Aederchen durchdringet, wenn man ihn durch heftigeadstringentiavon aussen stopft und nicht heraus läßt; allein gleichwol, weil er so scharfbeissend und giftig worden ist, im Geblüte nichts als einen völligen Ruin und Ansteckung an- richtet: so haben sich Medici genöthi- get gesehen, aus zwey ungeheuren Uebeln das kleinere zu wehlen, und solchen Pa- tienten lieber zuzulassen, daß sie eher der verwöhnten und so forcirten Natur nachgeben, als auf einmal bey ihren hef- tigen Anfällen und Jrregularitäten un- terliegen, oder das gantze Geblüte anste- cken lassen möchten. Und dis ist denn just so ein Rath, als wenn man zu einem sagte, er möchte sich lieber die Hand oder den Fuß ablö- sen lassen, damit der kalte Brand nicht endlich den gantzen Leib einnehme, und ihn ums Leben bringe; oder zu einem Handelsmann, der zur See in augenblicklicher Gefahr des Schifbruchs stehet: er möchte lieber alle seine Waare über Bord werfen lassen, als daß sein und seiner Mitgefährten ihr Leben und das Schif selbst eingebüsset werde. Der Rath ist gut und an- nehmens werth: denn was ist über das Leben? Aber wem wird er gegeben? Wirds denn auch ein Gesunder, einer der nicht in Lebensgefahr ste- het, einer den nichts brennt etc. auch so machen dürfen oder wollen? Würde er nicht von jeder- man für wahnsinnig angesehen werden, so er sich dergleichen nur einfallen liesse?
Eben
(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche
Aederchen durchdringet, wenn man ihn durch heftigeadſtringentiavon auſſen ſtopft und nicht heraus laͤßt; allein gleichwol, weil er ſo ſcharfbeiſſend und giftig worden iſt, im Gebluͤte nichts als einen voͤlligen Ruin und Anſteckung an- richtet: ſo haben ſich Medici genoͤthi- get geſehen, aus zwey ungeheuren Uebeln das kleinere zu wehlen, und ſolchen Pa- tienten lieber zuzulaſſen, daß ſie eher der verwoͤhnten und ſo forcirten Natur nachgeben, als auf einmal bey ihren hef- tigen Anfaͤllen und Jrregularitaͤten un- terliegen, oder das gantze Gebluͤte anſte- cken laſſen moͤchten. Und dis iſt denn juſt ſo ein Rath, als wenn man zu einem ſagte, er moͤchte ſich lieber die Hand oder den Fuß abloͤ- ſen laſſen, damit der kalte Brand nicht endlich den gantzen Leib einnehme, und ihn ums Leben bringe; oder zu einem Handelsmann, der zur See in augenblicklicher Gefahr des Schifbruchs ſtehet: er moͤchte lieber alle ſeine Waare uͤber Bord werfen laſſen, als daß ſein und ſeiner Mitgefaͤhrten ihr Leben und das Schif ſelbſt eingebuͤſſet werde. Der Rath iſt gut und an- nehmens werth: denn was iſt uͤber das Leben? Aber wem wird er gegeben? Wirds denn auch ein Geſunder, einer der nicht in Lebensgefahr ſte- het, einer den nichts brennt ꝛc. auch ſo machen duͤrfen oder wollen? Wuͤrde er nicht von jeder- man fuͤr wahnſinnig angeſehen werden, ſo er ſich dergleichen nur einfallen lieſſe?
Eben
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(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche
Aederchen durchdringet, wenn man ihn
durch heftige adſtringentia von auſſen
ſtopft und nicht heraus laͤßt; allein
gleichwol, weil er ſo ſcharfbeiſſend und
giftig worden iſt, im Gebluͤte nichts als
einen voͤlligen Ruin und Anſteckung an-
richtet: ſo haben ſich Medici genoͤthi-
get geſehen, aus zwey ungeheuren Uebeln
das kleinere zu wehlen, und ſolchen Pa-
tienten lieber zuzulaſſen, daß ſie eher der
verwoͤhnten und ſo forcirten Natur
nachgeben, als auf einmal bey ihren hef-
tigen Anfaͤllen und Jrregularitaͤten un-
terliegen, oder das gantze Gebluͤte anſte-
cken laſſen moͤchten. Und dis iſt denn juſt ſo
ein Rath, als wenn man zu einem ſagte, er
moͤchte ſich lieber die Hand oder den Fuß abloͤ-
ſen laſſen, damit der kalte Brand nicht endlich
den gantzen Leib einnehme, und ihn ums Leben
bringe; oder zu einem Handelsmann, der zur
See in augenblicklicher Gefahr des Schifbruchs
ſtehet: er moͤchte lieber alle ſeine Waare uͤber
Bord werfen laſſen, als daß ſein und ſeiner
Mitgefaͤhrten ihr Leben und das Schif ſelbſt
eingebuͤſſet werde. Der Rath iſt gut und an-
nehmens werth: denn was iſt uͤber das Leben?
Aber wem wird er gegeben? Wirds denn auch
ein Geſunder, einer der nicht in Lebensgefahr ſte-
het, einer den nichts brennt ꝛc. auch ſo machen
duͤrfen oder wollen? Wuͤrde er nicht von jeder-
man fuͤr wahnſinnig angeſehen werden, ſo er
ſich dergleichen nur einfallen lieſſe?
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/130>, abgerufen am 16.02.2025.
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