oder Einkehr und heiliger Betrachtung und Anhörung des Wortes der Wahrheit; wodurch denn der arme Mensch lau, zerstreuet und ungeschickt wird, die himm- lischen Süßigkeiten zu geniessen. Ja wann sich einer schon ins Paradieß aufschwingen wolte, und es das An- sehen hätte, es werde ihm dismal gelingen; so kommt die Unkeuschheit hinten drein, und stößt ihn wieder herunter wie eine Ente ins Wollustwasser. Wann man meint, man wolle jetzo seinen Mund frisch anse- tzen, und die reine Liebe GOttes aus der Gnaden- quelle lustig trincken: so ziehet die Unkeuschheit zurück, verwehret allen Umgang mit dem höchsten Gut, und läßt den armen Menschen nicht recht anwachsen an JEsum Christum, um sein lebendig Glied zu werden, und der Hut des heiligen Geistes in seinem stillen Tem- pel zu warten. Seufzet die Seele nach der Erneue- rung zum uranfänglichen Bilde GOttes, und vermeint allbereit einige Striche und Lineamente davon zu ha- ben: so kommt die Unkeuschheit daher, und verwüstet unversehens alles wieder. Es gehet eben wie in einem Garten, der voll Würmer ist: je köstlicher das Ge- wächs ist, so darinn gesäet wird; je ehender zerbeissen und verderben sie selbiges, so daß man fast nichts her- vor bringen kann.
§. 35.
Unkeuschheit ist ein dermassen ungezähmter Wust, daß sie auch keine Schamhaftigkeit um sich lei- den mag. Ja sie benimmt gar alle menschliche Ver- nunft. Hurerey eben sowol als Wein und Most machen toll. Hos. 4, 11. Wen die verfluchte Un- keuschheit in ihren Fesseln gefangen hält, der ist so we- nig aufzuhalten, daß er sich nicht in zeitlich und ewig Verderben stürtze, als die gadarenischen Schweine. Er opfert Haab und Gut, Ehre und Reputation, Stand und Amt, Weib, Mann und Kind, Leib, Le- ben, Seel, Gewissen, Himmel, Seligkeit, JEsum selbst, seine Gnad und sein Blut diesem Teufelsgötzen auf. Es mögen ihm Prediger, fromme Menschen, wohlmeinende und getreue Freunde und Verwandte
alle
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der Unreinigkeit
oder Einkehr und heiliger Betrachtung und Anhoͤrung des Wortes der Wahrheit; wodurch denn der arme Menſch lau, zerſtreuet und ungeſchickt wird, die himm- liſchen Suͤßigkeiten zu genieſſen. Ja wann ſich einer ſchon ins Paradieß aufſchwingen wolte, und es das An- ſehen haͤtte, es werde ihm dismal gelingen; ſo kommt die Unkeuſchheit hinten drein, und ſtoͤßt ihn wieder herunter wie eine Ente ins Wolluſtwaſſer. Wann man meint, man wolle jetzo ſeinen Mund friſch anſe- tzen, und die reine Liebe GOttes aus der Gnaden- quelle luſtig trincken: ſo ziehet die Unkeuſchheit zuruͤck, verwehret allen Umgang mit dem hoͤchſten Gut, und laͤßt den armen Menſchen nicht recht anwachſen an JEſum Chriſtum, um ſein lebendig Glied zu werden, und der Hut des heiligen Geiſtes in ſeinem ſtillen Tem- pel zu warten. Seufzet die Seele nach der Erneue- rung zum uranfaͤnglichen Bilde GOttes, und vermeint allbereit einige Striche und Lineamente davon zu ha- ben: ſo kommt die Unkeuſchheit daher, und verwuͤſtet unverſehens alles wieder. Es gehet eben wie in einem Garten, der voll Wuͤrmer iſt: je koͤſtlicher das Ge- waͤchs iſt, ſo darinn geſaͤet wird; je ehender zerbeiſſen und verderben ſie ſelbiges, ſo daß man faſt nichts her- vor bringen kann.
§. 35.
Unkeuſchheit iſt ein dermaſſen ungezaͤhmter Wuſt, daß ſie auch keine Schamhaftigkeit um ſich lei- den mag. Ja ſie benimmt gar alle menſchliche Ver- nunft. Hurerey eben ſowol als Wein und Moſt machen toll. Hoſ. 4, 11. Wen die verfluchte Un- keuſchheit in ihren Feſſeln gefangen haͤlt, der iſt ſo we- nig aufzuhalten, daß er ſich nicht in zeitlich und ewig Verderben ſtuͤrtze, als die gadareniſchen Schweine. Er opfert Haab und Gut, Ehre und Reputation, Stand und Amt, Weib, Mann und Kind, Leib, Le- ben, Seel, Gewiſſen, Himmel, Seligkeit, JEſum ſelbſt, ſeine Gnad und ſein Blut dieſem Teufelsgoͤtzen auf. Es moͤgen ihm Prediger, fromme Menſchen, wohlmeinende und getreue Freunde und Verwandte
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der Unreinigkeit
oder Einkehr und heiliger Betrachtung und Anhoͤrung
des Wortes der Wahrheit; wodurch denn der arme
Menſch lau, zerſtreuet und ungeſchickt wird, die himm-
liſchen Suͤßigkeiten zu genieſſen. Ja wann ſich einer
ſchon ins Paradieß aufſchwingen wolte, und es das An-
ſehen haͤtte, es werde ihm dismal gelingen; ſo kommt
die Unkeuſchheit hinten drein, und ſtoͤßt ihn wieder
herunter wie eine Ente ins Wolluſtwaſſer. Wann
man meint, man wolle jetzo ſeinen Mund friſch anſe-
tzen, und die reine Liebe GOttes aus der Gnaden-
quelle luſtig trincken: ſo ziehet die Unkeuſchheit zuruͤck,
verwehret allen Umgang mit dem hoͤchſten Gut, und
laͤßt den armen Menſchen nicht recht anwachſen an
JEſum Chriſtum, um ſein lebendig Glied zu werden,
und der Hut des heiligen Geiſtes in ſeinem ſtillen Tem-
pel zu warten. Seufzet die Seele nach der Erneue-
rung zum uranfaͤnglichen Bilde GOttes, und vermeint
allbereit einige Striche und Lineamente davon zu ha-
ben: ſo kommt die Unkeuſchheit daher, und verwuͤſtet
unverſehens alles wieder. Es gehet eben wie in einem
Garten, der voll Wuͤrmer iſt: je koͤſtlicher das Ge-
waͤchs iſt, ſo darinn geſaͤet wird; je ehender zerbeiſſen
und verderben ſie ſelbiges, ſo daß man faſt nichts her-
vor bringen kann.
§. 35.Unkeuſchheit iſt ein dermaſſen ungezaͤhmter
Wuſt, daß ſie auch keine Schamhaftigkeit um ſich lei-
den mag. Ja ſie benimmt gar alle menſchliche Ver-
nunft. Hurerey eben ſowol als Wein und Moſt
machen toll. Hoſ. 4, 11. Wen die verfluchte Un-
keuſchheit in ihren Feſſeln gefangen haͤlt, der iſt ſo we-
nig aufzuhalten, daß er ſich nicht in zeitlich und ewig
Verderben ſtuͤrtze, als die gadareniſchen Schweine.
Er opfert Haab und Gut, Ehre und Reputation,
Stand und Amt, Weib, Mann und Kind, Leib, Le-
ben, Seel, Gewiſſen, Himmel, Seligkeit, JEſum
ſelbſt, ſeine Gnad und ſein Blut dieſem Teufelsgoͤtzen
auf. Es moͤgen ihm Prediger, fromme Menſchen,
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/345>, abgerufen am 16.02.2025.
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