den, oder auch zu tode hungern; es soll dennoch nicht helfen, wofern die Seele unzüchtig bleibet. Wie der Baum, so die Frucht. Wie der Jnnwohner des Hauses, so auch sein Haus; wie der Regent, so ist der Unterthan. Jn welchem Leibe eine schmu- tzige und unflätige Seele wohnet, wie kann derselbe keusch und züchtig gemacht werden? alle Künste und Kräfte der Welt reichen da nicht zu. Darum sa- gen die Medici auch mit Recht: Temperamenta sequuntur mores. das ist: pflantze dir einen guten Baum, so hast du gute Früchte: Mache, daß das Temperament deiner Seele unter GOtt stehe, und vor ihm recht sey: so wird sich das Temperament des Leibes auch schon geben, mithin auch der gantze Wandel Dis ist zum voraus, aber recht gründ- lich zu mercken.
2) Gleichwol aber ists auch unläugbar, und braucht keines Erweises, daß die natürlicheDisposition des Cörpers zu einer Sünde mehr als zur an- dern reitzen und gereitzt werden kann. Ein vollblütiger saftiger und munterer Leib, in welchem die secretiones aller humorum reichlicher geschehen, wird natürlicher weise ex turgescente semine (da- fern die Wege, ihn genugsam wieder ins Geblüt zu- rück zu führen, nicht zureichen) mehr Reitzungen zur Wohllust sühlen müssen, wenn er starck gefüttert wird, als ein hagerer, alter, erschöpfter oder kränck- licher Cörper. Daher sich die Menschen schon vor- längst den Generaldeckmantel ihrer Sünden und Ueppigkeiten gemacht haben: Mores sequuntur tem- peramenta, das ist: wie das Temperament, so die Sitten; oder wie es einige gotteslästerlich grob ge- ben: warum hat mich GOtt so gemacht? mein Tem- perament bringts so mit sich. Gerade als wenn ein Trunckenbold spräche: Warum hat mir GOtt einen Magen gegeben? Jch kann nun nicht anders, ich muß ihn voll giessen und voll stopfen. (Und der Unmensch bedenckt nicht, daß er ohne Magen ster-
ben
wieder die Unreinigkeit.
den, oder auch zu tode hungern; es ſoll dennoch nicht helfen, wofern die Seele unzuͤchtig bleibet. Wie der Baum, ſo die Frucht. Wie der Jnnwohner des Hauſes, ſo auch ſein Haus; wie der Regent, ſo iſt der Unterthan. Jn welchem Leibe eine ſchmu- tzige und unflaͤtige Seele wohnet, wie kann derſelbe keuſch und zuͤchtig gemacht werden? alle Kuͤnſte und Kraͤfte der Welt reichen da nicht zu. Darum ſa- gen die Medici auch mit Recht: Temperamenta ſequuntur mores. das iſt: pflantze dir einen guten Baum, ſo haſt du gute Fruͤchte: Mache, daß das Temperament deiner Seele unter GOtt ſtehe, und vor ihm recht ſey: ſo wird ſich das Temperament des Leibes auch ſchon geben, mithin auch der gantze Wandel Dis iſt zum voraus, aber recht gruͤnd- lich zu mercken.
2) Gleichwol aber iſts auch unlaͤugbar, und braucht keines Erweiſes, daß die natuͤrlicheDiſpoſition des Coͤrpers zu einer Suͤnde mehr als zur an- dern reitzen und gereitzt werden kann. Ein vollbluͤtiger ſaftiger und munterer Leib, in welchem die ſecretiones aller humorum reichlicher geſchehen, wird natuͤrlicher weiſe ex turgeſcente ſemine (da- fern die Wege, ihn genugſam wieder ins Gebluͤt zu- ruͤck zu fuͤhren, nicht zureichen) mehr Reitzungen zur Wohlluſt ſuͤhlen muͤſſen, wenn er ſtarck gefuͤttert wird, als ein hagerer, alter, erſchoͤpfter oder kraͤnck- licher Coͤrper. Daher ſich die Menſchen ſchon vor- laͤngſt den Generaldeckmantel ihrer Suͤnden und Ueppigkeiten gemacht haben: Mores ſequuntur tem- peramenta, das iſt: wie das Temperament, ſo die Sitten; oder wie es einige gotteslaͤſterlich grob ge- ben: warum hat mich GOtt ſo gemacht? mein Tem- perament bringts ſo mit ſich. Gerade als wenn ein Trunckenbold ſpraͤche: Warum hat mir GOtt einen Magen gegeben? Jch kann nun nicht anders, ich muß ihn voll gieſſen und voll ſtopfen. (Und der Unmenſch bedenckt nicht, daß er ohne Magen ſter-
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wieder die Unreinigkeit.
den, oder auch zu tode hungern; es ſoll dennoch nicht
helfen, wofern die Seele unzuͤchtig bleibet. Wie
der Baum, ſo die Frucht. Wie der Jnnwohner
des Hauſes, ſo auch ſein Haus; wie der Regent,
ſo iſt der Unterthan. Jn welchem Leibe eine ſchmu-
tzige und unflaͤtige Seele wohnet, wie kann derſelbe
keuſch und zuͤchtig gemacht werden? alle Kuͤnſte und
Kraͤfte der Welt reichen da nicht zu. Darum ſa-
gen die Medici auch mit Recht: Temperamenta
ſequuntur mores. das iſt: pflantze dir einen guten
Baum, ſo haſt du gute Fruͤchte: Mache, daß das
Temperament deiner Seele unter GOtt ſtehe, und
vor ihm recht ſey: ſo wird ſich das Temperament
des Leibes auch ſchon geben, mithin auch der gantze
Wandel Dis iſt zum voraus, aber recht gruͤnd-
lich zu mercken.
2) Gleichwol aber iſts auch unlaͤugbar, und braucht
keines Erweiſes, daß die natuͤrliche Diſpoſition
des Coͤrpers zu einer Suͤnde mehr als zur an-
dern reitzen und gereitzt werden kann. Ein
vollbluͤtiger ſaftiger und munterer Leib, in welchem
die ſecretiones aller humorum reichlicher geſchehen,
wird natuͤrlicher weiſe ex turgeſcente ſemine (da-
fern die Wege, ihn genugſam wieder ins Gebluͤt zu-
ruͤck zu fuͤhren, nicht zureichen) mehr Reitzungen zur
Wohlluſt ſuͤhlen muͤſſen, wenn er ſtarck gefuͤttert
wird, als ein hagerer, alter, erſchoͤpfter oder kraͤnck-
licher Coͤrper. Daher ſich die Menſchen ſchon vor-
laͤngſt den Generaldeckmantel ihrer Suͤnden und
Ueppigkeiten gemacht haben: Mores ſequuntur tem-
peramenta, das iſt: wie das Temperament, ſo die
Sitten; oder wie es einige gotteslaͤſterlich grob ge-
ben: warum hat mich GOtt ſo gemacht? mein Tem-
perament bringts ſo mit ſich. Gerade als wenn
ein Trunckenbold ſpraͤche: Warum hat mir GOtt
einen Magen gegeben? Jch kann nun nicht anders,
ich muß ihn voll gieſſen und voll ſtopfen. (Und der
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/531>, abgerufen am 24.11.2024.
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