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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 16. Absolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht.
und auch die Singularia bey dem Darlehn scheinen so ver-
standen werden zu müssen (z).

Große Verwirrung ist in diese Lehre dadurch gekom-
men, daß man das Jus singulare zusammen geworfen hat
mit dem, was wir heutzutage gewöhnlich Privilegien nen-
nen, nämlich mit den durch die höchste Staatsgewalt be-
stimmten individuellen Ausnahmen von der Anwendung der
Rechtsregeln. Um dieses klar zu machen, ist es nö-
thig, das Verhältniß der Begriffe von der Terminologie
genau zu scheiden (aa). -- Solche individuelle Ausnahmen
sind überhaupt gar nicht Bestandtheile des allgemeinen
Rechts, und unterscheiden sich dadurch gänzlich von dem
Jus singulare. Sie haben mit demselben gemein die Na-
tur der Ausnahme von einer Regel: ferner die Entstehung
durch eine einseitige Erklärung der gesetzgebenden Gewalt.
Allein diese letzte Ähnlichkeit ist nur eine zufällige, nicht
allgemeine, da sie ja auch durch Verträge entstehen kön-
nen. -- Mit der Terminologie aber verhält es sich fol-
gendergestalt. In der ältesten Sprache heißen diese indi-
viduellen Ausnahmen in der That privilegia (bb). In
unsren Rechtsquellen dagegen ist privilegium die regelmä-
ßige Bezeichnung für das Jus singulare, und kommt dabey,
wie oben bemerkt, in einer großen Zahl von Stellen vor.

(z) L. 1 C. de adqu. poss.
(7. 32.). L. 53 de adqu. rer.
dom.
(41. 1.). L. 15 de reb.
cred.
(12. 1.).
(aa) Diese Rechte selbst wer-
den unten bey der Anwendung
der Gesetze dargestellt werden.
(bb) So in mehreren Stellen
des Cicero (Ernesti v. privile-
gium
) Gellius X.
20. -- Vgl.
Dirksen civilistische Abhandlun-
gen B. 1 S. 246 fg.
5

§. 16. Abſolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht.
und auch die Singularia bey dem Darlehn ſcheinen ſo ver-
ſtanden werden zu müſſen (z).

Große Verwirrung iſt in dieſe Lehre dadurch gekom-
men, daß man das Jus singulare zuſammen geworfen hat
mit dem, was wir heutzutage gewöhnlich Privilegien nen-
nen, nämlich mit den durch die höchſte Staatsgewalt be-
ſtimmten individuellen Ausnahmen von der Anwendung der
Rechtsregeln. Um dieſes klar zu machen, iſt es nö-
thig, das Verhältniß der Begriffe von der Terminologie
genau zu ſcheiden (aa). — Solche individuelle Ausnahmen
ſind überhaupt gar nicht Beſtandtheile des allgemeinen
Rechts, und unterſcheiden ſich dadurch gänzlich von dem
Jus singulare. Sie haben mit demſelben gemein die Na-
tur der Ausnahme von einer Regel: ferner die Entſtehung
durch eine einſeitige Erklärung der geſetzgebenden Gewalt.
Allein dieſe letzte Ähnlichkeit iſt nur eine zufällige, nicht
allgemeine, da ſie ja auch durch Verträge entſtehen kön-
nen. — Mit der Terminologie aber verhält es ſich fol-
gendergeſtalt. In der älteſten Sprache heißen dieſe indi-
viduellen Ausnahmen in der That privilegia (bb). In
unſren Rechtsquellen dagegen iſt privilegium die regelmä-
ßige Bezeichnung für das Jus singulare, und kommt dabey,
wie oben bemerkt, in einer großen Zahl von Stellen vor.

(z) L. 1 C. de adqu. poss.
(7. 32.). L. 53 de adqu. rer.
dom.
(41. 1.). L. 15 de reb.
cred.
(12. 1.).
(aa) Dieſe Rechte ſelbſt wer-
den unten bey der Anwendung
der Geſetze dargeſtellt werden.
(bb) So in mehreren Stellen
des Cicero (Ernesti v. privile-
gium
) Gellius X.
20. — Vgl.
Dirkſen civiliſtiſche Abhandlun-
gen B. 1 S. 246 fg.
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[65/0121] §. 16. Abſolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht. und auch die Singularia bey dem Darlehn ſcheinen ſo ver- ſtanden werden zu müſſen (z). Große Verwirrung iſt in dieſe Lehre dadurch gekom- men, daß man das Jus singulare zuſammen geworfen hat mit dem, was wir heutzutage gewöhnlich Privilegien nen- nen, nämlich mit den durch die höchſte Staatsgewalt be- ſtimmten individuellen Ausnahmen von der Anwendung der Rechtsregeln. Um dieſes klar zu machen, iſt es nö- thig, das Verhältniß der Begriffe von der Terminologie genau zu ſcheiden (aa). — Solche individuelle Ausnahmen ſind überhaupt gar nicht Beſtandtheile des allgemeinen Rechts, und unterſcheiden ſich dadurch gänzlich von dem Jus singulare. Sie haben mit demſelben gemein die Na- tur der Ausnahme von einer Regel: ferner die Entſtehung durch eine einſeitige Erklärung der geſetzgebenden Gewalt. Allein dieſe letzte Ähnlichkeit iſt nur eine zufällige, nicht allgemeine, da ſie ja auch durch Verträge entſtehen kön- nen. — Mit der Terminologie aber verhält es ſich fol- gendergeſtalt. In der älteſten Sprache heißen dieſe indi- viduellen Ausnahmen in der That privilegia (bb). In unſren Rechtsquellen dagegen iſt privilegium die regelmä- ßige Bezeichnung für das Jus singulare, und kommt dabey, wie oben bemerkt, in einer großen Zahl von Stellen vor. (z) L. 1 C. de adqu. poss. (7. 32.). L. 53 de adqu. rer. dom. (41. 1.). L. 15 de reb. cred. (12. 1.). (aa) Dieſe Rechte ſelbſt wer- den unten bey der Anwendung der Geſetze dargeſtellt werden. (bb) So in mehreren Stellen des Cicero (Ernesti v. privile- gium) Gellius X. 20. — Vgl. Dirkſen civiliſtiſche Abhandlun- gen B. 1 S. 246 fg. 5

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/121>, abgerufen am 07.05.2024.