Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Neun und Viertzigste Geistliche Lection se: Jch kan aber/ sagt sie/ von sothanen Peynen befreyet/ und der ewi-gen Seeligkeit theilhafftig werden/ wann du für mich eine vierzehn tägige leibliche Kranckheit außzustehen/ dich unternemmen wollest. Uber solchen Vorschlag/ hat die lebende Jungfrau sich mit ihrem Beichs-Vatter/ ei- nem Guardian auß dem heiligen Franciseaner Orden/ berathschlaget; und von selbigem zur Antwort bekommen/ daß er in diese Verwechselung weder verwilligen/ weder derselben zu wider seyn wolle/ sondern stelle sel- bige ihrem löblichen Eyffer der Christlichen Liebe anheimb. Nach eingeholtem sothanen Rath/ hat die Jungfrau sich entschlossen/ durch dergleichen vorgemeldte Kranckheit ihre Schwester von den Peynen deß Feg-Feurs zu erlösen. Und/ siehe/ alsbald ist sie von einer schwären Kranckheit sehr hefftig angegriffen worden/ daß es sie in wenig Tagen Zeit deß Kauffs gereuet hat/ und in Ungedult gerathen ist. Da nun mit die- ser Kranckheit alle Glieder deß Leibs (ausserhalb der Zungen) überauß schmertz- lich behafftet gewesen/ und kein Artzt die Natur deß Zustands erkennen mögen: hat die verstorbene Jungfrau bey der Krancken sich abermahl angemeldet/ selbige wegen ihrer Ungedult bestraffet/ und ihre drey stün- dige Peynen deß Feg-Feurs an statt der vierzehn tägiger Kranckheit an- erbotten: zu welcher Abwechselung die Krancke ihren Beichts- Vatter zum andernmahl umb Rath ersucht hat; welcher auch die Frag vorbesag- ter Massen wiederumb beantwortet. Jn dem nun selbige die angetha- ne Erbietung sich gefallen lassen; ist sie augenblicklich dergestalt entzün- det worden/ daß auß Mund/ Nase und Ohren das Feuer sichbarlicher Weiß hervor geschlagen/ dessen der offtgemeldte P. Guardian mit vielen andern ein Zeug gewesen ist/ und hat zu mehrerer Sicherheit/ seine Hand gegen den Mund der brennenden Jungfrauen halten wollen/ hat aber die- selbige nicht unverletzt zurück gezogen. Nach verslossener bestimten Zeit hat die verstorbene Jungfrau ihrer Wohlthäterin für die erwiesene Lieb ge- danckt: so dann die übrige Zeit ihres Lebens in immerwährender Leibs- Schwachheit zugebracht. Diese Geschicht hat offt erwehnter Beichts- Vatter/ als ein lebendiger und glaubwürdiger Zeug/ zum heylsamen Schröcken seiner Zuhörer und andern/ denselben von der öffentlichen Can- tzel erzehlet. Es ist ihm aber vom Ertz-Bischoff zu Utrecht befehlen wor- den/ von selbiger Histori fortan nichts mehr zu melden: zumahlen sel- biger darfür gehalten/ daß in jenem Leben die sündhaffte Seelen mit keinem materialischen und sichtbarlichen Feur gezüchtiget würden. Nachdem aber
Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection ſe: Jch kan aber/ ſagt ſie/ von ſothanen Peynen befreyet/ und der ewi-gen Seeligkeit theilhafftig werden/ wann du fuͤr mich eine vierzehn taͤgige leibliche Kranckheit außzuſtehen/ dich unternemmen wolleſt. Uber ſolchen Vorſchlag/ hat die lebende Jungfrau ſich mit ihrem Beichs-Vatter/ ei- nem Guardian auß dem heiligen Franciſeaner Orden/ berathſchlaget; und von ſelbigem zur Antwort bekommen/ daß er in dieſe Verwechſelung weder verwilligen/ weder derſelben zu wider ſeyn wolle/ ſondern ſtelle ſel- bige ihrem loͤblichen Eyffer der Chriſtlichen Liebe anheimb. Nach eingeholtem ſothanen Rath/ hat die Jungfrau ſich entſchloſſen/ durch dergleichen vorgemeldte Kranckheit ihre Schweſter von den Peynen deß Feg-Feurs zu erloͤſen. Und/ ſiehe/ alsbald iſt ſie von einer ſchwaͤren Kranckheit ſehr hefftig angegriffen worden/ daß es ſie in wenig Tagen Zeit deß Kauffs gereuet hat/ und in Ungedult gerathen iſt. Da nun mit die- ſer Kranckheit alle Glieder deß Leibs (auſſerhalb der Zungen) uͤberauß ſchmertz- lich behafftet geweſen/ und kein Artzt die Natur deß Zuſtands erkennen moͤgen: hat die verſtorbene Jungfrau bey der Krancken ſich abermahl angemeldet/ ſelbige wegen ihrer Ungedult beſtraffet/ und ihre drey ſtuͤn- dige Peynen deß Feg-Feurs an ſtatt der vierzehn taͤgiger Kranckheit an- erbotten: zu welcher Abwechſelung die Krancke ihren Beichts- Vatter zum andernmahl umb Rath erſucht hat; welcher auch die Frag vorbeſag- ter Maſſen wiederumb beantwortet. Jn dem nun ſelbige die angetha- ne Erbietung ſich gefallen laſſen; iſt ſie augenblicklich dergeſtalt entzuͤn- det worden/ daß auß Mund/ Naſe und Ohren das Feuer ſichbarlicher Weiß hervor geſchlagen/ deſſen der offtgemeldte P. Guardian mit vielen andern ein Zeug geweſen iſt/ und hat zu mehrerer Sicherheit/ ſeine Hand gegen den Mund der brennenden Jungfrauen halten wollen/ hat aber die- ſelbige nicht unverletzt zuruͤck gezogen. Nach verſloſſener beſtimten Zeit hat die verſtorbene Jungfrau ihrer Wohlthaͤterin fuͤr die erwieſene Lieb ge- danckt: ſo dann die uͤbrige Zeit ihres Lebens in immerwaͤhrender Leibs- Schwachheit zugebracht. Dieſe Geſchicht hat offt erwehnter Beichts- Vatter/ als ein lebendiger und glaubwuͤrdiger Zeug/ zum heylſamen Schroͤcken ſeiner Zuhoͤrer und andern/ denſelben von der oͤffentlichen Can- tzel erzehlet. Es iſt ihm aber vom Ertz-Biſchoff zu Utrecht befehlen wor- den/ von ſelbiger Hiſtori fortan nichts mehr zu melden: zumahlen ſel- biger darfuͤr gehalten/ daß in jenem Leben die ſuͤndhaffte Seelen mit keinem materialiſchen und ſichtbarlichen Feur gezuͤchtiget wuͤrden. Nachdem aber
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0656" n="628"/><fw place="top" type="header">Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/> ſe: Jch kan aber/ ſagt ſie/ von ſothanen Peynen befreyet/ und der ewi-<lb/> gen Seeligkeit theilhafftig werden/ wann du fuͤr mich eine vierzehn taͤgige<lb/> leibliche Kranckheit außzuſtehen/ dich unternemmen wolleſt. Uber ſolchen<lb/> Vorſchlag/ hat die lebende Jungfrau ſich mit ihrem Beichs-Vatter/ ei-<lb/> nem Guardian auß dem heiligen Franciſeaner Orden/ berathſchlaget; und<lb/> von ſelbigem zur Antwort bekommen/ daß er in dieſe Verwechſelung<lb/> weder verwilligen/ weder derſelben zu wider ſeyn wolle/ ſondern ſtelle ſel-<lb/> bige ihrem loͤblichen Eyffer der Chriſtlichen Liebe anheimb. Nach<lb/> eingeholtem ſothanen Rath/ hat die Jungfrau ſich entſchloſſen/ durch<lb/> dergleichen vorgemeldte Kranckheit ihre Schweſter von den Peynen deß<lb/> Feg-Feurs zu erloͤſen. Und/ ſiehe/ alsbald iſt ſie von einer ſchwaͤren<lb/> Kranckheit ſehr hefftig angegriffen worden/ daß es ſie in wenig Tagen<lb/> Zeit deß Kauffs gereuet hat/ und in Ungedult gerathen iſt. Da nun mit die-<lb/> ſer Kranckheit alle Glieder deß Leibs (auſſerhalb der Zungen) uͤberauß ſchmertz-<lb/> lich behafftet geweſen/ und kein Artzt die Natur deß Zuſtands erkennen<lb/> moͤgen: hat die verſtorbene Jungfrau bey der Krancken ſich abermahl<lb/> angemeldet/ ſelbige wegen ihrer Ungedult beſtraffet/ und ihre drey ſtuͤn-<lb/> dige Peynen deß Feg-Feurs an ſtatt der vierzehn taͤgiger Kranckheit an-<lb/> erbotten: zu welcher Abwechſelung die Krancke ihren Beichts- Vatter<lb/> zum andernmahl umb Rath erſucht hat; welcher auch die Frag vorbeſag-<lb/> ter Maſſen wiederumb beantwortet. Jn dem nun ſelbige die angetha-<lb/> ne Erbietung ſich gefallen laſſen; iſt ſie augenblicklich dergeſtalt entzuͤn-<lb/> det worden/ daß auß Mund/ Naſe und Ohren das Feuer ſichbarlicher<lb/> Weiß hervor geſchlagen/ deſſen der offtgemeldte P. Guardian mit vielen<lb/> andern ein Zeug geweſen iſt/ und hat zu mehrerer Sicherheit/ ſeine Hand<lb/> gegen den Mund der brennenden Jungfrauen halten wollen/ hat aber die-<lb/> ſelbige nicht unverletzt zuruͤck gezogen. Nach verſloſſener beſtimten Zeit<lb/> hat die verſtorbene Jungfrau ihrer Wohlthaͤterin fuͤr die erwieſene Lieb ge-<lb/> danckt: ſo dann die uͤbrige Zeit ihres Lebens in immerwaͤhrender Leibs-<lb/> Schwachheit zugebracht. Dieſe Geſchicht hat offt erwehnter Beichts-<lb/> Vatter/ als ein lebendiger und glaubwuͤrdiger Zeug/ zum heylſamen<lb/> Schroͤcken ſeiner Zuhoͤrer und andern/ denſelben von der oͤffentlichen Can-<lb/> tzel erzehlet. Es iſt ihm aber vom Ertz-Biſchoff zu Utrecht befehlen wor-<lb/> den/ von ſelbiger Hiſtori fortan nichts mehr zu melden: zumahlen ſel-<lb/> biger darfuͤr gehalten/ daß in jenem Leben die ſuͤndhaffte Seelen mit keinem<lb/> materialiſchen und ſichtbarlichen Feur gezuͤchtiget wuͤrden. Nachdem<lb/> <fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [628/0656]
Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſe: Jch kan aber/ ſagt ſie/ von ſothanen Peynen befreyet/ und der ewi-
gen Seeligkeit theilhafftig werden/ wann du fuͤr mich eine vierzehn taͤgige
leibliche Kranckheit außzuſtehen/ dich unternemmen wolleſt. Uber ſolchen
Vorſchlag/ hat die lebende Jungfrau ſich mit ihrem Beichs-Vatter/ ei-
nem Guardian auß dem heiligen Franciſeaner Orden/ berathſchlaget; und
von ſelbigem zur Antwort bekommen/ daß er in dieſe Verwechſelung
weder verwilligen/ weder derſelben zu wider ſeyn wolle/ ſondern ſtelle ſel-
bige ihrem loͤblichen Eyffer der Chriſtlichen Liebe anheimb. Nach
eingeholtem ſothanen Rath/ hat die Jungfrau ſich entſchloſſen/ durch
dergleichen vorgemeldte Kranckheit ihre Schweſter von den Peynen deß
Feg-Feurs zu erloͤſen. Und/ ſiehe/ alsbald iſt ſie von einer ſchwaͤren
Kranckheit ſehr hefftig angegriffen worden/ daß es ſie in wenig Tagen
Zeit deß Kauffs gereuet hat/ und in Ungedult gerathen iſt. Da nun mit die-
ſer Kranckheit alle Glieder deß Leibs (auſſerhalb der Zungen) uͤberauß ſchmertz-
lich behafftet geweſen/ und kein Artzt die Natur deß Zuſtands erkennen
moͤgen: hat die verſtorbene Jungfrau bey der Krancken ſich abermahl
angemeldet/ ſelbige wegen ihrer Ungedult beſtraffet/ und ihre drey ſtuͤn-
dige Peynen deß Feg-Feurs an ſtatt der vierzehn taͤgiger Kranckheit an-
erbotten: zu welcher Abwechſelung die Krancke ihren Beichts- Vatter
zum andernmahl umb Rath erſucht hat; welcher auch die Frag vorbeſag-
ter Maſſen wiederumb beantwortet. Jn dem nun ſelbige die angetha-
ne Erbietung ſich gefallen laſſen; iſt ſie augenblicklich dergeſtalt entzuͤn-
det worden/ daß auß Mund/ Naſe und Ohren das Feuer ſichbarlicher
Weiß hervor geſchlagen/ deſſen der offtgemeldte P. Guardian mit vielen
andern ein Zeug geweſen iſt/ und hat zu mehrerer Sicherheit/ ſeine Hand
gegen den Mund der brennenden Jungfrauen halten wollen/ hat aber die-
ſelbige nicht unverletzt zuruͤck gezogen. Nach verſloſſener beſtimten Zeit
hat die verſtorbene Jungfrau ihrer Wohlthaͤterin fuͤr die erwieſene Lieb ge-
danckt: ſo dann die uͤbrige Zeit ihres Lebens in immerwaͤhrender Leibs-
Schwachheit zugebracht. Dieſe Geſchicht hat offt erwehnter Beichts-
Vatter/ als ein lebendiger und glaubwuͤrdiger Zeug/ zum heylſamen
Schroͤcken ſeiner Zuhoͤrer und andern/ denſelben von der oͤffentlichen Can-
tzel erzehlet. Es iſt ihm aber vom Ertz-Biſchoff zu Utrecht befehlen wor-
den/ von ſelbiger Hiſtori fortan nichts mehr zu melden: zumahlen ſel-
biger darfuͤr gehalten/ daß in jenem Leben die ſuͤndhaffte Seelen mit keinem
materialiſchen und ſichtbarlichen Feur gezuͤchtiget wuͤrden. Nachdem
aber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |