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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Liebe.
Gelehrten; sondern in der Schulen Christi: welches der Gottselige
Thomas a Kempis mit diesen Worten zu bedeuten scheinet: Der
ist warlich groß/ der eine grosse Lieb hat.
Zu die-
sem unserm Vorhaben wurde einsmals der sehr gelehrte Vatter Bona-
ventura von dem seeligen AEgidio also gefraget. Ehrwürdiger Vatter/
der liebe GOtt hat dich mit vielen Gaben seiner Gnaden versehen; was
sollen doch wir schlechte und einfältige Tröpff thun/ damit wir auch see-
lig werden? deme der heilige Mann geantwortet/ wann schon GOTT
dem Menschen kein andere Gnad mittheilete/ als daß er ihn liebte; so wä-
re dieses doch bestandt genug das ewige Leben zu erlangen. Der gemeldte
AEgidius fahret fort/ und fraget weiters/ ob dann ein Ungelehrter eben
so wohl GOtt lieben könne/ als ein Gelehrter? deme der Heil. Bona-
ventura zur Antwort gibt; daß auch ein einfältiges altes Mütter lein
nicht weniger GOtt lieben könne/ als ein wohl-gelehrter Doctor der ho-
hen Schulen. Da dieses der seelige AEgidius gehört hat/ ist er vor Frew-
den auffgesprungen/ alsobald zum Garten geeilet/ nach der Stadt sich ge-
wendet/ und mit heller Stimm geruffen: O ihr einfältige und ungelehrte
alte Weiber/ liebet GOtt/ dann ihr könnet grösser werden als der Frater
Bonaventura
ist. Darumb hat recht gesungen der Geistliche Poet:

Wann du Christum lernest/
Hast nichts zu lernen übrig/
Wann nicht Christum kennest/
Jst alles lernen uppig.

10. Wer wird aber/ der Gebühr nach/ außsprechen können/ wie reich-
lich die Liebhaber GOttes werden belohnet werden? kein Verstand wirds
begreiffen/ und keine Feder wirds gnugsamb beschreiben können. Dann
solchen Lohn haben selbige zu hoffen/ deßgleichen nach Zeugnuß deß Heil.
Apostels/ kein Aug gesehen/ kein Ohr gehöret/ und in1. Cor. v.
9.

keines Menschen Hertz gestiegen ist: Dieses hat GOtt denen
zubereitet/ die ihn lieben. Weiters lesen wir im Buch der Richter/ das die je-
nige/ so GOTT lieben/ so herrlich/ wie die Sonne in ihrem Auff-
gang/ glantzen. Dieweilen aber der Feind alles Gute wohl weiß/ daß die
gröste Flüsse der Gnaden und Verdiensten von dieser Lieb entspringen;
derhalben mißgünnet er uns solche Gaben immer zu/ und bemühet sich un-
auffhörlich das menschliche Hertz von seinem GOtt abwendig zu machen/
welcher Gestalt wir aber diesen Haupt-Feind widerstehen sollen/ daß lehretLib. 3.
Reg. c.
3.

uns folgende Historie der H. Schrifft. Es kamen einsmals zwey Mütter zu

dem
G

Von der Liebe.
Gelehrten; ſondern in der Schulen Chriſti: welches der Gottſelige
Thomas à Kempis mit dieſen Worten zu bedeuten ſcheinet: Der
iſt warlich groß/ der eine groſſe Lieb hat.
Zu die-
ſem unſerm Vorhaben wurde einsmals der ſehr gelehrte Vatter Bona-
ventura von dem ſeeligen Ægidio alſo gefraget. Ehrwuͤrdiger Vatter/
der liebe GOtt hat dich mit vielen Gaben ſeiner Gnaden verſehen; was
ſollen doch wir ſchlechte und einfaͤltige Troͤpff thun/ damit wir auch ſee-
lig werden? deme der heilige Mann geantwortet/ wann ſchon GOTT
dem Menſchen kein andere Gnad mittheilete/ als daß er ihn liebte; ſo waͤ-
re dieſes doch beſtandt genug das ewige Leben zu erlangen. Der gemeldte
Ægidius fahret fort/ und fraget weiters/ ob dann ein Ungelehrter eben
ſo wohl GOtt lieben koͤnne/ als ein Gelehrter? deme der Heil. Bona-
ventura zur Antwort gibt; daß auch ein einfaͤltiges altes Muͤtter lein
nicht weniger GOtt lieben koͤnne/ als ein wohl-gelehrter Doctor der ho-
hen Schulen. Da dieſes der ſeelige Ægidius gehoͤrt hat/ iſt er vor Frew-
den auffgeſprungen/ alſobald zum Garten geeilet/ nach der Stadt ſich ge-
wendet/ und mit heller Stimm geruffen: O ihr einfaͤltige und ungelehrte
alte Weiber/ liebet GOtt/ dann ihr koͤnnet groͤſſer werden als der Frater
Bonaventura
iſt. Darumb hat recht geſungen der Geiſtliche Poet:

Wann du Chriſtum lerneſt/
Haſt nichts zu lernen übrig/
Wann nicht Chriſtum kenneſt/
Jſt alles lernen ůppig.

10. Wer wird aber/ der Gebuͤhr nach/ außſprechen koͤnnen/ wie reich-
lich die Liebhaber GOttes werden belohnet werden? kein Verſtand wirds
begreiffen/ und keine Feder wirds gnugſamb beſchreiben koͤnnen. Dann
ſolchen Lohn haben ſelbige zu hoffen/ deßgleichen nach Zeugnuß deß Heil.
Apoſtels/ kein Aug geſehen/ kein Ohr gehoͤret/ und in1. Cor. v.
9.

keines Menſchen Hertz geſtiegen iſt: Dieſes hat GOtt denen
zubereitet/ die ihn lieben. Weiters leſen wir im Buch der Richter/ das die je-
nige/ ſo GOTT lieben/ ſo herrlich/ wie die Sonne in ihrem Auff-
gang/ glantzen. Dieweilen aber der Feind alles Gute wohl weiß/ daß die
groͤſte Fluͤſſe der Gnaden und Verdienſten von dieſer Lieb entſpringen;
derhalben mißguͤnnet er uns ſolche Gaben immer zu/ und bemuͤhet ſich un-
auffhoͤrlich das menſchliche Hertz von ſeinem GOtt abwendig zu machen/
welcher Geſtalt wir aber dieſen Haupt-Feind widerſtehen ſollen/ daß lehretLib. 3.
Reg. c.
3.

uns folgende Hiſtorie der H. Schrifft. Es kamen einsmals zwey Muͤtter zu

dem
G
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[49/0077] Von der Liebe. Gelehrten; ſondern in der Schulen Chriſti: welches der Gottſelige Thomas à Kempis mit dieſen Worten zu bedeuten ſcheinet: Der iſt warlich groß/ der eine groſſe Lieb hat. Zu die- ſem unſerm Vorhaben wurde einsmals der ſehr gelehrte Vatter Bona- ventura von dem ſeeligen Ægidio alſo gefraget. Ehrwuͤrdiger Vatter/ der liebe GOtt hat dich mit vielen Gaben ſeiner Gnaden verſehen; was ſollen doch wir ſchlechte und einfaͤltige Troͤpff thun/ damit wir auch ſee- lig werden? deme der heilige Mann geantwortet/ wann ſchon GOTT dem Menſchen kein andere Gnad mittheilete/ als daß er ihn liebte; ſo waͤ- re dieſes doch beſtandt genug das ewige Leben zu erlangen. Der gemeldte Ægidius fahret fort/ und fraget weiters/ ob dann ein Ungelehrter eben ſo wohl GOtt lieben koͤnne/ als ein Gelehrter? deme der Heil. Bona- ventura zur Antwort gibt; daß auch ein einfaͤltiges altes Muͤtter lein nicht weniger GOtt lieben koͤnne/ als ein wohl-gelehrter Doctor der ho- hen Schulen. Da dieſes der ſeelige Ægidius gehoͤrt hat/ iſt er vor Frew- den auffgeſprungen/ alſobald zum Garten geeilet/ nach der Stadt ſich ge- wendet/ und mit heller Stimm geruffen: O ihr einfaͤltige und ungelehrte alte Weiber/ liebet GOtt/ dann ihr koͤnnet groͤſſer werden als der Frater Bonaventura iſt. Darumb hat recht geſungen der Geiſtliche Poet: Wann du Chriſtum lerneſt/ Haſt nichts zu lernen übrig/ Wann nicht Chriſtum kenneſt/ Jſt alles lernen ůppig. 10. Wer wird aber/ der Gebuͤhr nach/ außſprechen koͤnnen/ wie reich- lich die Liebhaber GOttes werden belohnet werden? kein Verſtand wirds begreiffen/ und keine Feder wirds gnugſamb beſchreiben koͤnnen. Dann ſolchen Lohn haben ſelbige zu hoffen/ deßgleichen nach Zeugnuß deß Heil. Apoſtels/ kein Aug geſehen/ kein Ohr gehoͤret/ und in keines Menſchen Hertz geſtiegen iſt: Dieſes hat GOtt denen zubereitet/ die ihn lieben. Weiters leſen wir im Buch der Richter/ das die je- nige/ ſo GOTT lieben/ ſo herrlich/ wie die Sonne in ihrem Auff- gang/ glantzen. Dieweilen aber der Feind alles Gute wohl weiß/ daß die groͤſte Fluͤſſe der Gnaden und Verdienſten von dieſer Lieb entſpringen; derhalben mißguͤnnet er uns ſolche Gaben immer zu/ und bemuͤhet ſich un- auffhoͤrlich das menſchliche Hertz von ſeinem GOtt abwendig zu machen/ welcher Geſtalt wir aber dieſen Haupt-Feind widerſtehen ſollen/ daß lehret uns folgende Hiſtorie der H. Schrifft. Es kamen einsmals zwey Muͤtter zu dem 1. Cor. v. 9. Lib. 3. Reg. c. 3. G

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/77>, abgerufen am 09.11.2024.