Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Betrachtung der Unreinigkeit.
Onans Sünde gelesen oder gehöret hatte, bis ich ohngefehr
vor 8. oder 9. Jahren, als ich noch in der Lehre war, Jhr
Buch sahe.

Nachdem ich solches gelesen hatte, gerieth ich in grosse
Gemüths-Bestürtzung, und bedurfte Hülfe an Seel und Lei-
be; wuste aber nicht, wie ich meinen Zustand iemanden vor-
stellen solte. Jch war immittelst einem grausamen Husten und
andern Uebligkeiten unterworfen, und wurde gantz klein
von Statur. Jch hatte Jhr Buch nicht lange gehabt, so
fand es iemand aus der Familie. Jch habe aber niemals
erfahren, wer es gewesen ist, durfte auch nicht darnach fra-
gen. Eine Zeitlang stritte ich scharf wieder diese Unart. Jch
versprach und gelobte an, ich wolte mich deren nicht mehr
schuldig machen, und gebrauchte alle Mittel, die ich erden-
cken konnte, diese Sünde zu verhüten; aber meine Neigung
dazu war so starck und gewaltig, daß es mir schwer fiel, mich
nur eine Woche davon zu enthalten. Und ich hatte hernach
das Unglück, etliche anzutreffen, welche eine natürliche Noth-
wendigkeit dieser Unart behaupteten; aber dessen ungeachtet
konnte ich nicht dahin gebracht werden, solches für keine
Sünde zu halten. Jch habe unterschiedene Versuche gethan,
meinen Zustand zu verändern, und mich in den Ehestand zu
begeben; bin aber allemal daran verhindert worden. Jch
schreibe nun in gröster Bedrängniß an Sie, mein Herr!
Mein Leib ist durch diese leichtfertige Gewohnheit gantz auf
die Neige gekommen. Jch habe lange Zeit einen heftigen
Husten gehabt, und will mich öfters erbrechen, kan aber we-
nig heraus bringen. Jch habe öfters Kopf- und Rücken-
schmertzen, und grosse Schwachheit in meinen Gliedern.
Der Kopf ist mir voller Dünste, und die Augen sind gantz
schwach und dunckel. Jch habe mich seither dieser garstigen
Gewohnheit lange nicht schuldig gemacht; welches ich aber
nicht sowol für eine Wirckung der Tugend als des Unver-
mögens ansehe. Mein Herr, Sie würden ein Werck der
Christlichen Liebe erweisen, wenn Sie so gut seyn, und mir
Jhren Rath so wol am Leibe als Gemüth ertheilen wolten.
Meine Umstände sind sehr gering; dafern ich aber iemals
vermögend werden solte, Jhnen Vergeltung zu thun, so wür-
de ich mich nicht undanckbar finden lassen. Jch muß ohne
einigen Beystand verderben, und ich weiß nicht, zu wem ich
mich in diesen traurigen und betrübten Umständen wenden
soll, wenn Sie mir Jhre Hülfe versagen. Jch bitte Sie
demnach um einer armen Seele willen, Sie wollen mir ei-
nigen Rath ertheilen, damit ich nicht in den verzweifelten
Zustand gerathen und schliessen muß, daß keine Hülfe für
mich übrig sey, und ich also verderben müsse. Sie verzeihen
meiner Ungestümigkeit. Sie rühret von der Empfindung

mei-
M 3

Betrachtung der Unreinigkeit.
Onans Suͤnde geleſen oder gehoͤret hatte, bis ich ohngefehr
vor 8. oder 9. Jahren, als ich noch in der Lehre war, Jhr
Buch ſahe.

Nachdem ich ſolches geleſen hatte, gerieth ich in groſſe
Gemuͤths-Beſtuͤrtzung, und bedurfte Huͤlfe an Seel und Lei-
be; wuſte aber nicht, wie ich meinen Zuſtand iemanden vor-
ſtellen ſolte. Jch war immittelſt einem grauſamen Huſten und
andern Uebligkeiten unterworfen, und wurde gantz klein
von Statur. Jch hatte Jhr Buch nicht lange gehabt, ſo
fand es iemand aus der Familie. Jch habe aber niemals
erfahren, wer es geweſen iſt, durfte auch nicht darnach fra-
gen. Eine Zeitlang ſtritte ich ſcharf wieder dieſe Unart. Jch
verſprach und gelobte an, ich wolte mich deren nicht mehr
ſchuldig machen, und gebrauchte alle Mittel, die ich erden-
cken konnte, dieſe Suͤnde zu verhuͤten; aber meine Neigung
dazu war ſo ſtarck und gewaltig, daß es mir ſchwer fiel, mich
nur eine Woche davon zu enthalten. Und ich hatte hernach
das Ungluͤck, etliche anzutreffen, welche eine natuͤrliche Noth-
wendigkeit dieſer Unart behaupteten; aber deſſen ungeachtet
konnte ich nicht dahin gebracht werden, ſolches fuͤr keine
Suͤnde zu halten. Jch habe unterſchiedene Verſuche gethan,
meinen Zuſtand zu veraͤndern, und mich in den Eheſtand zu
begeben; bin aber allemal daran verhindert worden. Jch
ſchreibe nun in groͤſter Bedraͤngniß an Sie, mein Herr!
Mein Leib iſt durch dieſe leichtfertige Gewohnheit gantz auf
die Neige gekommen. Jch habe lange Zeit einen heftigen
Huſten gehabt, und will mich oͤfters erbrechen, kan aber we-
nig heraus bringen. Jch habe oͤfters Kopf- und Ruͤcken-
ſchmertzen, und groſſe Schwachheit in meinen Gliedern.
Der Kopf iſt mir voller Duͤnſte, und die Augen ſind gantz
ſchwach und dunckel. Jch habe mich ſeither dieſer garſtigen
Gewohnheit lange nicht ſchuldig gemacht; welches ich aber
nicht ſowol fuͤr eine Wirckung der Tugend als des Unver-
moͤgens anſehe. Mein Herr, Sie wuͤrden ein Werck der
Chriſtlichen Liebe erweiſen, wenn Sie ſo gut ſeyn, und mir
Jhren Rath ſo wol am Leibe als Gemuͤth ertheilen wolten.
Meine Umſtaͤnde ſind ſehr gering; dafern ich aber iemals
vermoͤgend werden ſolte, Jhnen Vergeltung zu thun, ſo wuͤr-
de ich mich nicht undanckbar finden laſſen. Jch muß ohne
einigen Beyſtand verderben, und ich weiß nicht, zu wem ich
mich in dieſen traurigen und betruͤbten Umſtaͤnden wenden
ſoll, wenn Sie mir Jhre Huͤlfe verſagen. Jch bitte Sie
demnach um einer armen Seele willen, Sie wollen mir ei-
nigen Rath ertheilen, damit ich nicht in den verzweifelten
Zuſtand gerathen und ſchlieſſen muß, daß keine Huͤlfe fuͤr
mich uͤbrig ſey, und ich alſo verderben muͤſſe. Sie verzeihen
meiner Ungeſtuͤmigkeit. Sie ruͤhret von der Empfindung

mei-
M 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <floatingText>
              <body>
                <div type="letter">
                  <p><pb facs="#f0201" n="181"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Betrachtung der Unreinigkeit.</hi></fw><lb/>
Onans Su&#x0364;nde gele&#x017F;en oder geho&#x0364;ret hatte, bis ich ohngefehr<lb/>
vor 8. oder 9. Jahren, als ich noch in der Lehre war, Jhr<lb/>
Buch &#x017F;ahe.</p><lb/>
                  <p>Nachdem ich &#x017F;olches gele&#x017F;en hatte, gerieth ich in gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Gemu&#x0364;ths-Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung, und bedurfte Hu&#x0364;lfe an Seel und Lei-<lb/>
be; wu&#x017F;te aber nicht, wie ich meinen Zu&#x017F;tand iemanden vor-<lb/>
&#x017F;tellen &#x017F;olte. Jch war immittel&#x017F;t einem grau&#x017F;amen Hu&#x017F;ten und<lb/>
andern Uebligkeiten unterworfen, und wurde gantz klein<lb/>
von Statur. Jch hatte Jhr Buch nicht lange gehabt, &#x017F;o<lb/>
fand es iemand aus der Familie. Jch habe aber niemals<lb/>
erfahren, wer es gewe&#x017F;en i&#x017F;t, durfte auch nicht darnach fra-<lb/>
gen. Eine Zeitlang &#x017F;tritte ich &#x017F;charf wieder die&#x017F;e Unart. Jch<lb/>
ver&#x017F;prach und gelobte an, ich wolte mich deren nicht mehr<lb/>
&#x017F;chuldig machen, und gebrauchte alle Mittel, die ich erden-<lb/>
cken konnte, die&#x017F;e Su&#x0364;nde zu verhu&#x0364;ten; aber meine Neigung<lb/>
dazu war &#x017F;o &#x017F;tarck und gewaltig, daß es mir &#x017F;chwer fiel, mich<lb/>
nur eine Woche davon zu enthalten. Und ich hatte hernach<lb/>
das Unglu&#x0364;ck, etliche anzutreffen, welche eine natu&#x0364;rliche Noth-<lb/>
wendigkeit die&#x017F;er Unart behaupteten; aber de&#x017F;&#x017F;en ungeachtet<lb/>
konnte ich nicht dahin gebracht werden, &#x017F;olches fu&#x0364;r keine<lb/>
Su&#x0364;nde zu halten. Jch habe unter&#x017F;chiedene Ver&#x017F;uche gethan,<lb/>
meinen Zu&#x017F;tand zu vera&#x0364;ndern, und mich in den Ehe&#x017F;tand zu<lb/>
begeben; bin aber allemal daran verhindert worden. Jch<lb/>
&#x017F;chreibe nun in gro&#x0364;&#x017F;ter Bedra&#x0364;ngniß an Sie, mein Herr!<lb/>
Mein Leib i&#x017F;t durch die&#x017F;e leichtfertige Gewohnheit gantz auf<lb/>
die Neige gekommen. Jch habe lange Zeit einen heftigen<lb/>
Hu&#x017F;ten gehabt, und will mich o&#x0364;fters erbrechen, kan aber we-<lb/>
nig heraus bringen. Jch habe o&#x0364;fters Kopf- und Ru&#x0364;cken-<lb/>
&#x017F;chmertzen, und gro&#x017F;&#x017F;e Schwachheit in meinen Gliedern.<lb/>
Der Kopf i&#x017F;t mir voller Du&#x0364;n&#x017F;te, und die Augen &#x017F;ind gantz<lb/>
&#x017F;chwach und dunckel. Jch habe mich &#x017F;either die&#x017F;er gar&#x017F;tigen<lb/>
Gewohnheit lange nicht &#x017F;chuldig gemacht; welches ich aber<lb/>
nicht &#x017F;owol fu&#x0364;r eine Wirckung der Tugend als des Unver-<lb/>
mo&#x0364;gens an&#x017F;ehe. Mein Herr, Sie wu&#x0364;rden ein Werck der<lb/>
Chri&#x017F;tlichen Liebe erwei&#x017F;en, wenn Sie &#x017F;o gut &#x017F;eyn, und mir<lb/>
Jhren Rath &#x017F;o wol am Leibe als Gemu&#x0364;th ertheilen wolten.<lb/>
Meine Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ind &#x017F;ehr gering; dafern ich aber iemals<lb/>
vermo&#x0364;gend werden &#x017F;olte, Jhnen Vergeltung zu thun, &#x017F;o wu&#x0364;r-<lb/>
de ich mich nicht undanckbar finden la&#x017F;&#x017F;en. Jch muß ohne<lb/>
einigen Bey&#x017F;tand verderben, und ich weiß nicht, zu wem ich<lb/>
mich in die&#x017F;en traurigen und betru&#x0364;bten Um&#x017F;ta&#x0364;nden wenden<lb/>
&#x017F;oll, wenn Sie mir Jhre Hu&#x0364;lfe ver&#x017F;agen. Jch bitte Sie<lb/>
demnach um einer armen Seele willen, Sie wollen mir ei-<lb/>
nigen Rath ertheilen, damit ich nicht in den verzweifelten<lb/>
Zu&#x017F;tand gerathen und &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en muß, daß keine Hu&#x0364;lfe fu&#x0364;r<lb/>
mich u&#x0364;brig &#x017F;ey, und ich al&#x017F;o verderben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Sie verzeihen<lb/>
meiner Unge&#x017F;tu&#x0364;migkeit. Sie ru&#x0364;hret von der Empfindung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 3</fw><fw place="bottom" type="catch">mei-</fw><lb/></p>
                </div>
              </body>
            </floatingText>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0201] Betrachtung der Unreinigkeit. Onans Suͤnde geleſen oder gehoͤret hatte, bis ich ohngefehr vor 8. oder 9. Jahren, als ich noch in der Lehre war, Jhr Buch ſahe. Nachdem ich ſolches geleſen hatte, gerieth ich in groſſe Gemuͤths-Beſtuͤrtzung, und bedurfte Huͤlfe an Seel und Lei- be; wuſte aber nicht, wie ich meinen Zuſtand iemanden vor- ſtellen ſolte. Jch war immittelſt einem grauſamen Huſten und andern Uebligkeiten unterworfen, und wurde gantz klein von Statur. Jch hatte Jhr Buch nicht lange gehabt, ſo fand es iemand aus der Familie. Jch habe aber niemals erfahren, wer es geweſen iſt, durfte auch nicht darnach fra- gen. Eine Zeitlang ſtritte ich ſcharf wieder dieſe Unart. Jch verſprach und gelobte an, ich wolte mich deren nicht mehr ſchuldig machen, und gebrauchte alle Mittel, die ich erden- cken konnte, dieſe Suͤnde zu verhuͤten; aber meine Neigung dazu war ſo ſtarck und gewaltig, daß es mir ſchwer fiel, mich nur eine Woche davon zu enthalten. Und ich hatte hernach das Ungluͤck, etliche anzutreffen, welche eine natuͤrliche Noth- wendigkeit dieſer Unart behaupteten; aber deſſen ungeachtet konnte ich nicht dahin gebracht werden, ſolches fuͤr keine Suͤnde zu halten. Jch habe unterſchiedene Verſuche gethan, meinen Zuſtand zu veraͤndern, und mich in den Eheſtand zu begeben; bin aber allemal daran verhindert worden. Jch ſchreibe nun in groͤſter Bedraͤngniß an Sie, mein Herr! Mein Leib iſt durch dieſe leichtfertige Gewohnheit gantz auf die Neige gekommen. Jch habe lange Zeit einen heftigen Huſten gehabt, und will mich oͤfters erbrechen, kan aber we- nig heraus bringen. Jch habe oͤfters Kopf- und Ruͤcken- ſchmertzen, und groſſe Schwachheit in meinen Gliedern. Der Kopf iſt mir voller Duͤnſte, und die Augen ſind gantz ſchwach und dunckel. Jch habe mich ſeither dieſer garſtigen Gewohnheit lange nicht ſchuldig gemacht; welches ich aber nicht ſowol fuͤr eine Wirckung der Tugend als des Unver- moͤgens anſehe. Mein Herr, Sie wuͤrden ein Werck der Chriſtlichen Liebe erweiſen, wenn Sie ſo gut ſeyn, und mir Jhren Rath ſo wol am Leibe als Gemuͤth ertheilen wolten. Meine Umſtaͤnde ſind ſehr gering; dafern ich aber iemals vermoͤgend werden ſolte, Jhnen Vergeltung zu thun, ſo wuͤr- de ich mich nicht undanckbar finden laſſen. Jch muß ohne einigen Beyſtand verderben, und ich weiß nicht, zu wem ich mich in dieſen traurigen und betruͤbten Umſtaͤnden wenden ſoll, wenn Sie mir Jhre Huͤlfe verſagen. Jch bitte Sie demnach um einer armen Seele willen, Sie wollen mir ei- nigen Rath ertheilen, damit ich nicht in den verzweifelten Zuſtand gerathen und ſchlieſſen muß, daß keine Huͤlfe fuͤr mich uͤbrig ſey, und ich alſo verderben muͤſſe. Sie verzeihen meiner Ungeſtuͤmigkeit. Sie ruͤhret von der Empfindung mei- M 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/201
Zitationshilfe: Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/201>, abgerufen am 02.05.2024.