fg.) aus den entgegen- geſetzten Meynungen neuerer Schriftſteller klar werden. Eben dahin verweiſe ich die genauere Feſtſtellung der Bedingungen ei- nes wahren Gewohnheitsrechts, die ſchon hier ihre Stelle finden würden, wenn es nicht wegen der ſehr verbreiteten Irrthümer der neueren Rechtslehrer gerathe- ner wäre, die wahren Bedingun- gen in Verbindung mit dieſen Irrthümern, und im Gegenſatz derſelben, kritiſch feſtzuſtellen. 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/139
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/139>, abgerufen am 05.12.2024.