Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Studium unentbehrlich, sondern auch für ihre Fort-
bildung und Vervollkommung, die doch jeder für
nothwendig erkennen wird, er mag auch den Werth
derselben noch so hoch anschlagen. Denn die Gesetz-
bücher selbst sind auf theoretischem Wege entstanden,
und nur auf diesem Wege können sie mit Sicherheit
geprüft, gereinigt und vervollkommt werden. Für
diese Arbeit scheint ein bloßes Collegium von Geschäfts-
männern, die durch ihren Beruf und die Menge
übriger Arbeiten ihren lebendigen Verkehr mit der
Theorie zu beschränken genöthigt sind, nicht hinrei-
chend. Auch die fortgesetzte Prüfung des Gesetzbuchs
durch Achtsamkeit der Gerichte auf die Anwendung
ist zwar vortrefflich, aber nicht hinlänglich: viele
Mängel werden auf diesem Wege entdeckt werden
können, dennoch bleibt der Weg selbst zufällig, und
eben so viele Mängel können von ihm unberührt
bleiben. Die Thorie steht zur Praxis nicht ganz in
demselben Verhältniß, wie ein Rechnungsexempel zu
seiner Probe.

Es ist interessant, zu betrachten, wie man in
den Staaten, worin Gesetzbücher eingeführt sind, das
Studium angesehen und geordnet hat. Dabey mag
denn auch wieder der Zustand der Dinge in Frank-
reich, und zwar die gegenwärtige Einrichtung der Pa-
riser Rechtsschule, in Betracht kommen 1). Zu dieser

1) Ich benutze die handschriftliche und mündliche Mittheilung
eines Doctors dieser Rechtsschule.

Studium unentbehrlich, ſondern auch für ihre Fort-
bildung und Vervollkommung, die doch jeder für
nothwendig erkennen wird, er mag auch den Werth
derſelben noch ſo hoch anſchlagen. Denn die Geſetz-
bücher ſelbſt ſind auf theoretiſchem Wege entſtanden,
und nur auf dieſem Wege können ſie mit Sicherheit
geprüft, gereinigt und vervollkommt werden. Für
dieſe Arbeit ſcheint ein bloßes Collegium von Geſchäfts-
männern, die durch ihren Beruf und die Menge
übriger Arbeiten ihren lebendigen Verkehr mit der
Theorie zu beſchränken genöthigt ſind, nicht hinrei-
chend. Auch die fortgeſetzte Prüfung des Geſetzbuchs
durch Achtſamkeit der Gerichte auf die Anwendung
iſt zwar vortrefflich, aber nicht hinlänglich: viele
Mängel werden auf dieſem Wege entdeckt werden
können, dennoch bleibt der Weg ſelbſt zufällig, und
eben ſo viele Mängel können von ihm unberührt
bleiben. Die Thorie ſteht zur Praxis nicht ganz in
demſelben Verhältniß, wie ein Rechnungsexempel zu
ſeiner Probe.

Es iſt intereſſant, zu betrachten, wie man in
den Staaten, worin Geſetzbücher eingeführt ſind, das
Studium angeſehen und geordnet hat. Dabey mag
denn auch wieder der Zuſtand der Dinge in Frank-
reich, und zwar die gegenwärtige Einrichtung der Pa-
riſer Rechtsſchule, in Betracht kommen 1). Zu dieſer

1) Ich benutze die handſchriftliche und mündliche Mittheilung
eines Doctors dieſer Rechtsſchule.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0147" n="137"/>
Studium unentbehrlich, &#x017F;ondern auch für ihre Fort-<lb/>
bildung und Vervollkommung, die doch jeder für<lb/>
nothwendig erkennen wird, er mag auch den Werth<lb/>
der&#x017F;elben noch &#x017F;o hoch an&#x017F;chlagen. Denn die Ge&#x017F;etz-<lb/>
bücher &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind auf theoreti&#x017F;chem Wege ent&#x017F;tanden,<lb/>
und nur auf die&#x017F;em Wege können &#x017F;ie mit Sicherheit<lb/>
geprüft, gereinigt und vervollkommt werden. Für<lb/>
die&#x017F;e Arbeit &#x017F;cheint ein bloßes Collegium von Ge&#x017F;chäfts-<lb/>
männern, die durch ihren Beruf und die Menge<lb/>
übriger Arbeiten ihren lebendigen Verkehr mit der<lb/>
Theorie zu be&#x017F;chränken genöthigt &#x017F;ind, nicht hinrei-<lb/>
chend. Auch die fortge&#x017F;etzte Prüfung des Ge&#x017F;etzbuchs<lb/>
durch Acht&#x017F;amkeit der Gerichte auf die Anwendung<lb/>
i&#x017F;t zwar vortrefflich, aber nicht hinlänglich: viele<lb/>
Mängel werden auf die&#x017F;em Wege entdeckt werden<lb/>
können, dennoch bleibt der Weg &#x017F;elb&#x017F;t zufällig, und<lb/>
eben &#x017F;o viele Mängel können von ihm unberührt<lb/>
bleiben. Die Thorie &#x017F;teht zur Praxis nicht ganz in<lb/>
dem&#x017F;elben Verhältniß, wie ein Rechnungsexempel zu<lb/>
&#x017F;einer Probe.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant, zu betrachten, wie man in<lb/>
den Staaten, worin Ge&#x017F;etzbücher eingeführt &#x017F;ind, das<lb/>
Studium ange&#x017F;ehen und geordnet hat. Dabey mag<lb/>
denn auch wieder der Zu&#x017F;tand der Dinge in Frank-<lb/>
reich, und zwar die gegenwärtige Einrichtung der Pa-<lb/>
ri&#x017F;er Rechts&#x017F;chule, in Betracht kommen <note place="foot" n="1)">Ich benutze die hand&#x017F;chriftliche und mündliche Mittheilung<lb/>
eines Doctors die&#x017F;er Rechts&#x017F;chule.</note>. Zu die&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0147] Studium unentbehrlich, ſondern auch für ihre Fort- bildung und Vervollkommung, die doch jeder für nothwendig erkennen wird, er mag auch den Werth derſelben noch ſo hoch anſchlagen. Denn die Geſetz- bücher ſelbſt ſind auf theoretiſchem Wege entſtanden, und nur auf dieſem Wege können ſie mit Sicherheit geprüft, gereinigt und vervollkommt werden. Für dieſe Arbeit ſcheint ein bloßes Collegium von Geſchäfts- männern, die durch ihren Beruf und die Menge übriger Arbeiten ihren lebendigen Verkehr mit der Theorie zu beſchränken genöthigt ſind, nicht hinrei- chend. Auch die fortgeſetzte Prüfung des Geſetzbuchs durch Achtſamkeit der Gerichte auf die Anwendung iſt zwar vortrefflich, aber nicht hinlänglich: viele Mängel werden auf dieſem Wege entdeckt werden können, dennoch bleibt der Weg ſelbſt zufällig, und eben ſo viele Mängel können von ihm unberührt bleiben. Die Thorie ſteht zur Praxis nicht ganz in demſelben Verhältniß, wie ein Rechnungsexempel zu ſeiner Probe. Es iſt intereſſant, zu betrachten, wie man in den Staaten, worin Geſetzbücher eingeführt ſind, das Studium angeſehen und geordnet hat. Dabey mag denn auch wieder der Zuſtand der Dinge in Frank- reich, und zwar die gegenwärtige Einrichtung der Pa- riſer Rechtsſchule, in Betracht kommen 1). Zu dieſer 1) Ich benutze die handſchriftliche und mündliche Mittheilung eines Doctors dieſer Rechtsſchule.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/147
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/147>, abgerufen am 23.11.2024.