Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

führlichsten Werken über das Römische Recht seit
Jahrhunderten zum Grunde liegt. Wie nun die al-
ten Juristen zu studieren sind, läßt sich leicht sagen,
obgleich schwer ohne wirkliche Probe anschaulich ma-
chen: sie sollen nicht blos die Schule hüten, sondern
wieder belebt werden: wir sollen uns in sie hinein
lesen und denken, wie in andere mit Sinn gelesene
Schriftsteller, sollen ihnen ihre Weise ablernen, und
so dahin kommen, in ihrer Art und von ihrem Stand-
punkt aus selbst zu erfinden und so ihre unterbrochne
Arbeit in gewissem Sinne fortzusetzen. Daß dieses
möglich ist, gehört zu meinen lebendigsten Ueberzeu-
gungen. Die erste Bedingung dazu ist freylich eine
gründliche Rechtsgeschichte, und, was aus dieser folgt,
die völlige Gewöhnung, jeden Begriff und jeden Satz
sogleich von seinem geschichtlichen Standpunkte aus
anzusehen. Viel ist hierin noch zu leisten: aber wer
bedenkt, was unsre Rechtsgeschichte vor füuf und
zwanzig Jahren war, und wie vieles nun in Kennt-
niß und Behandlung, hauptsächlich durch Hugos
Verdienst, anders geworden ist, der kann auch für
die Folge den besten Hoffnungen Raum geben. Wer
nun auf diese Weise in den Quellen des Römischen
Rechts wahrhaft einheimisch geworden ist, dem wird
das Studium unsrer neuern juristischen Literatur, vom
Mittelalter bis auf uns herab, zwar noch Arbeit und
oft unerfreuliche Arbeit geben, aber er wird dadurch
nur noch seine Ansichten vervollständigen und auf

führlichſten Werken über das Römiſche Recht ſeit
Jahrhunderten zum Grunde liegt. Wie nun die al-
ten Juriſten zu ſtudieren ſind, läßt ſich leicht ſagen,
obgleich ſchwer ohne wirkliche Probe anſchaulich ma-
chen: ſie ſollen nicht blos die Schule hüten, ſondern
wieder belebt werden: wir ſollen uns in ſie hinein
leſen und denken, wie in andere mit Sinn geleſene
Schriftſteller, ſollen ihnen ihre Weiſe ablernen, und
ſo dahin kommen, in ihrer Art und von ihrem Stand-
punkt aus ſelbſt zu erfinden und ſo ihre unterbrochne
Arbeit in gewiſſem Sinne fortzuſetzen. Daß dieſes
möglich iſt, gehört zu meinen lebendigſten Ueberzeu-
gungen. Die erſte Bedingung dazu iſt freylich eine
gründliche Rechtsgeſchichte, und, was aus dieſer folgt,
die völlige Gewöhnung, jeden Begriff und jeden Satz
ſogleich von ſeinem geſchichtlichen Standpunkte aus
anzuſehen. Viel iſt hierin noch zu leiſten: aber wer
bedenkt, was unſre Rechtsgeſchichte vor füuf und
zwanzig Jahren war, und wie vieles nun in Kennt-
niß und Behandlung, hauptſächlich durch Hugos
Verdienſt, anders geworden iſt, der kann auch für
die Folge den beſten Hoffnungen Raum geben. Wer
nun auf dieſe Weiſe in den Quellen des Römiſchen
Rechts wahrhaft einheimiſch geworden iſt, dem wird
das Studium unſrer neuern juriſtiſchen Literatur, vom
Mittelalter bis auf uns herab, zwar noch Arbeit und
oft unerfreuliche Arbeit geben, aber er wird dadurch
nur noch ſeine Anſichten vervollſtändigen und auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="120"/>
führlich&#x017F;ten Werken über das Römi&#x017F;che Recht &#x017F;eit<lb/>
Jahrhunderten zum Grunde liegt. Wie nun die al-<lb/>
ten Juri&#x017F;ten zu &#x017F;tudieren &#x017F;ind, läßt &#x017F;ich leicht &#x017F;agen,<lb/>
obgleich &#x017F;chwer ohne wirkliche Probe an&#x017F;chaulich ma-<lb/>
chen: &#x017F;ie &#x017F;ollen nicht blos die Schule hüten, &#x017F;ondern<lb/>
wieder belebt werden: wir &#x017F;ollen uns in &#x017F;ie hinein<lb/>
le&#x017F;en und denken, wie in andere mit Sinn gele&#x017F;ene<lb/>
Schrift&#x017F;teller, &#x017F;ollen ihnen ihre Wei&#x017F;e ablernen, und<lb/>
&#x017F;o dahin kommen, in ihrer Art und von ihrem Stand-<lb/>
punkt aus &#x017F;elb&#x017F;t zu erfinden und &#x017F;o ihre unterbrochne<lb/>
Arbeit in gewi&#x017F;&#x017F;em Sinne fortzu&#x017F;etzen. Daß die&#x017F;es<lb/>
möglich i&#x017F;t, gehört zu meinen lebendig&#x017F;ten Ueberzeu-<lb/>
gungen. Die er&#x017F;te Bedingung dazu i&#x017F;t freylich eine<lb/>
gründliche Rechtsge&#x017F;chichte, und, was aus die&#x017F;er folgt,<lb/>
die völlige Gewöhnung, jeden Begriff und jeden Satz<lb/>
&#x017F;ogleich von &#x017F;einem ge&#x017F;chichtlichen Standpunkte aus<lb/>
anzu&#x017F;ehen. Viel i&#x017F;t hierin noch zu lei&#x017F;ten: aber wer<lb/>
bedenkt, was un&#x017F;re Rechtsge&#x017F;chichte vor füuf und<lb/>
zwanzig Jahren war, und wie vieles nun in Kennt-<lb/>
niß und Behandlung, haupt&#x017F;ächlich durch <hi rendition="#g">Hugos</hi><lb/>
Verdien&#x017F;t, anders geworden i&#x017F;t, der kann auch für<lb/>
die Folge den be&#x017F;ten Hoffnungen Raum geben. Wer<lb/>
nun auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e in den Quellen des Römi&#x017F;chen<lb/>
Rechts wahrhaft einheimi&#x017F;ch geworden i&#x017F;t, dem wird<lb/>
das Studium un&#x017F;rer neuern juri&#x017F;ti&#x017F;chen Literatur, vom<lb/>
Mittelalter bis auf uns herab, zwar noch Arbeit und<lb/>
oft unerfreuliche Arbeit geben, aber er wird dadurch<lb/>
nur noch &#x017F;eine An&#x017F;ichten vervoll&#x017F;tändigen und auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0130] führlichſten Werken über das Römiſche Recht ſeit Jahrhunderten zum Grunde liegt. Wie nun die al- ten Juriſten zu ſtudieren ſind, läßt ſich leicht ſagen, obgleich ſchwer ohne wirkliche Probe anſchaulich ma- chen: ſie ſollen nicht blos die Schule hüten, ſondern wieder belebt werden: wir ſollen uns in ſie hinein leſen und denken, wie in andere mit Sinn geleſene Schriftſteller, ſollen ihnen ihre Weiſe ablernen, und ſo dahin kommen, in ihrer Art und von ihrem Stand- punkt aus ſelbſt zu erfinden und ſo ihre unterbrochne Arbeit in gewiſſem Sinne fortzuſetzen. Daß dieſes möglich iſt, gehört zu meinen lebendigſten Ueberzeu- gungen. Die erſte Bedingung dazu iſt freylich eine gründliche Rechtsgeſchichte, und, was aus dieſer folgt, die völlige Gewöhnung, jeden Begriff und jeden Satz ſogleich von ſeinem geſchichtlichen Standpunkte aus anzuſehen. Viel iſt hierin noch zu leiſten: aber wer bedenkt, was unſre Rechtsgeſchichte vor füuf und zwanzig Jahren war, und wie vieles nun in Kennt- niß und Behandlung, hauptſächlich durch Hugos Verdienſt, anders geworden iſt, der kann auch für die Folge den beſten Hoffnungen Raum geben. Wer nun auf dieſe Weiſe in den Quellen des Römiſchen Rechts wahrhaft einheimiſch geworden iſt, dem wird das Studium unſrer neuern juriſtiſchen Literatur, vom Mittelalter bis auf uns herab, zwar noch Arbeit und oft unerfreuliche Arbeit geben, aber er wird dadurch nur noch ſeine Anſichten vervollſtändigen und auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/130
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/130>, abgerufen am 28.11.2024.