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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Liebe.
That vollbringen/ auß welchem die Seel ernähret und gestärcket wird.
Weiters versichet nicht die Liebe das Ambt einer empfindlichen See-
len/
dahe sie den Menschen entzündet und begierig machet zu schen die hunm-
lische Dinge durch die Betrachtung und den Glauben? eröffnet das Gehör
zu fleissiger Auffmercksamkeit deß göttlichen Worts/ und heiligen Einspre-
chungen; den Geruch ermunteret/ damit der Mensch den köstlichen Geruch
der guten Exempeln/ und von CHristo sampt dessen H. H. Außerwählten
hinterlassenen Tugenten schmecke; den Geschmack verm[e]hret/ damit er die
Süssigkeit Gottes und Lieblichkeit eines guten Gewissens koste? auch ver-
ursachet sie/ daß der Mensch die Beschwärlichkeiten/ so er vorhin wie die Pest
gepflohen; nachmahls mit aller Frohligkeit deß Hertzens umbhälse Endlich
vertrettet die Liebe nicht die Stelle einer vernunfftigen Seele? indem
sie dem Menschen an die Hand gehet/ auff daß er die himmlische Ding bester
massen begreiffe/ die irrdische verachte/ und mit dem H. Apostel Paulo sage:
Jch hab alles umb CHRJSTJ Willen fur SchandenPhil. 3 7.
gehalten/ und achte alles fur Koot/ damit ich CHristum
gewinne.
Und mit dem heiligen Ignatio: O wie heßlich kompt mir vor
die Erde/ wann ich den Himmel anschawe! sie machet auch den Menschen
recht urtheilen/ daß nemblich Gott über alles müsse geliebt werden/ daß man
sich selbst hassen/ und seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben schuldig seye;
und daß alles lauter Eytelkeit seye/ ausserhalb GOtt lieben/ und ihm allein
dienen.

5. Billig dann/ mein CHristliche Seel/ befilcht uns GOTT dieses
Fewer der Liebe mit aller Sorgfalt zu ernähren und zu erhalten. Warumb
hat die göttliche Majestät im alten Testament angeordnet/ daß Jhm zu un-
terschiedlichen Zeiten auch unterschiedliche Opffere geschlachtet würden? zu
der österlichen Zeit wolte Gott das Opffer deß Lambs: nach der Geburt ei-
nes erstgebohrnen Knäbleins begehrte er Turteltauben. Eins aber hat er be-
fohlen/ daß immer und allezeit geschehen solte/ daß nemblich das Fewer zu al-
len Zeiten auff dem Altar brennete; Dahero er allen Priestern geschaffet/ die-
sem Fewer durch nöthiges Holtz immerwährenden Zusatz zu thun; damit es
ja nicht erlöschete. Warumb hat GOTT dieses also befohlen? keine andere
Ursach dessen ist; als daß er habe wollen anzeigen/ der Mensch müsse dieLevit. 6.
Lieb/ so durch das Fewer bedeutet wird/ durch die Ubung der guten Werck
auff dem Altar seines Hertzens anzünden/ und zu allen Zeiten sorgfältiglich
bewahren. Wir werden aber dieses Fewer der Liebe in unsern Hertzen anzün-
den/ und solches entzündete Fewer ernähren/ wann wir alle Gebott GOttes/

alle
F 3

Von der Liebe.
That vollbringen/ auß welchem die Seel ernaͤhret und geſtaͤrcket wird.
Weiters verſichet nicht die Liebe das Ambt einer empfindlichen See-
len/
dahe ſie den Menſchen entzuͤndet und begierig machet zu ſchen die hunm-
liſche Dinge durch die Betrachtung und den Glauben? eroͤffnet das Gehoͤr
zu fleiſſiger Auffmerckſamkeit deß goͤttlichen Worts/ und heiligen Einſpre-
chungen; den Geruch ermunteret/ damit der Menſch den koͤſtlichen Geruch
der guten Exempeln/ und von CHriſto ſampt deſſen H. H. Außerwaͤhlten
hinterlaſſenen Tugenten ſchmecke; den Geſchmack verm[e]hret/ damit er die
Suͤſſigkeit Gottes und Lieblichkeit eines guten Gewiſſens koſte? auch ver-
urſachet ſie/ daß der Menſch die Beſchwaͤrlichkeiten/ ſo er vorhin wie die Peſt
gepflohen; nachmahls mit aller Frohligkeit deß Hertzens umbhaͤlſe Endlich
vertrettet die Liebe nicht die Stelle einer vernůnfftigen Seele? indem
ſie dem Menſchen an die Hand gehet/ auff daß er die himmliſche Ding beſter
maſſen begreiffe/ die irꝛdiſche verachte/ und mit dem H. Apoſtel Paulo ſage:
Jch hab alles umb CHRJSTJ Willen fůr SchandenPhil. 3 7.
gehalten/ und achte alles fůr Koot/ damit ich CHriſtum
gewinne.
Und mit dem heiligen Ignatio: O wie heßlich kompt mir vor
die Erde/ wann ich den Himmel anſchawe! ſie machet auch den Menſchen
recht urtheilen/ daß nemblich Gott uͤber alles muͤſſe geliebt werden/ daß man
ſich ſelbſt haſſen/ und ſeinen Naͤchſten wie ſich ſelbſt zu lieben ſchuldig ſeye;
und daß alles lauter Eytelkeit ſeye/ auſſerhalb GOtt lieben/ und ihm allein
dienen.

5. Billig dann/ mein CHriſtliche Seel/ befilcht uns GOTT dieſes
Fewer der Liebe mit aller Sorgfalt zu ernaͤhren und zu erhalten. Warumb
hat die goͤttliche Majeſtaͤt im alten Teſtament angeordnet/ daß Jhm zu un-
terſchiedlichen Zeiten auch unterſchiedliche Opffere geſchlachtet wuͤrden? zu
der oͤſterlichen Zeit wolte Gott das Opffer deß Lambs: nach der Geburt ei-
nes erſtgebohrnen Knaͤbleins begehrte er Turteltauben. Eins aber hat er be-
fohlen/ daß immer und allezeit geſchehen ſolte/ daß nemblich das Fewer zu al-
len Zeiten auff dem Altar brennete; Dahero er allen Prieſtern geſchaffet/ die-
ſem Fewer durch noͤthiges Holtz immerwaͤhrenden Zuſatz zu thun; damit es
ja nicht erloͤſchete. Warumb hat GOTT dieſes alſo befohlen? keine andere
Urſach deſſen iſt; als daß er habe wollen anzeigen/ der Menſch muͤſſe dieLevit. 6.
Lieb/ ſo durch das Fewer bedeutet wird/ durch die Ubung der guten Werck
auff dem Altar ſeines Hertzens anzuͤnden/ und zu allen Zeiten ſorgfaͤltiglich
bewahren. Wir werden aber dieſes Fewer der Liebe in unſern Hertzen anzuͤn-
den/ und ſolches entzuͤndete Fewer ernaͤhren/ wann wir alle Gebott GOttes/

alle
F 3
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[45/0073] Von der Liebe. That vollbringen/ auß welchem die Seel ernaͤhret und geſtaͤrcket wird. Weiters verſichet nicht die Liebe das Ambt einer empfindlichen See- len/ dahe ſie den Menſchen entzuͤndet und begierig machet zu ſchen die hunm- liſche Dinge durch die Betrachtung und den Glauben? eroͤffnet das Gehoͤr zu fleiſſiger Auffmerckſamkeit deß goͤttlichen Worts/ und heiligen Einſpre- chungen; den Geruch ermunteret/ damit der Menſch den koͤſtlichen Geruch der guten Exempeln/ und von CHriſto ſampt deſſen H. H. Außerwaͤhlten hinterlaſſenen Tugenten ſchmecke; den Geſchmack vermehret/ damit er die Suͤſſigkeit Gottes und Lieblichkeit eines guten Gewiſſens koſte? auch ver- urſachet ſie/ daß der Menſch die Beſchwaͤrlichkeiten/ ſo er vorhin wie die Peſt gepflohen; nachmahls mit aller Frohligkeit deß Hertzens umbhaͤlſe Endlich vertrettet die Liebe nicht die Stelle einer vernůnfftigen Seele? indem ſie dem Menſchen an die Hand gehet/ auff daß er die himmliſche Ding beſter maſſen begreiffe/ die irꝛdiſche verachte/ und mit dem H. Apoſtel Paulo ſage: Jch hab alles umb CHRJSTJ Willen fůr Schanden gehalten/ und achte alles fůr Koot/ damit ich CHriſtum gewinne. Und mit dem heiligen Ignatio: O wie heßlich kompt mir vor die Erde/ wann ich den Himmel anſchawe! ſie machet auch den Menſchen recht urtheilen/ daß nemblich Gott uͤber alles muͤſſe geliebt werden/ daß man ſich ſelbſt haſſen/ und ſeinen Naͤchſten wie ſich ſelbſt zu lieben ſchuldig ſeye; und daß alles lauter Eytelkeit ſeye/ auſſerhalb GOtt lieben/ und ihm allein dienen. Phil. 3 7. 5. Billig dann/ mein CHriſtliche Seel/ befilcht uns GOTT dieſes Fewer der Liebe mit aller Sorgfalt zu ernaͤhren und zu erhalten. Warumb hat die goͤttliche Majeſtaͤt im alten Teſtament angeordnet/ daß Jhm zu un- terſchiedlichen Zeiten auch unterſchiedliche Opffere geſchlachtet wuͤrden? zu der oͤſterlichen Zeit wolte Gott das Opffer deß Lambs: nach der Geburt ei- nes erſtgebohrnen Knaͤbleins begehrte er Turteltauben. Eins aber hat er be- fohlen/ daß immer und allezeit geſchehen ſolte/ daß nemblich das Fewer zu al- len Zeiten auff dem Altar brennete; Dahero er allen Prieſtern geſchaffet/ die- ſem Fewer durch noͤthiges Holtz immerwaͤhrenden Zuſatz zu thun; damit es ja nicht erloͤſchete. Warumb hat GOTT dieſes alſo befohlen? keine andere Urſach deſſen iſt; als daß er habe wollen anzeigen/ der Menſch muͤſſe die Lieb/ ſo durch das Fewer bedeutet wird/ durch die Ubung der guten Werck auff dem Altar ſeines Hertzens anzuͤnden/ und zu allen Zeiten ſorgfaͤltiglich bewahren. Wir werden aber dieſes Fewer der Liebe in unſern Hertzen anzuͤn- den/ und ſolches entzuͤndete Fewer ernaͤhren/ wann wir alle Gebott GOttes/ alle Levit. 6. F 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/73>, abgerufen am 27.04.2024.