GOtt hat seinem Volck verheissen, wann es seiner Stimme gehorchen würde, so wolle er auch sein Wasser segnen. 5 Mos. 23, 25. Wo man sich beyzeiten eine nüchterne, gesunde Lebensart an- gewöhnete, so würde der Geist aufgeräumter seyn und bleiben; der Leib wäre auch stärcker, und zu allen vorfallenden Geschäften munterer: wie es die seligen Patriarchen und Propheten erfahren, die eine schlechte, einfältige, ungekünstelte Nahrung gebrauchten. Allein wann dagegen die Lebens- lampe durch überflüßigen Gebrauch von Wein, Thee, Caffee, und niedlichen Speisen in eine allzu starcke Flamme gesetzt wird: so wird das Lebens- öl desto eher verzehret. Ein gelindes Feuer be- hält alles beysammen: ein starckes aber macht den Kessel überlauffen. Eben also verstäubert die Er- hitzung des Geblütes die Lebensgeister, daß sie ver- fliegen, und verderben, folglich der Mensch desto eher ins Grab stürtzen muß. weil er die Unordnung der Lebensgeschäfte nicht verhütet, und sich aus dem Gleichgewicht der allezeit sanft fliessenden Lebens- säfte setzet. Es gehet hierinn mit der Unkeusch- heit just so wie mit dem Zorn: man befindet sich freylich anfangs bey dem Aufbrausen stärcker als son- sten zuseyn, bald darauf aber wird man desto schwä- cher am Leib und Geist; eben wie es bey der fal- lenden Sucht hergehet, oder in den hitzigen Fiebern und Raserey. Alle Uebermaß bringet das Blut in einen zwar kurtz angenehmen aber sehr schädli- chen Jäst. Cogita semper castitatem periclitari in deliciis, humilitatem in divitiis, pietatem in negotiis, sagt Bernhardus.
Jn einer berühmten Handelsstadt wohnete unfern von ei- nem reichen Kaufmann ein alter gottseliger armer Bür- ger in einem Keller; der, ob er wol nichts hatte als was er mit seinen schwachen Händen und geringer Hand- thierung verdienete, und sich mit schlechten Speisen nach
sol-
Anhang zum dritten Theil,
GOtt hat ſeinem Volck verheiſſen, wann es ſeiner Stimme gehorchen wuͤrde, ſo wolle er auch ſein Waſſer ſegnen. 5 Moſ. 23, 25. Wo man ſich beyzeiten eine nuͤchterne, geſunde Lebensart an- gewoͤhnete, ſo wuͤrde der Geiſt aufgeraͤumter ſeyn und bleiben; der Leib waͤre auch ſtaͤrcker, und zu allen vorfallenden Geſchaͤften munterer: wie es die ſeligen Patriarchen und Propheten erfahren, die eine ſchlechte, einfaͤltige, ungekuͤnſtelte Nahrung gebrauchten. Allein wann dagegen die Lebens- lampe durch uͤberfluͤßigen Gebrauch von Wein, Thee, Caffee, und niedlichen Speiſen in eine allzu ſtarcke Flamme geſetzt wird: ſo wird das Lebens- oͤl deſto eher verzehret. Ein gelindes Feuer be- haͤlt alles beyſammen: ein ſtarckes aber macht den Keſſel uͤberlauffen. Eben alſo verſtaͤubert die Er- hitzung des Gebluͤtes die Lebensgeiſter, daß ſie ver- fliegen, und verderben, folglich der Menſch deſto eher ins Grab ſtuͤrtzen muß. weil er die Unordnung der Lebensgeſchaͤfte nicht verhuͤtet, und ſich aus dem Gleichgewicht der allezeit ſanft flieſſenden Lebens- ſaͤfte ſetzet. Es gehet hierinn mit der Unkeuſch- heit juſt ſo wie mit dem Zorn: man befindet ſich fꝛeylich anfangs bey dem Aufbrauſen ſtaͤrcker als ſon- ſten zuſeyn, bald darauf aber wird man deſto ſchwaͤ- cher am Leib und Geiſt; eben wie es bey der fal- lenden Sucht hergehet, oder in den hitzigen Fiebern und Raſerey. Alle Uebermaß bringet das Blut in einen zwar kurtz angenehmen aber ſehr ſchaͤdli- chen Jaͤſt. Cogita ſemper caſtitatem periclitari in deliciis, humilitatem in divitiis, pietatem in negotiis, ſagt Bernhardus.
Jn einer beruͤhmten Handelsſtadt wohnete unfern von ei- nem reichen Kaufmann ein alter gottſeliger armer Buͤr- ger in einem Keller; der, ob er wol nichts hatte als was er mit ſeinen ſchwachen Haͤnden und geringer Hand- thierung verdienete, und ſich mit ſchlechten Speiſen nach
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Anhang zum dritten Theil,
GOtt hat ſeinem Volck verheiſſen, wann es
ſeiner Stimme gehorchen wuͤrde, ſo wolle er auch
ſein Waſſer ſegnen. 5 Moſ. 23, 25. Wo man
ſich beyzeiten eine nuͤchterne, geſunde Lebensart an-
gewoͤhnete, ſo wuͤrde der Geiſt aufgeraͤumter ſeyn
und bleiben; der Leib waͤre auch ſtaͤrcker, und zu
allen vorfallenden Geſchaͤften munterer: wie es die
ſeligen Patriarchen und Propheten erfahren, die
eine ſchlechte, einfaͤltige, ungekuͤnſtelte Nahrung
gebrauchten. Allein wann dagegen die Lebens-
lampe durch uͤberfluͤßigen Gebrauch von Wein,
Thee, Caffee, und niedlichen Speiſen in eine allzu
ſtarcke Flamme geſetzt wird: ſo wird das Lebens-
oͤl deſto eher verzehret. Ein gelindes Feuer be-
haͤlt alles beyſammen: ein ſtarckes aber macht den
Keſſel uͤberlauffen. Eben alſo verſtaͤubert die Er-
hitzung des Gebluͤtes die Lebensgeiſter, daß ſie ver-
fliegen, und verderben, folglich der Menſch deſto
eher ins Grab ſtuͤrtzen muß. weil er die Unordnung
der Lebensgeſchaͤfte nicht verhuͤtet, und ſich aus dem
Gleichgewicht der allezeit ſanft flieſſenden Lebens-
ſaͤfte ſetzet. Es gehet hierinn mit der Unkeuſch-
heit juſt ſo wie mit dem Zorn: man befindet ſich
fꝛeylich anfangs bey dem Aufbrauſen ſtaͤrcker als ſon-
ſten zuſeyn, bald darauf aber wird man deſto ſchwaͤ-
cher am Leib und Geiſt; eben wie es bey der fal-
lenden Sucht hergehet, oder in den hitzigen Fiebern
und Raſerey. Alle Uebermaß bringet das Blut
in einen zwar kurtz angenehmen aber ſehr ſchaͤdli-
chen Jaͤſt. Cogita ſemper caſtitatem periclitari in
deliciis, humilitatem in divitiis, pietatem in negotiis,
ſagt Bernhardus.
Jn einer beruͤhmten Handelsſtadt wohnete unfern von ei-
nem reichen Kaufmann ein alter gottſeliger armer Buͤr-
ger in einem Keller; der, ob er wol nichts hatte als
was er mit ſeinen ſchwachen Haͤnden und geringer Hand-
thierung verdienete, und ſich mit ſchlechten Speiſen nach
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/572>, abgerufen am 26.11.2024.
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