Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.(I. Th.) Anatomisch-Medicinische ihre Erweise nicht bis zur Ueberführung fassen kön-nen? oder führen sie ihre Erweise so schlecht und schwach, daß sie zum Beyfall nicht nöthigen können: warum lernen sie denn nicht bündiger demonstriren? Wendet man ein: so lange kein Gehorsam da ist, so lange seys keine völlige Ueberzeugung; so kommt ein spielhaftes Wortgefechte heraus. Denn was soll endlich eine völlige Ueberzeugung heissen? Der Ge- horsam selber? So ists just so spitzfündig gesagt, als wenn ich spräche: so lange jemand gutem Rath nicht folget (das ist, völlig überzeugt ist) so lange folgt er ihm nicht. Wozu sollen doch diese Logo- machien? haben wir etwa nichts nöthigeres zu thun, als einander mit solchen Spielwerken zu divertiren oder abzumatten? Die alten Heiden redten deut- licher und aufrichtiger. Denn sie sagten zum Exem- pel, der Zorn macht blind. Das ist: Jede Paßion benebelt den Verstand, und macht zum Theil unver- nünftig. Je starcker die Paßion, je schwächer der Verstand. Je grösser die Sündenlust, je kleiner das Nachdencken oder die Kraft, etwas dagegen zu fassen und zu überlegen. Muß aber just dor arme Verstand schuld haben? Jst nicht ein Wohllüstiger von der Unbilligkeit und schädlichen Folgen seiner Lüste oft so starck überzeugt, daß er das Leben drauf setzen würde? aber wenn der Anfall kommt: halt diese Ueberzeugung den Trieb zurück? Sie ists nicht im Stande zu thun, und wenn sie auch viel tausend- mal im Gemüth in vollem Lichte da gestanden wäre. Soll man nun mit diesem weitschichtigen Lehrsatz so prahlen? Soll man nicht eben so viel Reflexion auf die Neigung des Willens machen, als auf die Ueber- zeugung des Verstandes? etc. Doch, wieder zum Auctor! Der liebreiche und unvergleichlich weise nes
(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche ihre Erweiſe nicht bis zur Ueberfuͤhrung faſſen koͤn-nen? oder fuͤhren ſie ihre Erweiſe ſo ſchlecht und ſchwach, daß ſie zum Beyfall nicht noͤthigen koͤnnen: warum lernen ſie denn nicht buͤndiger demonſtriren? Wendet man ein: ſo lange kein Gehorſam da iſt, ſo lange ſeys keine voͤllige Ueberzeugung; ſo kommt ein ſpielhaftes Wortgefechte heraus. Denn was ſoll endlich eine voͤllige Ueberzeugung heiſſen? Der Ge- horſam ſelber? So iſts juſt ſo ſpitzfuͤndig geſagt, als wenn ich ſpraͤche: ſo lange jemand gutem Rath nicht folget (das iſt, voͤllig uͤberzeugt iſt) ſo lange folgt er ihm nicht. Wozu ſollen doch dieſe Logo- machien? haben wir etwa nichts noͤthigeres zu thun, als einander mit ſolchen Spielwerken zu divertiren oder abzumatten? Die alten Heiden redten deut- licher und aufrichtiger. Denn ſie ſagten zum Exem- pel, der Zorn macht blind. Das iſt: Jede Paßion benebelt den Verſtand, und macht zum Theil unver- nuͤnftig. Je ſtarcker die Paßion, je ſchwaͤcher der Verſtand. Je groͤſſer die Suͤndenluſt, je kleiner das Nachdencken oder die Kraft, etwas dagegen zu faſſen und zu uͤberlegen. Muß aber juſt dor arme Verſtand ſchuld haben? Jſt nicht ein Wohlluͤſtiger von der Unbilligkeit und ſchaͤdlichen Folgen ſeiner Luͤſte oft ſo ſtarck uͤberzeugt, daß er das Leben drauf ſetzen wuͤrde? aber wenn der Anfall kommt: halt dieſe Ueberzeugung den Trieb zuruͤck? Sie iſts nicht im Stande zu thun, und wenn ſie auch viel tauſend- mal im Gemuͤth in vollem Lichte da geſtanden waͤre. Soll man nun mit dieſem weitſchichtigen Lehrſatz ſo prahlen? Soll man nicht eben ſo viel Reflexion auf die Neigung des Willens machen, als auf die Ueber- zeugung des Verſtandes? ꝛc. Doch, wieder zum Auctor! Der liebreiche und unvergleichlich weiſe nes
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(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche
ihre Erweiſe nicht bis zur Ueberfuͤhrung faſſen koͤn-
nen? oder fuͤhren ſie ihre Erweiſe ſo ſchlecht und
ſchwach, daß ſie zum Beyfall nicht noͤthigen koͤnnen:
warum lernen ſie denn nicht buͤndiger demonſtriren?
Wendet man ein: ſo lange kein Gehorſam da iſt, ſo
lange ſeys keine voͤllige Ueberzeugung; ſo kommt ein
ſpielhaftes Wortgefechte heraus. Denn was ſoll
endlich eine voͤllige Ueberzeugung heiſſen? Der Ge-
horſam ſelber? So iſts juſt ſo ſpitzfuͤndig geſagt,
als wenn ich ſpraͤche: ſo lange jemand gutem Rath
nicht folget (das iſt, voͤllig uͤberzeugt iſt) ſo lange
folgt er ihm nicht. Wozu ſollen doch dieſe Logo-
machien? haben wir etwa nichts noͤthigeres zu thun,
als einander mit ſolchen Spielwerken zu divertiren
oder abzumatten? Die alten Heiden redten deut-
licher und aufrichtiger. Denn ſie ſagten zum Exem-
pel, der Zorn macht blind. Das iſt: Jede Paßion
benebelt den Verſtand, und macht zum Theil unver-
nuͤnftig. Je ſtarcker die Paßion, je ſchwaͤcher der
Verſtand. Je groͤſſer die Suͤndenluſt, je kleiner
das Nachdencken oder die Kraft, etwas dagegen zu
faſſen und zu uͤberlegen. Muß aber juſt dor arme
Verſtand ſchuld haben? Jſt nicht ein Wohlluͤſtiger
von der Unbilligkeit und ſchaͤdlichen Folgen ſeiner
Luͤſte oft ſo ſtarck uͤberzeugt, daß er das Leben drauf
ſetzen wuͤrde? aber wenn der Anfall kommt: halt
dieſe Ueberzeugung den Trieb zuruͤck? Sie iſts nicht
im Stande zu thun, und wenn ſie auch viel tauſend-
mal im Gemuͤth in vollem Lichte da geſtanden waͤre.
Soll man nun mit dieſem weitſchichtigen Lehrſatz ſo
prahlen? Soll man nicht eben ſo viel Reflexion auf
die Neigung des Willens machen, als auf die Ueber-
zeugung des Verſtandes? ꝛc. Doch, wieder zum Auctor!
Der liebreiche und unvergleichlich weiſe
Schoͤpfer hat dem Menſchen in beyderley Ge-
ſchlecht den Samen und deſſen Officin nicht al-
lein darum beygeleget, daß er zu Erzeugung ſei-
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