Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
(II. Th.) Theologische Betrachtung

Unkenschheit brachte Ruben um die Erstgeburt,
um die Cron, um das Priesterthum, und um die dop-
pelte Portion des Erbtheils; von welchem schweren
Sententz ihn seine Jugend nicht besreyte, ohnerachtet
er noch keine 24. Jahr alt war. 1 B. Mos. 35. Das
heißt abermal: o kurtze Freud! o langes Leid! Das
Vorrecht und die Herrlichkeit der Erstgebohrnen des
Lammes ist unbeschreiblich und unaussprechlich: und
pflegt dennoch durch eine säuische Lust verschertzet zu
werden, wie Ruben mit graufamer Angst und unsäg-
licher Wehmuth erfahren. Dieser Mensch hat seine
Schande und Schaden hernach nicht wieder einbrin-
gen können durch sein Wohlverhalten gegen Joseph,
1 B. Mos. 37, 22. Ja er ist auch seinem Vater
forthin zum Eckel worden, also daß er auch desselben
Bürgschaft für Benjamin nicht hat annehmen wollen,
1 B. Mos. 42, 37. Wie wirds erst der ewige GOtt
mit seinen Rechten der Erstgeburt halten? Ey welch
eine Ewigkeit des Jammers bringt ein so schnell vor-
beyfahrender Kitzel! wie freuet sich der höllische Scha-
denfroh, wann er die betrogene Seele laut und kläg-
lich, aber vergeblich ihre Thorheit beweinen siehet!

§. 34.

Unkenschheit versäuet den Geist mit gar-
stigen und unzüchtigen Fantaseyen. Das Unkraut des un-
flätigen Sinnes und Neigungen wächst mit so behender
Schnelligkeit hervor, daß man es wachsen siehet; die
Seele wimmelt von unkeuschen Einfällen mehr als
kein Bettler von Läusen; alle Winckel des Hertzens sind
erfüllet mit diesem höllischen Geschmeiß. Was ein
Unkeuscher siehet und höret, kann leicht ein Funcke
seyn, diesen Zunder anzufeuren; das Gedächtniß selbst
muß des Hurenteufels Dreckträger seyn, und die Seele
mit dem Dreck, den sie vorlängst hoffieret hat, immer
aufs neue besudeln und entehren, damit auch die Erin-
nerung einer genossenen Lust oderirgend eines Histörchens
durch widerholte Kitzelung die Seele aufs neue beflecke.
Die Unkeuschheit ist die unverschämteste Fliege, und
die allerfauleste Andachtstörerin, es sey im Gebet

oder
(II. Th.) Theologiſche Betrachtung

Unkenſchheit brachte Ruben um die Erſtgeburt,
um die Cron, um das Prieſterthum, und um die dop-
pelte Portion des Erbtheils; von welchem ſchweren
Sententz ihn ſeine Jugend nicht beſreyte, ohnerachtet
er noch keine 24. Jahr alt war. 1 B. Moſ. 35. Das
heißt abermal: o kurtze Freud! o langes Leid! Das
Vorrecht und die Herrlichkeit der Erſtgebohrnen des
Lammes iſt unbeſchreiblich und unausſprechlich: und
pflegt dennoch durch eine ſaͤuiſche Luſt verſchertzet zu
werden, wie Ruben mit graufamer Angſt und unſaͤg-
licher Wehmuth erfahren. Dieſer Menſch hat ſeine
Schande und Schaden hernach nicht wieder einbrin-
gen koͤnnen durch ſein Wohlverhalten gegen Joſeph,
1 B. Moſ. 37, 22. Ja er iſt auch ſeinem Vater
forthin zum Eckel worden, alſo daß er auch deſſelben
Buͤrgſchaft fuͤr Benjamin nicht hat annehmen wollen,
1 B. Moſ. 42, 37. Wie wirds erſt der ewige GOtt
mit ſeinen Rechten der Erſtgeburt halten? Ey welch
eine Ewigkeit des Jammers bringt ein ſo ſchnell vor-
beyfahrender Kitzel! wie freuet ſich der hoͤlliſche Scha-
denfroh, wann er die betrogene Seele laut und klaͤg-
lich, aber vergeblich ihre Thorheit beweinen ſiehet!

§. 34.

Unkenſchheit verſaͤuet den Geiſt mit gar-
ſtigen und unzuͤchtigen Fantaſeyen. Das Unkraut des un-
flaͤtigen Sinnes und Neigungen waͤchſt mit ſo behender
Schnelligkeit hervor, daß man es wachſen ſiehet; die
Seele wimmelt von unkeuſchen Einfaͤllen mehr als
kein Bettler von Laͤuſen; alle Winckel des Hertzens ſind
erfuͤllet mit dieſem hoͤlliſchen Geſchmeiß. Was ein
Unkeuſcher ſiehet und hoͤret, kann leicht ein Funcke
ſeyn, dieſen Zunder anzufeuren; das Gedaͤchtniß ſelbſt
muß des Hurenteufels Drecktraͤger ſeyn, und die Seele
mit dem Dreck, den ſie vorlaͤngſt hoffieret hat, immer
aufs neue beſudeln und entehren, damit auch die Erin-
nerung einer genoſſenen Luſt oderirgend eines Hiſtoͤrchens
durch widerholte Kitzelung die Seele aufs neue beflecke.
Die Unkeuſchheit iſt die unverſchaͤmteſte Fliege, und
die allerfauleſte Andachtſtoͤrerin, es ſey im Gebet

oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0344" n="324"/>
            <fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">II.</hi> Th.) <hi rendition="#b">Theologi&#x017F;che Betrachtung</hi></fw><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Unken&#x017F;chheit</hi> brachte Ruben um die Er&#x017F;tgeburt,<lb/>
um die Cron, um das Prie&#x017F;terthum, und um die dop-<lb/>
pelte Portion des Erbtheils; von welchem &#x017F;chweren<lb/>
Sententz ihn &#x017F;eine Jugend nicht be&#x017F;reyte, ohnerachtet<lb/>
er noch keine 24. Jahr alt war. 1 B. Mo&#x017F;. 35. Das<lb/>
heißt abermal: o kurtze Freud! o langes Leid! Das<lb/>
Vorrecht und die Herrlichkeit der Er&#x017F;tgebohrnen des<lb/>
Lammes i&#x017F;t unbe&#x017F;chreiblich und unaus&#x017F;prechlich: und<lb/>
pflegt dennoch durch eine &#x017F;a&#x0364;ui&#x017F;che Lu&#x017F;t ver&#x017F;chertzet zu<lb/>
werden, wie Ruben mit graufamer Ang&#x017F;t und un&#x017F;a&#x0364;g-<lb/>
licher Wehmuth erfahren. Die&#x017F;er Men&#x017F;ch hat &#x017F;eine<lb/>
Schande und Schaden hernach nicht wieder einbrin-<lb/>
gen ko&#x0364;nnen durch &#x017F;ein Wohlverhalten gegen Jo&#x017F;eph,<lb/>
1 B. Mo&#x017F;. 37, 22. Ja er i&#x017F;t auch &#x017F;einem Vater<lb/>
forthin zum Eckel worden, al&#x017F;o daß er auch de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
Bu&#x0364;rg&#x017F;chaft fu&#x0364;r Benjamin nicht hat annehmen wollen,<lb/>
1 B. Mo&#x017F;. 42, 37. Wie wirds er&#x017F;t der ewige GOtt<lb/>
mit &#x017F;einen Rechten der Er&#x017F;tgeburt halten? Ey welch<lb/>
eine Ewigkeit des Jammers bringt ein &#x017F;o &#x017F;chnell vor-<lb/>
beyfahrender Kitzel! wie freuet &#x017F;ich der ho&#x0364;lli&#x017F;che Scha-<lb/>
denfroh, wann er die betrogene Seele laut und kla&#x0364;g-<lb/>
lich, aber vergeblich ihre Thorheit beweinen &#x017F;iehet!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 34.</head>
            <p><hi rendition="#fr">Unken&#x017F;chheit ver&#x017F;a&#x0364;uet den Gei&#x017F;t</hi> mit gar-<lb/>
&#x017F;tigen und unzu&#x0364;chtigen Fanta&#x017F;eyen. Das Unkraut des un-<lb/>
fla&#x0364;tigen Sinnes und Neigungen wa&#x0364;ch&#x017F;t mit &#x017F;o behender<lb/>
Schnelligkeit hervor, daß man es wach&#x017F;en &#x017F;iehet; die<lb/>
Seele wimmelt von unkeu&#x017F;chen Einfa&#x0364;llen mehr als<lb/>
kein Bettler von La&#x0364;u&#x017F;en; alle Winckel des Hertzens &#x017F;ind<lb/>
erfu&#x0364;llet mit die&#x017F;em ho&#x0364;lli&#x017F;chen Ge&#x017F;chmeiß. Was ein<lb/>
Unkeu&#x017F;cher &#x017F;iehet und ho&#x0364;ret, kann leicht ein Funcke<lb/>
&#x017F;eyn, die&#x017F;en Zunder anzufeuren; das Geda&#x0364;chtniß &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
muß des Hurenteufels Drecktra&#x0364;ger &#x017F;eyn, und die Seele<lb/>
mit dem Dreck, den &#x017F;ie vorla&#x0364;ng&#x017F;t hoffieret hat, immer<lb/>
aufs neue be&#x017F;udeln und entehren, damit auch die Erin-<lb/>
nerung einer geno&#x017F;&#x017F;enen Lu&#x017F;t oderirgend eines Hi&#x017F;to&#x0364;rchens<lb/>
durch widerholte Kitzelung die Seele aufs neue beflecke.<lb/>
Die Unkeu&#x017F;chheit i&#x017F;t die unver&#x017F;cha&#x0364;mte&#x017F;te Fliege, und<lb/>
die allerfaule&#x017F;te Andacht&#x017F;to&#x0364;rerin, es &#x017F;ey im Gebet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0344] (II. Th.) Theologiſche Betrachtung Unkenſchheit brachte Ruben um die Erſtgeburt, um die Cron, um das Prieſterthum, und um die dop- pelte Portion des Erbtheils; von welchem ſchweren Sententz ihn ſeine Jugend nicht beſreyte, ohnerachtet er noch keine 24. Jahr alt war. 1 B. Moſ. 35. Das heißt abermal: o kurtze Freud! o langes Leid! Das Vorrecht und die Herrlichkeit der Erſtgebohrnen des Lammes iſt unbeſchreiblich und unausſprechlich: und pflegt dennoch durch eine ſaͤuiſche Luſt verſchertzet zu werden, wie Ruben mit graufamer Angſt und unſaͤg- licher Wehmuth erfahren. Dieſer Menſch hat ſeine Schande und Schaden hernach nicht wieder einbrin- gen koͤnnen durch ſein Wohlverhalten gegen Joſeph, 1 B. Moſ. 37, 22. Ja er iſt auch ſeinem Vater forthin zum Eckel worden, alſo daß er auch deſſelben Buͤrgſchaft fuͤr Benjamin nicht hat annehmen wollen, 1 B. Moſ. 42, 37. Wie wirds erſt der ewige GOtt mit ſeinen Rechten der Erſtgeburt halten? Ey welch eine Ewigkeit des Jammers bringt ein ſo ſchnell vor- beyfahrender Kitzel! wie freuet ſich der hoͤlliſche Scha- denfroh, wann er die betrogene Seele laut und klaͤg- lich, aber vergeblich ihre Thorheit beweinen ſiehet! §. 34.Unkenſchheit verſaͤuet den Geiſt mit gar- ſtigen und unzuͤchtigen Fantaſeyen. Das Unkraut des un- flaͤtigen Sinnes und Neigungen waͤchſt mit ſo behender Schnelligkeit hervor, daß man es wachſen ſiehet; die Seele wimmelt von unkeuſchen Einfaͤllen mehr als kein Bettler von Laͤuſen; alle Winckel des Hertzens ſind erfuͤllet mit dieſem hoͤlliſchen Geſchmeiß. Was ein Unkeuſcher ſiehet und hoͤret, kann leicht ein Funcke ſeyn, dieſen Zunder anzufeuren; das Gedaͤchtniß ſelbſt muß des Hurenteufels Drecktraͤger ſeyn, und die Seele mit dem Dreck, den ſie vorlaͤngſt hoffieret hat, immer aufs neue beſudeln und entehren, damit auch die Erin- nerung einer genoſſenen Luſt oderirgend eines Hiſtoͤrchens durch widerholte Kitzelung die Seele aufs neue beflecke. Die Unkeuſchheit iſt die unverſchaͤmteſte Fliege, und die allerfauleſte Andachtſtoͤrerin, es ſey im Gebet oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/344
Zitationshilfe: Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/344>, abgerufen am 17.05.2024.