Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen. es hat auch in der That die Welt umgewandelt, so daßalle unsre Gedanken, so fremd, ja feindlich sie demselben scheinen mögen, dennoch von ihm beherrscht und durch- drungen sind. Durch diese Anerkennung eines allgemei- nen Zieles wird keinesweges das Recht in ein weiteres Gebiet aufgelöst und seines selbstständigen Daseyns be- raubt: es erscheint vielmehr als ein ganz eigenthümliches Element in der Reihe der Bedingungen jener allgemeinen Aufgabe, in seinem Gebiet herrscht es unumschränkt, und es erhält nur seine höhere Wahrheit durch jene Ver- knüpfung mit dem Ganzen. Mit der Annahme jenes Einen Zieles aber genügt es völlig, und es ist keineswe- ges nöthig, demselben ein ganz verschiedenes zweytes, unter dem Namen des öffentlichen Wohles, an die Seite zu setzen: außer dem sittlichen Princip ein davon unab- hängiges staatswirthschaftliches aufzunehmen. Denn indem dieses auf Erweiterung unsrer Herrschaft über die Natur hinstrebt, kann es nur die Mittel vermehren und veredlen wollen, wodurch die sittlichen Zwecke der menschlichen Natur zu erreichen sind. Ein neues Ziel aber ist darin nicht enthalten. Betrachten wir von diesem Standpunkt aus das posi- Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen. es hat auch in der That die Welt umgewandelt, ſo daßalle unſre Gedanken, ſo fremd, ja feindlich ſie demſelben ſcheinen mögen, dennoch von ihm beherrſcht und durch- drungen ſind. Durch dieſe Anerkennung eines allgemei- nen Zieles wird keinesweges das Recht in ein weiteres Gebiet aufgelöſt und ſeines ſelbſtſtändigen Daſeyns be- raubt: es erſcheint vielmehr als ein ganz eigenthümliches Element in der Reihe der Bedingungen jener allgemeinen Aufgabe, in ſeinem Gebiet herrſcht es unumſchränkt, und es erhält nur ſeine höhere Wahrheit durch jene Ver- knüpfung mit dem Ganzen. Mit der Annahme jenes Einen Zieles aber genügt es völlig, und es iſt keineswe- ges nöthig, demſelben ein ganz verſchiedenes zweytes, unter dem Namen des öffentlichen Wohles, an die Seite zu ſetzen: außer dem ſittlichen Princip ein davon unab- hängiges ſtaatswirthſchaftliches aufzunehmen. Denn indem dieſes auf Erweiterung unſrer Herrſchaft über die Natur hinſtrebt, kann es nur die Mittel vermehren und veredlen wollen, wodurch die ſittlichen Zwecke der menſchlichen Natur zu erreichen ſind. Ein neues Ziel aber iſt darin nicht enthalten. Betrachten wir von dieſem Standpunkt aus das poſi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0110" n="54"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Allg. Natur der Quellen.</fw><lb/> es hat auch in der That die Welt umgewandelt, ſo daß<lb/> alle unſre Gedanken, ſo fremd, ja feindlich ſie demſelben<lb/> ſcheinen mögen, dennoch von ihm beherrſcht und durch-<lb/> drungen ſind. Durch dieſe Anerkennung eines allgemei-<lb/> nen Zieles wird keinesweges das Recht in ein weiteres<lb/> Gebiet aufgelöſt und ſeines ſelbſtſtändigen Daſeyns be-<lb/> raubt: es erſcheint vielmehr als ein ganz eigenthümliches<lb/> Element in der Reihe der Bedingungen jener allgemeinen<lb/> Aufgabe, in ſeinem Gebiet herrſcht es unumſchränkt, und<lb/> es erhält nur ſeine höhere Wahrheit durch jene Ver-<lb/> knüpfung mit dem Ganzen. Mit der Annahme jenes<lb/> Einen Zieles aber genügt es völlig, und es iſt keineswe-<lb/> ges nöthig, demſelben ein ganz verſchiedenes zweytes,<lb/> unter dem Namen des öffentlichen Wohles, an die Seite<lb/> zu ſetzen: außer dem ſittlichen Princip ein davon unab-<lb/> hängiges ſtaatswirthſchaftliches aufzunehmen. Denn indem<lb/> dieſes auf Erweiterung unſrer Herrſchaft über die Natur<lb/> hinſtrebt, kann es nur die Mittel vermehren und veredlen<lb/> wollen, wodurch die ſittlichen Zwecke der menſchlichen<lb/> Natur zu erreichen ſind. Ein neues Ziel aber iſt darin<lb/> nicht enthalten.</p><lb/> <p>Betrachten wir von dieſem Standpunkt aus das poſi-<lb/> tive Recht beſtimmter Völker, ſo finden wir in deſſen Er-<lb/> zeugung großentheils beide Elemente des Rechts als gar<lb/> nicht verſchieden, ſondern als eine und dieſelbe, unge-<lb/> theilte, ſchaffende Kraft. Nicht ſelten aber treten beide<lb/> in einem beſtimmten Gegenſatz aus einander, bekämpfen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0110]
Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
es hat auch in der That die Welt umgewandelt, ſo daß
alle unſre Gedanken, ſo fremd, ja feindlich ſie demſelben
ſcheinen mögen, dennoch von ihm beherrſcht und durch-
drungen ſind. Durch dieſe Anerkennung eines allgemei-
nen Zieles wird keinesweges das Recht in ein weiteres
Gebiet aufgelöſt und ſeines ſelbſtſtändigen Daſeyns be-
raubt: es erſcheint vielmehr als ein ganz eigenthümliches
Element in der Reihe der Bedingungen jener allgemeinen
Aufgabe, in ſeinem Gebiet herrſcht es unumſchränkt, und
es erhält nur ſeine höhere Wahrheit durch jene Ver-
knüpfung mit dem Ganzen. Mit der Annahme jenes
Einen Zieles aber genügt es völlig, und es iſt keineswe-
ges nöthig, demſelben ein ganz verſchiedenes zweytes,
unter dem Namen des öffentlichen Wohles, an die Seite
zu ſetzen: außer dem ſittlichen Princip ein davon unab-
hängiges ſtaatswirthſchaftliches aufzunehmen. Denn indem
dieſes auf Erweiterung unſrer Herrſchaft über die Natur
hinſtrebt, kann es nur die Mittel vermehren und veredlen
wollen, wodurch die ſittlichen Zwecke der menſchlichen
Natur zu erreichen ſind. Ein neues Ziel aber iſt darin
nicht enthalten.
Betrachten wir von dieſem Standpunkt aus das poſi-
tive Recht beſtimmter Völker, ſo finden wir in deſſen Er-
zeugung großentheils beide Elemente des Rechts als gar
nicht verſchieden, ſondern als eine und dieſelbe, unge-
theilte, ſchaffende Kraft. Nicht ſelten aber treten beide
in einem beſtimmten Gegenſatz aus einander, bekämpfen
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