Jsts denn nicht Liebe gewesen, daß der dreyeinige GOtt gleichsam nach geschehener Ueberlegung 1 B. Mos. 1, 26. sich entschlossen, den Menschen ihm selber ähnlich und nach seiner Gestalt gebildet zu formiren? wenn er ihn nun nach seinem Ebenbilde machen wolte, muste er ihm denn nicht Verstand und Willen geben, und in den Willen vor- nehmlich eine völlige Freyheit legen, zu wehlen und zu thun, was er wolte? Wenn der Mensch nicht eine solche Freyheit im Wollen hätte erlanget; sondern nur wie ein Klotz aus natürlichen Eigenschaften, oder wie ein Viehe aus natürlichem Triebe (und gleich- wol schon mit einiger Art der Freyheit) dieses oder jenes nothwendiger Weise hätte thun müs- sen: sagen Sie mir, ob er nach dem Eben- bilde GOttes wäre formiret gewesen? Da nun der Allerhöchste sobald angefangen hat, sich mit uns gleichsam gemein zu machen, und wolte uns Jhm selber gleichförmig haben; wir aber haben diesen Vorzug so schändlich wieder ihn gebrauchet, folglich uns selbst in den tiefsten Jammer gestürtzet: ey handeln wir bil- lig, wenn wir noch so scheel dazu sehen, daß er so gütig war; ist auch ohnerach- tet unsers abtrünnigen Abfalls doch noch so erbarmend mitleidig, und will uns wieder in alle Ewigkeit gnädig seyn? hat er nicht sein liebstes und höch- stes drauf gewendet, uns wieder zu re- stituiren?
So
(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit.
Jſts denn nicht Liebe geweſen, daß der dreyeinige GOtt gleichſam nach geſchehener Ueberlegung 1 B. Moſ. 1, 26. ſich entſchloſſen, den Menſchen ihm ſelber aͤhnlich und nach ſeiner Geſtalt gebildet zu formiren? wenn er ihn nun nach ſeinem Ebenbilde machen wolte, muſte er ihm denn nicht Verſtand und Willen geben, und in den Willen vor- nehmlich eine voͤllige Freyheit legen, zu wehlen und zu thun, was er wolte? Wenn der Menſch nicht eine ſolche Freyheit im Wollen haͤtte erlanget; ſondern nur wie ein Klotz aus natuͤrlichen Eigenſchaften, oder wie ein Viehe aus natuͤrlichem Triebe (und gleich- wol ſchon mit einiger Art der Freyheit) dieſes oder jenes nothwendiger Weiſe haͤtte thun muͤſ- ſen: ſagen Sie mir, ob er nach dem Eben- bilde GOttes waͤre formiret geweſen? Da nun der Allerhoͤchſte ſobald angefangen hat, ſich mit uns gleichſam gemein zu machen, und wolte uns Jhm ſelber gleichfoͤrmig haben; wir aber haben dieſen Vorzug ſo ſchaͤndlich wieder ihn gebrauchet, folglich uns ſelbſt in den tiefſten Jammer geſtuͤrtzet: ey handeln wir bil- lig, wenn wir noch ſo ſcheel dazu ſehen, daß er ſo guͤtig war; iſt auch ohnerach- tet unſers abtruͤnnigen Abfalls doch noch ſo erbarmend mitleidig, und will uns wieder in alle Ewigkeit gnaͤdig ſeyn? hat er nicht ſein liebſtes und hoͤch- ſtes drauf gewendet, uns wieder zu re- ſtituiren?
So
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(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit.
Jſts denn nicht Liebe geweſen, daß
der dreyeinige GOtt gleichſam nach geſchehener
Ueberlegung 1 B. Moſ. 1, 26. ſich entſchloſſen,
den Menſchen ihm ſelber aͤhnlich und
nach ſeiner Geſtalt gebildet zu formiren?
wenn er ihn nun nach ſeinem Ebenbilde machen
wolte, muſte er ihm denn nicht Verſtand
und Willen geben, und in den Willen vor-
nehmlich eine voͤllige Freyheit legen, zu
wehlen und zu thun, was er wolte?
Wenn der Menſch nicht eine ſolche Freyheit im
Wollen haͤtte erlanget; ſondern nur wie ein
Klotz aus natuͤrlichen Eigenſchaften, oder wie
ein Viehe aus natuͤrlichem Triebe (und gleich-
wol ſchon mit einiger Art der Freyheit) dieſes
oder jenes nothwendiger Weiſe haͤtte thun muͤſ-
ſen: ſagen Sie mir, ob er nach dem Eben-
bilde GOttes waͤre formiret geweſen?
Da nun der Allerhoͤchſte ſobald angefangen hat,
ſich mit uns gleichſam gemein zu machen, und
wolte uns Jhm ſelber gleichfoͤrmig haben; wir
aber haben dieſen Vorzug ſo ſchaͤndlich
wieder ihn gebrauchet, folglich uns ſelbſt in
den tiefſten Jammer geſtuͤrtzet: ey handeln wir bil-
lig, wenn wir noch ſo ſcheel dazu ſehen,
daß er ſo guͤtig war; iſt auch ohnerach-
tet unſers abtruͤnnigen Abfalls doch
noch ſo erbarmend mitleidig, und will
uns wieder in alle Ewigkeit gnaͤdig
ſeyn? hat er nicht ſein liebſtes und hoͤch-
ſtes drauf gewendet, uns wieder zu re-
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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