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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.

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Quellen der Unreinigkeit.
Schatten, einen erdichteten Traum, der öfters nicht
einmal eine Wahrscheinlichkeit hat. Und ists nicht
gleichwol vor GOtt und der Vernunft höchstunverant-
wortlich, daß ein Mensch der Verstand hat, nach dem
Dunst und Schatten erdichteter Gedancken greift, um
Klugheit daraus zu lernen: da er doch in der Historie
so viel realer Zeugnisse so wol von göttlicher Regierung,
Macht, Weisheit, Güte und Gerechtigkeit, als von
menschlicher Thorheit und derselben jämmerlichen Be-
straffung schritt vor Schritt antreffen kann?
8) Weil sie eine stete und gewaltige Reitzung sind zu ver-
liebten Phantasien, und zu einem melancholischen Müs-
siggang; mithin zu einer gantz eigenen Seelenpla-
ge,
welche besonders in Gemüthern, die etwas empfind-
lich sind, und sich eine Sache zu lebhaft vorstellen, er-
staunliche Würckungen nach sich ziehen kann. Jch kenne ei-
nen Menschen, der in seinem 18ten Jahre in einem Ro-
man, der unter die besten gezehlet wird, etliche Stun-
den lang gelesen, und durch darin vorgestellte Chimären
und Leidenschaften dergestalt eingenommen worden, daß
er als halb verrückt alle Arbeit muste liegen lassen, ja
so gar weder essen noch schlaffen konte; sondern sich bey
steter Vorstellung dieser thörichten Schatten in die kräf-
tigste Begierde gesetzt fand, solche abentheuerliche Be-
gebenheiten doch selbsten zu erfahren. Heißt das nicht
ein armes Gemüthe recht zum besten haben, wenn mans
mit solchen süssen Träumen in solche Finsternisse und
Quaal der Seelen hineinbringet? Aber die Paßion der
Liebe regieret den gantzen Roman gerade durch; darauf
beziehen sich alle Gespräche und alle Vorstellungen: und
wenn dis Hauptmeisterstück in der Roman zu sparsam
angebracht würde: so würde es für einen grossen Fehler
geachtet. Dis, dis sind just die allergefährlichsten Le-
ctiones für die Jugend, die zu allen Thorheiten und
Bosheiten Thür und Thor öfnen. Was ists doch nö-
thig, Paßionen, die ohnehin nur allzuviel Gewalt in
jungen Gemüthern haben, und welche sie, wo sie sich
nicht um ihre Wohlfahrt bringen wollen, mit Macht be-
streiten müssen, erst durch Bücher zu nähren und in einen
stärckeren Trieb zu bringen?
9) Weil kein kräftiger Mittel ist, das gantze Gemüth
des Menschen zu verderben,
und es so gar zu dem
gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Leben, und den
Bedienungen, deren man in der Republic nöthig hat,
unbrauchbar zu machen, als die Romans. Sie können
den Verstand mit so viel Einbildungen unmöglicher und
abentheuerlicher Dinge, mit so viel kindischen Vorstel-
lun-
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Quellen der Unreinigkeit.
Schatten, einen erdichteten Traum, der oͤfters nicht
einmal eine Wahrſcheinlichkeit hat. Und iſts nicht
gleichwol vor GOtt und der Vernunft hoͤchſtunverant-
wortlich, daß ein Menſch der Verſtand hat, nach dem
Dunſt und Schatten erdichteter Gedancken greift, um
Klugheit daraus zu lernen: da er doch in der Hiſtorie
ſo viel realer Zeugniſſe ſo wol von goͤttlicher Regierung,
Macht, Weisheit, Guͤte und Gerechtigkeit, als von
menſchlicher Thorheit und derſelben jaͤmmerlichen Be-
ſtraffung ſchritt vor Schritt antreffen kann?
8) Weil ſie eine ſtete und gewaltige Reitzung ſind zu ver-
liebten Phantaſien, und zu einem melancholiſchen Muͤſ-
ſiggang; mithin zu einer gantz eigenen Seelenpla-
ge,
welche beſonders in Gemuͤthern, die etwas empfind-
lich ſind, und ſich eine Sache zu lebhaft vorſtellen, er-
ſtaunliche Wuͤrckungen nach ſich ziehen kann. Jch kenne ei-
nen Menſchen, der in ſeinem 18ten Jahre in einem Ro-
man, der unter die beſten gezehlet wird, etliche Stun-
den lang geleſen, und durch darin vorgeſtellte Chimaͤren
und Leidenſchaften dergeſtalt eingenommen worden, daß
er als halb verruͤckt alle Arbeit muſte liegen laſſen, ja
ſo gar weder eſſen noch ſchlaffen konte; ſondern ſich bey
ſteter Vorſtellung dieſer thoͤrichten Schatten in die kraͤf-
tigſte Begierde geſetzt fand, ſolche abentheuerliche Be-
gebenheiten doch ſelbſten zu erfahren. Heißt das nicht
ein armes Gemuͤthe recht zum beſten haben, wenn mans
mit ſolchen ſuͤſſen Traͤumen in ſolche Finſterniſſe und
Quaal der Seelen hineinbringet? Aber die Paßion der
Liebe regieret den gantzen Roman gerade durch; darauf
beziehen ſich alle Geſpraͤche und alle Vorſtellungen: und
wenn dis Hauptmeiſterſtuͤck in der Roman zu ſparſam
angebracht wuͤrde: ſo wuͤrde es fuͤr einen groſſen Fehler
geachtet. Dis, dis ſind juſt die allergefaͤhrlichſten Le-
ctiones fuͤr die Jugend, die zu allen Thorheiten und
Bosheiten Thuͤr und Thor oͤfnen. Was iſts doch noͤ-
thig, Paßionen, die ohnehin nur allzuviel Gewalt in
jungen Gemuͤthern haben, und welche ſie, wo ſie ſich
nicht um ihre Wohlfahrt bringen wollen, mit Macht be-
ſtreiten muͤſſen, erſt durch Buͤcher zu naͤhren und in einen
ſtaͤrckeren Trieb zu bringen?
9) Weil kein kraͤftiger Mittel iſt, das gantze Gemuͤth
des Menſchen zu verderben,
und es ſo gar zu dem
geſellſchaftlichen und gemeinſchaftlichen Leben, und den
Bedienungen, deren man in der Republic noͤthig hat,
unbrauchbar zu machen, als die Romans. Sie koͤnnen
den Verſtand mit ſo viel Einbildungen unmoͤglicher und
abentheuerlicher Dinge, mit ſo viel kindiſchen Vorſtel-
lun-
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[579/0599] Quellen der Unreinigkeit. Schatten, einen erdichteten Traum, der oͤfters nicht einmal eine Wahrſcheinlichkeit hat. Und iſts nicht gleichwol vor GOtt und der Vernunft hoͤchſtunverant- wortlich, daß ein Menſch der Verſtand hat, nach dem Dunſt und Schatten erdichteter Gedancken greift, um Klugheit daraus zu lernen: da er doch in der Hiſtorie ſo viel realer Zeugniſſe ſo wol von goͤttlicher Regierung, Macht, Weisheit, Guͤte und Gerechtigkeit, als von menſchlicher Thorheit und derſelben jaͤmmerlichen Be- ſtraffung ſchritt vor Schritt antreffen kann? 8) Weil ſie eine ſtete und gewaltige Reitzung ſind zu ver- liebten Phantaſien, und zu einem melancholiſchen Muͤſ- ſiggang; mithin zu einer gantz eigenen Seelenpla- ge, welche beſonders in Gemuͤthern, die etwas empfind- lich ſind, und ſich eine Sache zu lebhaft vorſtellen, er- ſtaunliche Wuͤrckungen nach ſich ziehen kann. Jch kenne ei- nen Menſchen, der in ſeinem 18ten Jahre in einem Ro- man, der unter die beſten gezehlet wird, etliche Stun- den lang geleſen, und durch darin vorgeſtellte Chimaͤren und Leidenſchaften dergeſtalt eingenommen worden, daß er als halb verruͤckt alle Arbeit muſte liegen laſſen, ja ſo gar weder eſſen noch ſchlaffen konte; ſondern ſich bey ſteter Vorſtellung dieſer thoͤrichten Schatten in die kraͤf- tigſte Begierde geſetzt fand, ſolche abentheuerliche Be- gebenheiten doch ſelbſten zu erfahren. Heißt das nicht ein armes Gemuͤthe recht zum beſten haben, wenn mans mit ſolchen ſuͤſſen Traͤumen in ſolche Finſterniſſe und Quaal der Seelen hineinbringet? Aber die Paßion der Liebe regieret den gantzen Roman gerade durch; darauf beziehen ſich alle Geſpraͤche und alle Vorſtellungen: und wenn dis Hauptmeiſterſtuͤck in der Roman zu ſparſam angebracht wuͤrde: ſo wuͤrde es fuͤr einen groſſen Fehler geachtet. Dis, dis ſind juſt die allergefaͤhrlichſten Le- ctiones fuͤr die Jugend, die zu allen Thorheiten und Bosheiten Thuͤr und Thor oͤfnen. Was iſts doch noͤ- thig, Paßionen, die ohnehin nur allzuviel Gewalt in jungen Gemuͤthern haben, und welche ſie, wo ſie ſich nicht um ihre Wohlfahrt bringen wollen, mit Macht be- ſtreiten muͤſſen, erſt durch Buͤcher zu naͤhren und in einen ſtaͤrckeren Trieb zu bringen? 9) Weil kein kraͤftiger Mittel iſt, das gantze Gemuͤth des Menſchen zu verderben, und es ſo gar zu dem geſellſchaftlichen und gemeinſchaftlichen Leben, und den Bedienungen, deren man in der Republic noͤthig hat, unbrauchbar zu machen, als die Romans. Sie koͤnnen den Verſtand mit ſo viel Einbildungen unmoͤglicher und abentheuerlicher Dinge, mit ſo viel kindiſchen Vorſtel- lun- O o 2

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Zitationshilfe: Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/599>, abgerufen am 22.11.2024.