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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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das Beste können sie meist nicht sagen, so daß sie oft
kein individuelles Bild geben, während ihr Stoff
höchst individuell ist. Beyspiele sind die schon ange-
führten Gesetze des Mittelalters, und wenn wir die
zwölf Tafeln ganz vor uns hätten, würden wir viel-
leicht nur in geringerem Grade etwas ähnliches em-
pfinden. In sinkenden Zeiten dagegen fehlt es meist
an allem, an Kenntniß des Stoffs wie an Sprache.
Also bleibt nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige,
welche gerade für das Recht, obgleich nicht nothwen-
dig auch in anderer Rücksicht, als Gipfel der Bil-
dung gelten kann. Allein eine solche Zeit hat für
sich selbst nicht das Bedürfniß eines Gesetzbuchs; sie
würde es nur veranstalten können für eine folgende
schlechtere Zeit, gleichsam Wintervorräthe sammlend.
Zu einer solchen Vorsorge aber für Kinder und Enkel
ist selten ein Zeitalter aufgelegt.


das Beſte können ſie meiſt nicht ſagen, ſo daß ſie oft
kein individuelles Bild geben, während ihr Stoff
höchſt individuell iſt. Beyſpiele ſind die ſchon ange-
führten Geſetze des Mittelalters, und wenn wir die
zwölf Tafeln ganz vor uns hätten, würden wir viel-
leicht nur in geringerem Grade etwas ähnliches em-
pfinden. In ſinkenden Zeiten dagegen fehlt es meiſt
an allem, an Kenntniß des Stoffs wie an Sprache.
Alſo bleibt nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige,
welche gerade für das Recht, obgleich nicht nothwen-
dig auch in anderer Rückſicht, als Gipfel der Bil-
dung gelten kann. Allein eine ſolche Zeit hat für
ſich ſelbſt nicht das Bedürfniß eines Geſetzbuchs; ſie
würde es nur veranſtalten können für eine folgende
ſchlechtere Zeit, gleichſam Wintervorräthe ſammlend.
Zu einer ſolchen Vorſorge aber für Kinder und Enkel
iſt ſelten ein Zeitalter aufgelegt.


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[26/0036] das Beſte können ſie meiſt nicht ſagen, ſo daß ſie oft kein individuelles Bild geben, während ihr Stoff höchſt individuell iſt. Beyſpiele ſind die ſchon ange- führten Geſetze des Mittelalters, und wenn wir die zwölf Tafeln ganz vor uns hätten, würden wir viel- leicht nur in geringerem Grade etwas ähnliches em- pfinden. In ſinkenden Zeiten dagegen fehlt es meiſt an allem, an Kenntniß des Stoffs wie an Sprache. Alſo bleibt nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige, welche gerade für das Recht, obgleich nicht nothwen- dig auch in anderer Rückſicht, als Gipfel der Bil- dung gelten kann. Allein eine ſolche Zeit hat für ſich ſelbſt nicht das Bedürfniß eines Geſetzbuchs; ſie würde es nur veranſtalten können für eine folgende ſchlechtere Zeit, gleichſam Wintervorräthe ſammlend. Zu einer ſolchen Vorſorge aber für Kinder und Enkel iſt ſelten ein Zeitalter aufgelegt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/36>, abgerufen am 28.03.2024.