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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 10. Absolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht.
dieses Jus singulare noch vollständiger zu entwickeln, so
erscheint es zuerst als rein positiv, und zwar meist so, daß
es auf den Willen eines bestimmten Gesetzgebers zurück-
geführt werden kann (w), in seltneren Fällen auch als
Erzeugniß uralter Nationalansicht, also ohne bekannten
Ursprung: so das Verbot der Schenkung zwischen Ehe-
gatten, welches auf sittlichen Ansichten, nicht auf einem
Rechtsprincip beruht (x). -- Ferner erscheint das anoma-
lische Recht zu dem regelmäßigen in dem logischen Ver-
hältniß einer Ausnahme zur Regel: allein dieses Verhält-
niß ist ein abgeleitetes, und das Wesen der Sache ist
darin nicht enthalten. -- Endlich erscheint das anomalische
Recht (was schon in seinem Character als einer Ausnahme
liegt) stets als beschränkt auf gewisse Klassen von Perso-
nen, Sachen, oder Rechtsgeschäften: aber dieses Verhält-
niß ist zuvörderst ein unbestimmtes, da man den Begriff
solcher Klassen nach Belieben bilden kann, wie denn z. B.
das ganze Recht des Kaufs nur für die Klasse der Käu-
fer und Verkäufer gilt: es ist ferner, so wie das vorher
erwähnte Ausnahmeverhältniß, ein untergeordnetes, und
ganz irrig haben Viele das Wesen des Jus singulare
hierin gesetzt. Wäre dieses der Fall, so müßte man auch
den Satz umkehren können, und jedes Recht besonderer
Klassen müßte stets ein Jus singulare seyn, was aber
durchaus nicht angenommen werden darf. So z. B. geht

(w) "Auctoritate constituen-
tium"
s. d. Note q.
(x) L. 1 de don. int. vir.
(24. 1.).

§. 10. Abſolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht.
dieſes Jus singulare noch vollſtändiger zu entwickeln, ſo
erſcheint es zuerſt als rein poſitiv, und zwar meiſt ſo, daß
es auf den Willen eines beſtimmten Geſetzgebers zurück-
geführt werden kann (w), in ſeltneren Fällen auch als
Erzeugniß uralter Nationalanſicht, alſo ohne bekannten
Urſprung: ſo das Verbot der Schenkung zwiſchen Ehe-
gatten, welches auf ſittlichen Anſichten, nicht auf einem
Rechtsprincip beruht (x). — Ferner erſcheint das anoma-
liſche Recht zu dem regelmäßigen in dem logiſchen Ver-
hältniß einer Ausnahme zur Regel: allein dieſes Verhält-
niß iſt ein abgeleitetes, und das Weſen der Sache iſt
darin nicht enthalten. — Endlich erſcheint das anomaliſche
Recht (was ſchon in ſeinem Character als einer Ausnahme
liegt) ſtets als beſchränkt auf gewiſſe Klaſſen von Perſo-
nen, Sachen, oder Rechtsgeſchäften: aber dieſes Verhält-
niß iſt zuvörderſt ein unbeſtimmtes, da man den Begriff
ſolcher Klaſſen nach Belieben bilden kann, wie denn z. B.
das ganze Recht des Kaufs nur für die Klaſſe der Käu-
fer und Verkäufer gilt: es iſt ferner, ſo wie das vorher
erwähnte Ausnahmeverhältniß, ein untergeordnetes, und
ganz irrig haben Viele das Weſen des Jus singulare
hierin geſetzt. Wäre dieſes der Fall, ſo müßte man auch
den Satz umkehren können, und jedes Recht beſonderer
Klaſſen müßte ſtets ein Jus singulare ſeyn, was aber
durchaus nicht angenommen werden darf. So z. B. geht

(w) „Auctoritate constituen-
tium”
ſ. d. Note q.
(x) L. 1 de don. int. vir.
(24. 1.).
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[63/0119] §. 10. Abſolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht. dieſes Jus singulare noch vollſtändiger zu entwickeln, ſo erſcheint es zuerſt als rein poſitiv, und zwar meiſt ſo, daß es auf den Willen eines beſtimmten Geſetzgebers zurück- geführt werden kann (w), in ſeltneren Fällen auch als Erzeugniß uralter Nationalanſicht, alſo ohne bekannten Urſprung: ſo das Verbot der Schenkung zwiſchen Ehe- gatten, welches auf ſittlichen Anſichten, nicht auf einem Rechtsprincip beruht (x). — Ferner erſcheint das anoma- liſche Recht zu dem regelmäßigen in dem logiſchen Ver- hältniß einer Ausnahme zur Regel: allein dieſes Verhält- niß iſt ein abgeleitetes, und das Weſen der Sache iſt darin nicht enthalten. — Endlich erſcheint das anomaliſche Recht (was ſchon in ſeinem Character als einer Ausnahme liegt) ſtets als beſchränkt auf gewiſſe Klaſſen von Perſo- nen, Sachen, oder Rechtsgeſchäften: aber dieſes Verhält- niß iſt zuvörderſt ein unbeſtimmtes, da man den Begriff ſolcher Klaſſen nach Belieben bilden kann, wie denn z. B. das ganze Recht des Kaufs nur für die Klaſſe der Käu- fer und Verkäufer gilt: es iſt ferner, ſo wie das vorher erwähnte Ausnahmeverhältniß, ein untergeordnetes, und ganz irrig haben Viele das Weſen des Jus singulare hierin geſetzt. Wäre dieſes der Fall, ſo müßte man auch den Satz umkehren können, und jedes Recht beſonderer Klaſſen müßte ſtets ein Jus singulare ſeyn, was aber durchaus nicht angenommen werden darf. So z. B. geht (w) „Auctoritate constituen- tium” ſ. d. Note q. (x) L. 1 de don. int. vir. (24. 1.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/119>, abgerufen am 21.11.2024.