Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

einleuchtend, daß ein eigenthümliches wissenschaftliches
Leben aus ihnen nicht entspringen kann, und daß
sich auch neben ihnen wissenschaftlicher Geist nur in
dem Maaße lebendig erhalten wird, als die geschicht-
lichen Quellen dieser Gesetzbücher selbst fortwährend
Gegenstand aller juristischen Studien bleiben. Der-
selbe Fall aber müßte unfehlbar eintreten, wenn wir
ein Gesetzbuch für Deutschland aufstellen wollten.
Thibaut, welcher dieses anräth, will, wie sich bey
ihm von selbst versteht, nicht die Wissenschaftlichkeit
aufheben, vielmehr hofft er gerade für diese großen
Gewinn. Welches nun die Basis der künftigen
Rechtsstudien seyn soll, ob (wie in Preußen) die al-
ten Quellen, oder (wie in Frankreich und Oester-
reich) das neue Gesetzbuch selbst, sagt er nicht deut-
lich, doch scheint mehr das letzte seine Meynung 1).
Ist aber dieses der Fall, so fordere ich jeden auf,
bey sich zu erwägen, ob auf eines der drey schon vorhan-
denen neuen Gesetzbücher, unabhängig von den Quel-
len des bisherigen Rechts und dieser Gesetzbücher selbst,
eine wirklich lebendige Rechtswissenschaft möglicher-
weise gegründet werden könne. Wer aber dieses
nicht für möglich erkennt, der kann es auch nicht
für das vorgeschlagene Gesetzbuch behaupten. Denn
ich halte es, aus den oben entwickelten Gründen,
für ganz unmöglich, daß dasselbe von den bisheri-

1) Thibaut a. a. O., S. 29--32.
K 2

einleuchtend, daß ein eigenthümliches wiſſenſchaftliches
Leben aus ihnen nicht entſpringen kann, und daß
ſich auch neben ihnen wiſſenſchaftlicher Geiſt nur in
dem Maaße lebendig erhalten wird, als die geſchicht-
lichen Quellen dieſer Geſetzbücher ſelbſt fortwährend
Gegenſtand aller juriſtiſchen Studien bleiben. Der-
ſelbe Fall aber müßte unfehlbar eintreten, wenn wir
ein Geſetzbuch für Deutſchland aufſtellen wollten.
Thibaut, welcher dieſes anräth, will, wie ſich bey
ihm von ſelbſt verſteht, nicht die Wiſſenſchaftlichkeit
aufheben, vielmehr hofft er gerade für dieſe großen
Gewinn. Welches nun die Baſis der künftigen
Rechtsſtudien ſeyn ſoll, ob (wie in Preußen) die al-
ten Quellen, oder (wie in Frankreich und Oeſter-
reich) das neue Geſetzbuch ſelbſt, ſagt er nicht deut-
lich, doch ſcheint mehr das letzte ſeine Meynung 1).
Iſt aber dieſes der Fall, ſo fordere ich jeden auf,
bey ſich zu erwägen, ob auf eines der drey ſchon vorhan-
denen neuen Geſetzbücher, unabhängig von den Quel-
len des bisherigen Rechts und dieſer Geſetzbücher ſelbſt,
eine wirklich lebendige Rechtswiſſenſchaft möglicher-
weiſe gegründet werden könne. Wer aber dieſes
nicht für möglich erkennt, der kann es auch nicht
für das vorgeſchlagene Geſetzbuch behaupten. Denn
ich halte es, aus den oben entwickelten Gründen,
für ganz unmöglich, daß daſſelbe von den bisheri-

1) Thibaut a. a. O., S. 29—32.
K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="147"/>
einleuchtend, daß ein eigenthümliches wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliches<lb/>
Leben aus ihnen nicht ent&#x017F;pringen kann, und daß<lb/>
&#x017F;ich auch neben ihnen wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Gei&#x017F;t nur in<lb/>
dem Maaße lebendig erhalten wird, als die ge&#x017F;chicht-<lb/>
lichen Quellen die&#x017F;er Ge&#x017F;etzbücher &#x017F;elb&#x017F;t fortwährend<lb/>
Gegen&#x017F;tand aller juri&#x017F;ti&#x017F;chen Studien bleiben. Der-<lb/>
&#x017F;elbe Fall aber müßte unfehlbar eintreten, wenn wir<lb/>
ein Ge&#x017F;etzbuch für Deut&#x017F;chland auf&#x017F;tellen wollten.<lb/><hi rendition="#g">Thibaut</hi>, welcher die&#x017F;es anräth, will, wie &#x017F;ich bey<lb/>
ihm von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;teht, nicht die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichkeit<lb/>
aufheben, vielmehr hofft er gerade für die&#x017F;e großen<lb/>
Gewinn. Welches nun die Ba&#x017F;is der künftigen<lb/>
Rechts&#x017F;tudien &#x017F;eyn &#x017F;oll, ob (wie in Preußen) die al-<lb/>
ten Quellen, oder (wie in Frankreich und Oe&#x017F;ter-<lb/>
reich) das neue Ge&#x017F;etzbuch &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;agt er nicht deut-<lb/>
lich, doch &#x017F;cheint mehr das letzte &#x017F;eine Meynung <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Thibaut</hi> a. a. O., S. 29&#x2014;32.</note>.<lb/>
I&#x017F;t aber die&#x017F;es der Fall, &#x017F;o fordere ich jeden auf,<lb/>
bey &#x017F;ich zu erwägen, ob auf eines der drey &#x017F;chon vorhan-<lb/>
denen neuen Ge&#x017F;etzbücher, unabhängig von den Quel-<lb/>
len des bisherigen Rechts und die&#x017F;er Ge&#x017F;etzbücher &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
eine wirklich lebendige Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft möglicher-<lb/>
wei&#x017F;e gegründet werden könne. Wer aber die&#x017F;es<lb/>
nicht für möglich erkennt, der kann es auch nicht<lb/>
für das vorge&#x017F;chlagene Ge&#x017F;etzbuch behaupten. Denn<lb/>
ich halte es, aus den oben entwickelten Gründen,<lb/>
für ganz unmöglich, daß da&#x017F;&#x017F;elbe von den bisheri-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0157] einleuchtend, daß ein eigenthümliches wiſſenſchaftliches Leben aus ihnen nicht entſpringen kann, und daß ſich auch neben ihnen wiſſenſchaftlicher Geiſt nur in dem Maaße lebendig erhalten wird, als die geſchicht- lichen Quellen dieſer Geſetzbücher ſelbſt fortwährend Gegenſtand aller juriſtiſchen Studien bleiben. Der- ſelbe Fall aber müßte unfehlbar eintreten, wenn wir ein Geſetzbuch für Deutſchland aufſtellen wollten. Thibaut, welcher dieſes anräth, will, wie ſich bey ihm von ſelbſt verſteht, nicht die Wiſſenſchaftlichkeit aufheben, vielmehr hofft er gerade für dieſe großen Gewinn. Welches nun die Baſis der künftigen Rechtsſtudien ſeyn ſoll, ob (wie in Preußen) die al- ten Quellen, oder (wie in Frankreich und Oeſter- reich) das neue Geſetzbuch ſelbſt, ſagt er nicht deut- lich, doch ſcheint mehr das letzte ſeine Meynung 1). Iſt aber dieſes der Fall, ſo fordere ich jeden auf, bey ſich zu erwägen, ob auf eines der drey ſchon vorhan- denen neuen Geſetzbücher, unabhängig von den Quel- len des bisherigen Rechts und dieſer Geſetzbücher ſelbſt, eine wirklich lebendige Rechtswiſſenſchaft möglicher- weiſe gegründet werden könne. Wer aber dieſes nicht für möglich erkennt, der kann es auch nicht für das vorgeſchlagene Geſetzbuch behaupten. Denn ich halte es, aus den oben entwickelten Gründen, für ganz unmöglich, daß daſſelbe von den bisheri- 1) Thibaut a. a. O., S. 29—32. K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/157
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/157>, abgerufen am 24.11.2024.