dritten ist diese Wiederholung wiederum vorgeschrie- ben: was aber wohlgemerkt immer nur die Wieder- holung derselben Institutionen bey demselben Lehrer ist. Es wird nicht nöthig seyn, nach dem, was bis- her ausgeführt worden ist, noch besondere Gründe gegen diesen Studienplan vorzubringen; aber beson- ders merkwürdig ist der greifliche Zirkel, worin man sich befindet. Die Redactoren selbst haben oft er- klärt, daß der Code zur Anwendung nicht hinreiche, sondern für diese die Ergänzung durch Wissenschaft nothwendig sey. Und doch dreht sich der wissen- schaftliche Unterricht wieder ganz um den Code, denn das wenige Römische Recht ist gar nicht zu rechnen. Welches ist denn also die factische Grundlage dieser Wissenschaft? ohne Zweifel der Gerichtsgebrauch, der- selbe Gerichtsgebrauch, dessen Verschiedenheit aufzuhe- ben das wichtigste Bestreben schien, und der durch Auflösung der alten Gerichte und Vermischung ihrer Sprengel alle Haltung verloren hat! Daß nun ein solcher Zustand nicht stehen bleibt, sondern immer weiter rückwärts führt, ist handgreiflich. Es liegt in der Natur, daß in jedem Zeitalter der Zustand der Rechtswissenschaft durch den Werth desjenigen bestimmt wird, was dieses Zeitalter als nächstes Object des Studiums in der That (wenn gleich nicht immer den Worten nach) betrachtet und behandelt; stets wird die Rechtswissenschaft etwas und vielleicht viel tiefer stehen, als dieses Object. So z. B. hatten die ersten
dritten iſt dieſe Wiederholung wiederum vorgeſchrie- ben: was aber wohlgemerkt immer nur die Wieder- holung derſelben Inſtitutionen bey demſelben Lehrer iſt. Es wird nicht nöthig ſeyn, nach dem, was bis- her ausgeführt worden iſt, noch beſondere Gründe gegen dieſen Studienplan vorzubringen; aber beſon- ders merkwürdig iſt der greifliche Zirkel, worin man ſich befindet. Die Redactoren ſelbſt haben oft er- klärt, daß der Code zur Anwendung nicht hinreiche, ſondern für dieſe die Ergänzung durch Wiſſenſchaft nothwendig ſey. Und doch dreht ſich der wiſſen- ſchaftliche Unterricht wieder ganz um den Code, denn das wenige Römiſche Recht iſt gar nicht zu rechnen. Welches iſt denn alſo die factiſche Grundlage dieſer Wiſſenſchaft? ohne Zweifel der Gerichtsgebrauch, der- ſelbe Gerichtsgebrauch, deſſen Verſchiedenheit aufzuhe- ben das wichtigſte Beſtreben ſchien, und der durch Auflöſung der alten Gerichte und Vermiſchung ihrer Sprengel alle Haltung verloren hat! Daß nun ein ſolcher Zuſtand nicht ſtehen bleibt, ſondern immer weiter rückwärts führt, iſt handgreiflich. Es liegt in der Natur, daß in jedem Zeitalter der Zuſtand der Rechtswiſſenſchaft durch den Werth desjenigen beſtimmt wird, was dieſes Zeitalter als nächſtes Object des Studiums in der That (wenn gleich nicht immer den Worten nach) betrachtet und behandelt; ſtets wird die Rechtswiſſenſchaft etwas und vielleicht viel tiefer ſtehen, als dieſes Object. So z. B. hatten die erſten
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dritten iſt dieſe Wiederholung wiederum vorgeſchrie-
ben: was aber wohlgemerkt immer nur die Wieder-
holung derſelben Inſtitutionen bey demſelben Lehrer
iſt. Es wird nicht nöthig ſeyn, nach dem, was bis-
her ausgeführt worden iſt, noch beſondere Gründe
gegen dieſen Studienplan vorzubringen; aber beſon-
ders merkwürdig iſt der greifliche Zirkel, worin man
ſich befindet. Die Redactoren ſelbſt haben oft er-
klärt, daß der Code zur Anwendung nicht hinreiche,
ſondern für dieſe die Ergänzung durch Wiſſenſchaft
nothwendig ſey. Und doch dreht ſich der wiſſen-
ſchaftliche Unterricht wieder ganz um den Code, denn
das wenige Römiſche Recht iſt gar nicht zu rechnen.
Welches iſt denn alſo die factiſche Grundlage dieſer
Wiſſenſchaft? ohne Zweifel der Gerichtsgebrauch, der-
ſelbe Gerichtsgebrauch, deſſen Verſchiedenheit aufzuhe-
ben das wichtigſte Beſtreben ſchien, und der durch
Auflöſung der alten Gerichte und Vermiſchung ihrer
Sprengel alle Haltung verloren hat! Daß nun ein
ſolcher Zuſtand nicht ſtehen bleibt, ſondern immer
weiter rückwärts führt, iſt handgreiflich. Es liegt in
der Natur, daß in jedem Zeitalter der Zuſtand der
Rechtswiſſenſchaft durch den Werth desjenigen beſtimmt
wird, was dieſes Zeitalter als nächſtes Object des
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Worten nach) betrachtet und behandelt; ſtets wird
die Rechtswiſſenſchaft etwas und vielleicht viel tiefer
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/149>, abgerufen am 16.07.2024.
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