Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 17. Gesetze.
Textes, worin zwar gemeinsame Bestrebungen der Glossa-
toren unverkennbar sind, jedoch ohne daß dieselben jemals
in einer abgeschlossenen Arbeit fertig wurden, für welche
allein eine ausschließende Anerkennung auch nur zur Frage
kommen könnte (f). -- Weit wichtiger ist die Beschränkung
der Anwendbarkeit, welche sich auf den Inhalt jenes im
Allgemeinen anerkannten Quellenkreises bezieht. Dahin
gehört nicht nur die wichtige Ausschließung des Staats-
rechts von aller heutigen Anwendung (§ 1), sondern auch
die Ausschließung ganzer, dem Prtvatrecht angehörenden,
Rechtsinstitute, wie z. B. des Sklavenrechts, des Colonats,
der Stipulation. Diese materielle Begränzung aber ist
nicht so wie jene formelle der Schule von Bologna zuzu-
schreiben, sondern vielmehr der Rückwirkung anderer Rechts-
quellen (Gewohnheitsrecht und Wissenschaft) auf das ge-
setzliche Recht. Ja sie ist auch nicht von jeher allgemein
anerkannt worden, vielmehr ist es erst dem kritischen Geist
neuerer Rechtswissenschaft gelungen, die irrige Anwendung
ganz zu verdrängen, die früherhin vom Römischen Recht
häufig versucht wurde. Wie sehr namentlich die Glossa-

Italienische Rechtspraxis reci-
pirt (Seidensticker) Juristische
Fragmente Th. 2 S. 188--194.
Das ist um so mehr zu verwer-
fen, als die Glossatoren nur In-
terpreten seyn, und die Praxis
nicht darstellen, sondern reformi-
ren wollten. Savigny Ge-
schichte des R. R. im Mittelal-
ter B. 5 Kap. XLI Num. I. --
Das wahre Element in jenem
Irrthum besteht darin, daß die
Lehrmeynungen der Glossatoren
allerdings auch auf die Deutsche
Rechtspraxis nicht wenig Einfluß
gehabt haben.
(f) Savigny a. a. O. § 175.
176.

§. 17. Geſetze.
Textes, worin zwar gemeinſame Beſtrebungen der Gloſſa-
toren unverkennbar ſind, jedoch ohne daß dieſelben jemals
in einer abgeſchloſſenen Arbeit fertig wurden, für welche
allein eine ausſchließende Anerkennung auch nur zur Frage
kommen könnte (f). — Weit wichtiger iſt die Beſchränkung
der Anwendbarkeit, welche ſich auf den Inhalt jenes im
Allgemeinen anerkannten Quellenkreiſes bezieht. Dahin
gehört nicht nur die wichtige Ausſchließung des Staats-
rechts von aller heutigen Anwendung (§ 1), ſondern auch
die Ausſchließung ganzer, dem Prtvatrecht angehörenden,
Rechtsinſtitute, wie z. B. des Sklavenrechts, des Colonats,
der Stipulation. Dieſe materielle Begränzung aber iſt
nicht ſo wie jene formelle der Schule von Bologna zuzu-
ſchreiben, ſondern vielmehr der Rückwirkung anderer Rechts-
quellen (Gewohnheitsrecht und Wiſſenſchaft) auf das ge-
ſetzliche Recht. Ja ſie iſt auch nicht von jeher allgemein
anerkannt worden, vielmehr iſt es erſt dem kritiſchen Geiſt
neuerer Rechtswiſſenſchaft gelungen, die irrige Anwendung
ganz zu verdrängen, die früherhin vom Römiſchen Recht
häufig verſucht wurde. Wie ſehr namentlich die Gloſſa-

Italieniſche Rechtspraxis reci-
pirt (Seidenſticker) Juriſtiſche
Fragmente Th. 2 S. 188—194.
Das iſt um ſo mehr zu verwer-
fen, als die Gloſſatoren nur In-
terpreten ſeyn, und die Praxis
nicht darſtellen, ſondern reformi-
ren wollten. Savigny Ge-
ſchichte des R. R. im Mittelal-
ter B. 5 Kap. XLI Num. I.
Das wahre Element in jenem
Irrthum beſteht darin, daß die
Lehrmeynungen der Gloſſatoren
allerdings auch auf die Deutſche
Rechtspraxis nicht wenig Einfluß
gehabt haben.
(f) Savigny a. a. O. § 175.
176.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0125" n="69"/><fw place="top" type="header">§. 17. Ge&#x017F;etze.</fw><lb/>
Textes, worin zwar gemein&#x017F;ame Be&#x017F;trebungen der Glo&#x017F;&#x017F;a-<lb/>
toren unverkennbar &#x017F;ind, jedoch ohne daß die&#x017F;elben jemals<lb/>
in einer abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Arbeit fertig wurden, für welche<lb/>
allein eine aus&#x017F;chließende Anerkennung auch nur zur Frage<lb/>
kommen könnte <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#g">Savigny</hi> a. a. O. § 175.<lb/>
176.</note>. &#x2014; Weit wichtiger i&#x017F;t die Be&#x017F;chränkung<lb/>
der Anwendbarkeit, welche &#x017F;ich auf den Inhalt jenes im<lb/>
Allgemeinen anerkannten Quellenkrei&#x017F;es bezieht. Dahin<lb/>
gehört nicht nur die wichtige Aus&#x017F;chließung des Staats-<lb/>
rechts von aller heutigen Anwendung (§ 1), &#x017F;ondern auch<lb/>
die Aus&#x017F;chließung ganzer, dem Prtvatrecht angehörenden,<lb/>
Rechtsin&#x017F;titute, wie z. B. des Sklavenrechts, des Colonats,<lb/>
der Stipulation. Die&#x017F;e materielle Begränzung aber i&#x017F;t<lb/>
nicht &#x017F;o wie jene formelle der Schule von Bologna zuzu-<lb/>
&#x017F;chreiben, &#x017F;ondern vielmehr der Rückwirkung anderer Rechts-<lb/>
quellen (Gewohnheitsrecht und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft) auf das ge-<lb/>
&#x017F;etzliche Recht. Ja &#x017F;ie i&#x017F;t auch nicht von jeher allgemein<lb/>
anerkannt worden, vielmehr i&#x017F;t es er&#x017F;t dem kriti&#x017F;chen Gei&#x017F;t<lb/>
neuerer Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft gelungen, die irrige Anwendung<lb/>
ganz zu verdrängen, die früherhin vom Römi&#x017F;chen Recht<lb/>
häufig ver&#x017F;ucht wurde. Wie &#x017F;ehr namentlich die Glo&#x017F;&#x017F;a-<lb/><note xml:id="seg2pn_9_2" prev="#seg2pn_9_1" place="foot" n="(e)">Italieni&#x017F;che Rechtspraxis reci-<lb/>
pirt (<hi rendition="#g">Seiden&#x017F;ticker</hi>) Juri&#x017F;ti&#x017F;che<lb/>
Fragmente Th. 2 S. 188&#x2014;194.<lb/>
Das i&#x017F;t um &#x017F;o mehr zu verwer-<lb/>
fen, als die Glo&#x017F;&#x017F;atoren nur In-<lb/>
terpreten &#x017F;eyn, und die Praxis<lb/>
nicht dar&#x017F;tellen, &#x017F;ondern reformi-<lb/>
ren wollten. <hi rendition="#g">Savigny</hi> Ge-<lb/>
&#x017F;chichte des R. R. im Mittelal-<lb/>
ter B. 5 Kap. <hi rendition="#aq">XLI</hi> Num. <hi rendition="#aq">I.</hi> &#x2014;<lb/>
Das wahre Element in jenem<lb/>
Irrthum be&#x017F;teht darin, daß die<lb/>
Lehrmeynungen der Glo&#x017F;&#x017F;atoren<lb/>
allerdings auch auf die Deut&#x017F;che<lb/>
Rechtspraxis nicht wenig Einfluß<lb/>
gehabt haben.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0125] §. 17. Geſetze. Textes, worin zwar gemeinſame Beſtrebungen der Gloſſa- toren unverkennbar ſind, jedoch ohne daß dieſelben jemals in einer abgeſchloſſenen Arbeit fertig wurden, für welche allein eine ausſchließende Anerkennung auch nur zur Frage kommen könnte (f). — Weit wichtiger iſt die Beſchränkung der Anwendbarkeit, welche ſich auf den Inhalt jenes im Allgemeinen anerkannten Quellenkreiſes bezieht. Dahin gehört nicht nur die wichtige Ausſchließung des Staats- rechts von aller heutigen Anwendung (§ 1), ſondern auch die Ausſchließung ganzer, dem Prtvatrecht angehörenden, Rechtsinſtitute, wie z. B. des Sklavenrechts, des Colonats, der Stipulation. Dieſe materielle Begränzung aber iſt nicht ſo wie jene formelle der Schule von Bologna zuzu- ſchreiben, ſondern vielmehr der Rückwirkung anderer Rechts- quellen (Gewohnheitsrecht und Wiſſenſchaft) auf das ge- ſetzliche Recht. Ja ſie iſt auch nicht von jeher allgemein anerkannt worden, vielmehr iſt es erſt dem kritiſchen Geiſt neuerer Rechtswiſſenſchaft gelungen, die irrige Anwendung ganz zu verdrängen, die früherhin vom Römiſchen Recht häufig verſucht wurde. Wie ſehr namentlich die Gloſſa- (e) (f) Savigny a. a. O. § 175. 176. (e) Italieniſche Rechtspraxis reci- pirt (Seidenſticker) Juriſtiſche Fragmente Th. 2 S. 188—194. Das iſt um ſo mehr zu verwer- fen, als die Gloſſatoren nur In- terpreten ſeyn, und die Praxis nicht darſtellen, ſondern reformi- ren wollten. Savigny Ge- ſchichte des R. R. im Mittelal- ter B. 5 Kap. XLI Num. I. — Das wahre Element in jenem Irrthum beſteht darin, daß die Lehrmeynungen der Gloſſatoren allerdings auch auf die Deutſche Rechtspraxis nicht wenig Einfluß gehabt haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/125
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/125>, abgerufen am 05.12.2024.