verschlungen habe: welche aber, weil ihm der Bauch zerberstet, lebendig, weiß und gläntzend von ihm wieder- kommen sey: welches er alsobald auf die Kirche deute- te, es stehe ihr eine schwere Verfolgung vor. Da er aber seine Beylage verloren, und zwey Jahr lang nicht wuste, wo sie hingekommen, trieb ihn der Traum an zum Gebet für sie, im Vertrauen, JEsus der getreue werde sie gewiß erretten und wiederbringen.
Nach Verfliessung zweyer Jahre vernahm er, seine Ma- rion sey in einem Wirthshaus eine gemeine Hure. Gleich fasset er den Muth, als ein kluger und vorsich- tiger und unverdrossener Jäger, dieses elende verscheuch- te Rehe wieder zu fahen, den Wölfen abzujagen, und in den Seilen der Liebe Christi auf die Berge Jsraels in Sicherheit zu bringen. Verkleidet sich in den Habit eines Römischen Hauptmanns, reitet hin bis er zu dem Gasthof kommt, kennet die arme, unselige Maria gleich, sie aber ihn nicht. Nach dem Nachtessen verlangt er sie bey sich zu haben, und versiehet sich mit Licht für die gantze Nacht. Da nun die Kammer verschlossen, er sich aufs Bett gesetzt, und sie ihn auskleiden wolte, hieß er sie neben sich sitzen, entblössete sein zuvor halb verhüll- tes Angesicht, sahe sie steiff an, und fragte sie: kennest du mich Maria? Hierauf sanck sie fast in Ohnmacht, weinete sehr, durffte ihre Augen nicht aufheben und sagte: ach mein lieber, theurer Oncle! was hab ich ge- than? was hab ich gethan? meine Sünde ist grösser, dann daß sie mir könne vergeben werden! ach ich bin ewig verloren! Der heilige Mann fragte sie: was hat dir dein JEsus zuleide gethan, daß du so treulos an Jhm geworden? wer hat dir ihn also verläumdet und ver- leidet, daß du von Jhm so weit weggeflohen, der Welt und Höllen zu? war dir dann nicht wohl bey mir? Hab ich dich doch mit dem Manna der göttlichen Lehre täg- lich aufs niedlichste gespeiset, und mit Honig aus dem Felsen des Heils gesättiget, auch ließ ich dir im Leibli- chen keinen Mangel: ich führete dich sanfft die Strasse gen Zion: ich schmückte dich mit den Geboten Christi als mit goldenen Ketten; ich zog dir an mit (Gebetern und Ermahnungen) den gantzen Brautschmuck der gött- lichen Tugenden JEsu; ich sparte keine Mühe, dich mit Perlen und Edelgesteinen der Gaben des heiligen Gei- stes wohl zu versehen, damit du eine wohl anständige Braut des Königes aller Könige würdest. Ey wer hat dich denn dergestalt bezaubert, daß du dich von allem Guten abgewandt, dem schändlichen Satan nach? Kehre um, mein liebes Kind! dein JEsus hat mich dir nach-
ge-
Anhang zum dritten Theil,
verſchlungen habe: welche aber, weil ihm der Bauch zerberſtet, lebendig, weiß und glaͤntzend von ihm wieder- kommen ſey: welches er alſobald auf die Kirche deute- te, es ſtehe ihr eine ſchwere Verfolgung vor. Da er aber ſeine Beylage verloren, und zwey Jahr lang nicht wuſte, wo ſie hingekommen, trieb ihn der Traum an zum Gebet fuͤr ſie, im Vertrauen, JEſus der getreue werde ſie gewiß erretten und wiederbringen.
Nach Verflieſſung zweyer Jahre vernahm er, ſeine Ma- rion ſey in einem Wirthshaus eine gemeine Hure. Gleich faſſet er den Muth, als ein kluger und vorſich- tiger und unverdroſſener Jaͤger, dieſes elende verſcheuch- te Rehe wieder zu fahen, den Woͤlfen abzujagen, und in den Seilen der Liebe Chriſti auf die Berge Jſraels in Sicherheit zu bringen. Verkleidet ſich in den Habit eines Roͤmiſchen Hauptmanns, reitet hin bis er zu dem Gaſthof kommt, kennet die arme, unſelige Maria gleich, ſie aber ihn nicht. Nach dem Nachteſſen verlangt er ſie bey ſich zu haben, und verſiehet ſich mit Licht fuͤr die gantze Nacht. Da nun die Kammer verſchloſſen, er ſich aufs Bett geſetzt, und ſie ihn auskleiden wolte, hieß er ſie neben ſich ſitzen, entbloͤſſete ſein zuvor halb verhuͤll- tes Angeſicht, ſahe ſie ſteiff an, und fragte ſie: kenneſt du mich Maria? Hierauf ſanck ſie faſt in Ohnmacht, weinete ſehr, durffte ihre Augen nicht aufheben und ſagte: ach mein lieber, theurer Oncle! was hab ich ge- than? was hab ich gethan? meine Suͤnde iſt groͤſſer, dann daß ſie mir koͤnne vergeben werden! ach ich bin ewig verloren! Der heilige Mann fragte ſie: was hat dir dein JEſus zuleide gethan, daß du ſo treulos an Jhm geworden? wer hat dir ihn alſo verlaͤumdet und ver- leidet, daß du von Jhm ſo weit weggeflohen, der Welt und Hoͤllen zu? war dir dann nicht wohl bey mir? Hab ich dich doch mit dem Manna der goͤttlichen Lehre taͤg- lich aufs niedlichſte geſpeiſet, und mit Honig aus dem Felſen des Heils geſaͤttiget, auch ließ ich dir im Leibli- chen keinen Mangel: ich fuͤhrete dich ſanfft die Straſſe gen Zion: ich ſchmuͤckte dich mit den Geboten Chriſti als mit goldenen Ketten; ich zog dir an mit (Gebetern und Ermahnungen) den gantzen Brautſchmuck der goͤtt- lichen Tugenden JEſu; ich ſparte keine Muͤhe, dich mit Perlen und Edelgeſteinen der Gaben des heiligen Gei- ſtes wohl zu verſehen, damit du eine wohl anſtaͤndige Braut des Koͤniges aller Koͤnige wuͤrdeſt. Ey wer hat dich denn dergeſtalt bezaubert, daß du dich von allem Guten abgewandt, dem ſchaͤndlichen Satan nach? Kehre um, mein liebes Kind! dein JEſus hat mich dir nach-
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Anhang zum dritten Theil,
verſchlungen habe: welche aber, weil ihm der Bauch
zerberſtet, lebendig, weiß und glaͤntzend von ihm wieder-
kommen ſey: welches er alſobald auf die Kirche deute-
te, es ſtehe ihr eine ſchwere Verfolgung vor. Da er
aber ſeine Beylage verloren, und zwey Jahr lang nicht
wuſte, wo ſie hingekommen, trieb ihn der Traum an
zum Gebet fuͤr ſie, im Vertrauen, JEſus der getreue
werde ſie gewiß erretten und wiederbringen.
Nach Verflieſſung zweyer Jahre vernahm er, ſeine Ma-
rion ſey in einem Wirthshaus eine gemeine Hure.
Gleich faſſet er den Muth, als ein kluger und vorſich-
tiger und unverdroſſener Jaͤger, dieſes elende verſcheuch-
te Rehe wieder zu fahen, den Woͤlfen abzujagen, und in
den Seilen der Liebe Chriſti auf die Berge Jſraels in
Sicherheit zu bringen. Verkleidet ſich in den Habit
eines Roͤmiſchen Hauptmanns, reitet hin bis er zu dem
Gaſthof kommt, kennet die arme, unſelige Maria gleich,
ſie aber ihn nicht. Nach dem Nachteſſen verlangt er
ſie bey ſich zu haben, und verſiehet ſich mit Licht fuͤr die
gantze Nacht. Da nun die Kammer verſchloſſen, er ſich
aufs Bett geſetzt, und ſie ihn auskleiden wolte, hieß er
ſie neben ſich ſitzen, entbloͤſſete ſein zuvor halb verhuͤll-
tes Angeſicht, ſahe ſie ſteiff an, und fragte ſie: kenneſt
du mich Maria? Hierauf ſanck ſie faſt in Ohnmacht,
weinete ſehr, durffte ihre Augen nicht aufheben und
ſagte: ach mein lieber, theurer Oncle! was hab ich ge-
than? was hab ich gethan? meine Suͤnde iſt groͤſſer,
dann daß ſie mir koͤnne vergeben werden! ach ich bin
ewig verloren! Der heilige Mann fragte ſie: was hat
dir dein JEſus zuleide gethan, daß du ſo treulos an Jhm
geworden? wer hat dir ihn alſo verlaͤumdet und ver-
leidet, daß du von Jhm ſo weit weggeflohen, der Welt
und Hoͤllen zu? war dir dann nicht wohl bey mir? Hab
ich dich doch mit dem Manna der goͤttlichen Lehre taͤg-
lich aufs niedlichſte geſpeiſet, und mit Honig aus dem
Felſen des Heils geſaͤttiget, auch ließ ich dir im Leibli-
chen keinen Mangel: ich fuͤhrete dich ſanfft die Straſſe
gen Zion: ich ſchmuͤckte dich mit den Geboten Chriſti
als mit goldenen Ketten; ich zog dir an mit (Gebetern
und Ermahnungen) den gantzen Brautſchmuck der goͤtt-
lichen Tugenden JEſu; ich ſparte keine Muͤhe, dich mit
Perlen und Edelgeſteinen der Gaben des heiligen Gei-
ſtes wohl zu verſehen, damit du eine wohl anſtaͤndige
Braut des Koͤniges aller Koͤnige wuͤrdeſt. Ey wer hat
dich denn dergeſtalt bezaubert, daß du dich von allem
Guten abgewandt, dem ſchaͤndlichen Satan nach? Kehre
um, mein liebes Kind! dein JEſus hat mich dir nach-
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/670>, abgerufen am 22.11.2024.
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