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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Liebe.
Menschens/ und lehret GOtt erkennen. Die Seel/ in welcher die Lieb woh-
net/ wird vonkeiner Hoffart auffgeblasen/ von keiner Mißgunst verwüstet/
von keinem Zorn zerstreuet/ von keiner Traurigkeit geplaget/ von keinem Geitz
verblendet/ von keinem Fraß entzündet/ und von keiner Geylheit beschmitzet
werden: sie bleibt allezeit rein und sauber/ allezeit keusch/ allezeit ruhig/ allezeit
fröhlig/ allezeit friedsamb/ allezeit gütig/ und allezeit bescheiden. Diese seynd
alle Wort deß angezogenen erleuchteten Hugonis.

2. Jst nicht dieses ein wahres Kleid deß Patriarchen Jacobs/ dessen statt-
lieher Geruch den Seegen deß himmlischen Vatters zu wegen bringet? ist
nicht dieser der feurige Wagen/ so den innerlichen Menschen in das geistliche
Paradeiß erhebet? diese Tugend verursachet in einer glaubigen Seelen/ daß
sie nichts verlange/ als JESUM; an nichts anders gedencke/ als an JE-
SUM; nach keinem seufftze/ als nach JESU. Jn Summa/ ihr Ziel und
End ist Jesus. Billig dann ermahnet seine Kinder der H. Vatter Augusti-
nus gleich im Anfang seiner Regul zu der Liebe/ mit diesen Worten: Aller-
liebste Brüder/ vor allem liebet GOtt: dann er wuste wohl/ daß un-
möglich eine Tugend könne gefunden werden ohne Lieb: zumahlen solches
der H. Apostel mit diesen außtrücklichen Worten anzeiget: Wann ich mit1. Cor. 13-
v.
1.

Menschen und Engelen Zungen rede/ und hätte aber die
Liebe nicht/ so wäre ich wie ein lautend Ertz/ oder wie ein
klingende Schell: und wann ich allen Glauben hätte/
daß ich auch Berge versetzte; und hätte aber die Liebe
nicht/ so wäre ich nichts: wann ich auch meinen Leib uber-
gebe/ daß ich verbrandt wurde; und hätte aber die Liebe
nicht/ so wäre mirs nichts nutz.
Dahero vergleichet der H. Ber-
nardus die menschliche Seel einem Kohlen/ der keine Schönheit an sich hat/
es seye dann/ daß er glüend werde: also kan die Seel nicht schön seyn/ wann
nicht dieselbe für Liebe brennet; dieweilen die Liebe der Tugend Schönheit
ist. Und nach Zeugnuß deß H. Gregor ii/ ist bey GOtt nichts kostbahrer als
die Tugend der Liebe; und hingegen unserm allgemeinen Widersager nichts
angenehmers/ als die Erlöschung derselben.

3. Es pflegte vorzeiten die Ritterschafft in Engelland ein Schertzstreit
zu verordnen/ in welchem ein jeder auff seinem Schild ein Blum/ es ware
dann ein Rose/ ein Lilie/ oder andere Blum/ gemacht hatte: der Kö-
nig aber truge auff seinem Schild ein Büschlein Blumen/ dar-
auff alle der anderen ihre Blumen entworffen waren/ mit die-

ser
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Von der Liebe.
Menſchens/ und lehret GOtt erkennen. Die Seel/ in welcher die Lieb woh-
net/ wird vonkeiner Hoffart auffgeblaſen/ von keiner Mißgunſt verwuͤſtet/
von keinem Zorn zerſtreuet/ von keiner Traurigkeit geplaget/ von keinem Geitz
verblendet/ von keinem Fraß entzuͤndet/ und von keiner Geylheit beſchmitzet
werden: ſie bleibt allezeit rein und ſauber/ allezeit keuſch/ allezeit ruhig/ allezeit
froͤhlig/ allezeit friedſamb/ allezeit guͤtig/ und allezeit beſcheiden. Dieſe ſeynd
alle Wort deß angezogenen erleuchteten Hugonis.

2. Jſt nicht dieſes ein wahres Kleid deß Patriarchen Jacobs/ deſſen ſtatt-
lieher Geruch den Seegen deß himmliſchen Vatters zu wegen bringet? iſt
nicht dieſer der feurige Wagen/ ſo den innerlichen Menſchen in das geiſtliche
Paradeiß erhebet? dieſe Tugend verurſachet in einer glaubigen Seelen/ daß
ſie nichts verlange/ als JESUM; an nichts anders gedencke/ als an JE-
SUM; nach keinem ſeufftze/ als nach JESU. Jn Summa/ ihr Ziel und
End iſt Jeſus. Billig dann ermahnet ſeine Kinder der H. Vatter Auguſti-
nus gleich im Anfang ſeiner Regul zu der Liebe/ mit dieſen Worten: Aller-
liebſte Bruͤder/ vor allem liebet GOtt: dann er wuſte wohl/ daß un-
moͤglich eine Tugend koͤnne gefunden werden ohne Lieb: zumahlen ſolches
der H. Apoſtel mit dieſen außtruͤcklichen Worten anzeiget: Wann ich mit1. Cor. 13-
v.
1.

Menſchen und Engelen Zungen rede/ und haͤtte aber die
Liebe nicht/ ſo waͤre ich wie ein lautend Ertz/ oder wie ein
klingende Schell: und wann ich allen Glauben haͤtte/
daß ich auch Berge verſetzte; und haͤtte aber die Liebe
nicht/ ſo waͤre ich nichts: wann ich auch meinen Leib ůber-
gebe/ daß ich verbrandt wůrde; und haͤtte aber die Liebe
nicht/ ſo waͤre mirs nichts nutz.
Dahero vergleichet der H. Ber-
nardus die menſchliche Seel einem Kohlen/ der keine Schoͤnheit an ſich hat/
es ſeye dann/ daß er gluͤend werde: alſo kan die Seel nicht ſchoͤn ſeyn/ wann
nicht dieſelbe fuͤr Liebe brennet; dieweilen die Liebe der Tugend Schoͤnheit
iſt. Und nach Zeugnuß deß H. Gregor ii/ iſt bey GOtt nichts koſtbahrer als
die Tugend der Liebe; und hingegen unſerm allgemeinen Widerſager nichts
angenehmers/ als die Erloͤſchung derſelben.

3. Es pflegte vorzeiten die Ritterſchafft in Engelland ein Schertzſtreit
zu verordnen/ in welchem ein jeder auff ſeinem Schild ein Blum/ es ware
dann ein Roſe/ ein Lilie/ oder andere Blum/ gemacht hatte: der Koͤ-
nig aber truge auff ſeinem Schild ein Buͤſchlein Blumen/ dar-
auff alle der anderen ihre Blumen entworffen waren/ mit die-

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[43/0071] Von der Liebe. Menſchens/ und lehret GOtt erkennen. Die Seel/ in welcher die Lieb woh- net/ wird vonkeiner Hoffart auffgeblaſen/ von keiner Mißgunſt verwuͤſtet/ von keinem Zorn zerſtreuet/ von keiner Traurigkeit geplaget/ von keinem Geitz verblendet/ von keinem Fraß entzuͤndet/ und von keiner Geylheit beſchmitzet werden: ſie bleibt allezeit rein und ſauber/ allezeit keuſch/ allezeit ruhig/ allezeit froͤhlig/ allezeit friedſamb/ allezeit guͤtig/ und allezeit beſcheiden. Dieſe ſeynd alle Wort deß angezogenen erleuchteten Hugonis. 2. Jſt nicht dieſes ein wahres Kleid deß Patriarchen Jacobs/ deſſen ſtatt- lieher Geruch den Seegen deß himmliſchen Vatters zu wegen bringet? iſt nicht dieſer der feurige Wagen/ ſo den innerlichen Menſchen in das geiſtliche Paradeiß erhebet? dieſe Tugend verurſachet in einer glaubigen Seelen/ daß ſie nichts verlange/ als JESUM; an nichts anders gedencke/ als an JE- SUM; nach keinem ſeufftze/ als nach JESU. Jn Summa/ ihr Ziel und End iſt Jeſus. Billig dann ermahnet ſeine Kinder der H. Vatter Auguſti- nus gleich im Anfang ſeiner Regul zu der Liebe/ mit dieſen Worten: Aller- liebſte Bruͤder/ vor allem liebet GOtt: dann er wuſte wohl/ daß un- moͤglich eine Tugend koͤnne gefunden werden ohne Lieb: zumahlen ſolches der H. Apoſtel mit dieſen außtruͤcklichen Worten anzeiget: Wann ich mit Menſchen und Engelen Zungen rede/ und haͤtte aber die Liebe nicht/ ſo waͤre ich wie ein lautend Ertz/ oder wie ein klingende Schell: und wann ich allen Glauben haͤtte/ daß ich auch Berge verſetzte; und haͤtte aber die Liebe nicht/ ſo waͤre ich nichts: wann ich auch meinen Leib ůber- gebe/ daß ich verbrandt wůrde; und haͤtte aber die Liebe nicht/ ſo waͤre mirs nichts nutz. Dahero vergleichet der H. Ber- nardus die menſchliche Seel einem Kohlen/ der keine Schoͤnheit an ſich hat/ es ſeye dann/ daß er gluͤend werde: alſo kan die Seel nicht ſchoͤn ſeyn/ wann nicht dieſelbe fuͤr Liebe brennet; dieweilen die Liebe der Tugend Schoͤnheit iſt. Und nach Zeugnuß deß H. Gregor ii/ iſt bey GOtt nichts koſtbahrer als die Tugend der Liebe; und hingegen unſerm allgemeinen Widerſager nichts angenehmers/ als die Erloͤſchung derſelben. 1. Cor. 13- v. 1. 3. Es pflegte vorzeiten die Ritterſchafft in Engelland ein Schertzſtreit zu verordnen/ in welchem ein jeder auff ſeinem Schild ein Blum/ es ware dann ein Roſe/ ein Lilie/ oder andere Blum/ gemacht hatte: der Koͤ- nig aber truge auff ſeinem Schild ein Buͤſchlein Blumen/ dar- auff alle der anderen ihre Blumen entworffen waren/ mit die- ſer F 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/71>, abgerufen am 28.03.2024.