§. 16. Absolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht.
nöthig, damit nicht einseitige Meynung und Willkühr das lebendig waltende und fortschreitende Recht verdränge. Hier vorzüglich ist dem Gesetzgeber der Sinn für wahre Freyheit wichtig, der oft bey denen am meisten vermißt wird, die ihn vor Anderen im Munde führen.
§. 16. Absolutes und vermittelndes, regelmäßiges und anomalisches Recht.
Bey der Betrachtung der Bestandtheile des objectiven Rechts finden wir zwey Gegensätze, die schon an diesem Ort dargestellt werden müssen, weil sie von mannichfalti- gem Einflnß auf die nachfolgenden Lehren sind.
Erwägt man erstlich das Verhältniß, in welchem die Rechtsregeln zu den durch sie beherrschten Rechtsverhält- nissen stehen (§ 5), so findet sich darin folgende Verschie- denheit. -- Ein Theil derselben soll herrschen mit unab- änderlicher Nothwendigkeit, ohne der individuellen Will- kühr Spielraum zu lassen: ich nenne sie absolute oder gebietende Rechtsregeln. Der Grund dieser Nothwen- digkeit kann liegen in der Natur des Rechtsorganismus selbst, so wie er sich in diesem positiven Recht darstellt: oder in politischen und staatswirthschaftlichen Zwecken: oder auch unmittelbar in sittlichen Rücksichten (§ 15). -- Ein anderer Theil läßt zunächst dem individuellen Willen freye Macht, und nur wo dieser unterlassen hat seine Macht auszuüben, tritt die Rechtsregel an seine Stelle,
§. 16. Abſolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht.
nöthig, damit nicht einſeitige Meynung und Willkühr das lebendig waltende und fortſchreitende Recht verdränge. Hier vorzüglich iſt dem Geſetzgeber der Sinn für wahre Freyheit wichtig, der oft bey denen am meiſten vermißt wird, die ihn vor Anderen im Munde führen.
§. 16. Abſolutes und vermittelndes, regelmäßiges und anomaliſches Recht.
Bey der Betrachtung der Beſtandtheile des objectiven Rechts finden wir zwey Gegenſätze, die ſchon an dieſem Ort dargeſtellt werden müſſen, weil ſie von mannichfalti- gem Einflnß auf die nachfolgenden Lehren ſind.
Erwägt man erſtlich das Verhältniß, in welchem die Rechtsregeln zu den durch ſie beherrſchten Rechtsverhält- niſſen ſtehen (§ 5), ſo findet ſich darin folgende Verſchie- denheit. — Ein Theil derſelben ſoll herrſchen mit unab- änderlicher Nothwendigkeit, ohne der individuellen Will- kühr Spielraum zu laſſen: ich nenne ſie abſolute oder gebietende Rechtsregeln. Der Grund dieſer Nothwen- digkeit kann liegen in der Natur des Rechtsorganismus ſelbſt, ſo wie er ſich in dieſem poſitiven Recht darſtellt: oder in politiſchen und ſtaatswirthſchaftlichen Zwecken: oder auch unmittelbar in ſittlichen Rückſichten (§ 15). — Ein anderer Theil läßt zunächſt dem individuellen Willen freye Macht, und nur wo dieſer unterlaſſen hat ſeine Macht auszuüben, tritt die Rechtsregel an ſeine Stelle,
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§. 16. Abſolutes u. vermittelndes, regelmäß. u. anomal. Recht.
nöthig, damit nicht einſeitige Meynung und Willkühr das
lebendig waltende und fortſchreitende Recht verdränge.
Hier vorzüglich iſt dem Geſetzgeber der Sinn für wahre
Freyheit wichtig, der oft bey denen am meiſten vermißt
wird, die ihn vor Anderen im Munde führen.
§. 16.
Abſolutes und vermittelndes, regelmäßiges und
anomaliſches Recht.
Bey der Betrachtung der Beſtandtheile des objectiven
Rechts finden wir zwey Gegenſätze, die ſchon an dieſem
Ort dargeſtellt werden müſſen, weil ſie von mannichfalti-
gem Einflnß auf die nachfolgenden Lehren ſind.
Erwägt man erſtlich das Verhältniß, in welchem die
Rechtsregeln zu den durch ſie beherrſchten Rechtsverhält-
niſſen ſtehen (§ 5), ſo findet ſich darin folgende Verſchie-
denheit. — Ein Theil derſelben ſoll herrſchen mit unab-
änderlicher Nothwendigkeit, ohne der individuellen Will-
kühr Spielraum zu laſſen: ich nenne ſie abſolute oder
gebietende Rechtsregeln. Der Grund dieſer Nothwen-
digkeit kann liegen in der Natur des Rechtsorganismus
ſelbſt, ſo wie er ſich in dieſem poſitiven Recht darſtellt:
oder in politiſchen und ſtaatswirthſchaftlichen Zwecken:
oder auch unmittelbar in ſittlichen Rückſichten (§ 15). —
Ein anderer Theil läßt zunächſt dem individuellen Willen
freye Macht, und nur wo dieſer unterlaſſen hat ſeine
Macht auszuüben, tritt die Rechtsregel an ſeine Stelle,
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/113>, abgerufen am 25.11.2024.
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