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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Hand-Arbeit.
verstehen/ daß ein Münch ohne die Hand-Arbeit nicht bestehen
möge.

8. So sehr haben die H. H. Alt-Vätter die Hand-Arbeit geliebt/ daß
sie auch die gemachte Arbeit zerbrochen/ und wiederumb gemacht; diewei-
len sie in den Send-Schreiben deß heiligen Apostels Pauli gelesen hatten:
Der nicht arbeitet/ der soll nicht essen. O wann dieser Befelch deß Apostels
gehalten würde/ solte man wenig müssige Menschen finden! Anjetzo aber
finden sich sehr viele/ welche entweder auß Faulheit einen Widerwillen
schöpffen zu der Arbeit; oder seynd eigensinnige Köpff/ die sich einbilden/ sie
wollen nur durch stetes Speculiren und Betrachten zu grossen Heiligen wer-
den/ und seynd doch vielmahlen so geschickt darzu/ als ein Esel zu der Music.
Mit dergleichen müssigen Leuthen soll man umbgehen/ wie der erfahrne
Vatter Sylvanus mit einem solcher Art Menschen gehauset hat. Die-Historia.
ser als ein Frembdling auff dem Berg Sina/ siehet daß die Brüder arbeite-
ten: derhalben redet er sie an und sagt: Warumb wircket ihr dieJoan. 6.
Speiß/ so da verdirbt: Maria hat den besten Theil er-
wählet;
mit dieser halt ichs/ &c. Da dieses der kluge Sylvanus hört/Luc. 10.
befilcht er seinem Jünger Zachariä/ er soll ihm ein Buch geben/ auff daß er
zu lesen habe/ und führen ihn in eine leere Cell/ so auch geschehen ist. Zur
Essen-Zeit sicht sich der Frembdling umbher/ und verwundert sich/ daß ihn
niemand zum essen ruffe. Nach gehaltener Mahlzeit kombt selbiger zum
heiligen Sylvano und sagt: Vatter/ haben die Brüder nicht gessen? Frey-
lich/ antwortet Sylvanus: warumb bin ich/ sagt er/ dann nicht zum essen
geruffen worden? Weilen du/ sagt der Alt-Vatter/ ein geistlicher Mensch
bist/ und bedarffs dieser Speiß/ darumb hat dich niemand geruffen; wir a-
ber als fleischliche Menschen müssen/ und derhalben arbeiten wir: du hast den
besten Theil erwählet; du lesest den gantzen Tag/ und wilst kein fleischliche
Speiß annehmen. Hierüber ist der Frembdling anders gesinnet worden/
und hat umb Vergebung gebetten. So hat dann/ sagt Sylvanus/ Ma-
ria ihrer Schwester Marthä Hülff vonnöthen: dann umb Martha Wil-
len wird Maria gelobet.

9. So hoch haben die Alt-Vätter die Hand-Arbeit geschätzet; daß/ wie
der heilige Hieronymus bezeugt/ keiner ohne selbige weder angenommen/
weder geduldet wurde. Keinem wurde der Müssiggang gestattet; sondern
mit der Hand-Arbeit musten sie sich ernehren/ und nicht allein thäten sie von
dem jenigen/ was sie mit ihrer Arbeit gewunnen/ den Frembdlingen/ den an-
kommenden Brüdern und Gästen das Stück Brod mittheilen; sondern sie

schickten
B b b b

Von der Hand-Arbeit.
verſtehen/ daß ein Muͤnch ohne die Hand-Arbeit nicht beſtehen
moͤge.

8. So ſehr haben die H. H. Alt-Vaͤtter die Hand-Arbeit geliebt/ daß
ſie auch die gemachte Arbeit zerbrochen/ und wiederumb gemacht; diewei-
len ſie in den Send-Schreiben deß heiligen Apoſtels Pauli geleſen hatten:
Der nicht arbeitet/ der ſoll nicht eſſen. O wann dieſer Befelch deß Apoſtels
gehalten wuͤrde/ ſolte man wenig muͤſſige Menſchen finden! Anjetzo aber
finden ſich ſehr viele/ welche entweder auß Faulheit einen Widerwillen
ſchoͤpffen zu der Arbeit; oder ſeynd eigenſinnige Koͤpff/ die ſich einbilden/ ſie
wollen nur durch ſtetes Speculiren und Betrachten zu groſſen Heiligen wer-
den/ und ſeynd doch vielmahlen ſo geſchickt darzu/ als ein Eſel zu der Muſic.
Mit dergleichen muͤſſigen Leuthen ſoll man umbgehen/ wie der erfahrne
Vatter Sylvanus mit einem ſolcher Art Menſchen gehauſet hat. Die-Hiſtoria.
ſer als ein Frembdling auff dem Berg Sina/ ſiehet daß die Bruͤder arbeite-
ten: derhalben redet er ſie an und ſagt: Warumb wircket ihr dieJoan. 6.
Speiß/ ſo da verdirbt: Maria hat den beſten Theil er-
waͤhlet;
mit dieſer halt ichs/ &c. Da dieſes der kluge Sylvanus hoͤrt/Luc. 10.
befilcht er ſeinem Juͤnger Zachariaͤ/ er ſoll ihm ein Buch geben/ auff daß er
zu leſen habe/ und fuͤhren ihn in eine leere Cell/ ſo auch geſchehen iſt. Zur
Eſſen-Zeit ſicht ſich der Frembdling umbher/ und verwundert ſich/ daß ihn
niemand zum eſſen ruffe. Nach gehaltener Mahlzeit kombt ſelbiger zum
heiligen Sylvano und ſagt: Vatter/ haben die Bruͤder nicht geſſen? Frey-
lich/ antwortet Sylvanus: warumb bin ich/ ſagt er/ dann nicht zum eſſen
geruffen worden? Weilen du/ ſagt der Alt-Vatter/ ein geiſtlicher Menſch
biſt/ und bedarffs dieſer Speiß/ darumb hat dich niemand geruffen; wir a-
ber als fleiſchliche Menſchen muͤſſen/ und derhalben arbeiten wir: du haſt den
beſten Theil erwaͤhlet; du leſeſt den gantzen Tag/ und wilſt kein fleiſchliche
Speiß annehmen. Hieruͤber iſt der Frembdling anders geſinnet worden/
und hat umb Vergebung gebetten. So hat dann/ ſagt Sylvanus/ Ma-
ria ihrer Schweſter Marthaͤ Huͤlff vonnoͤthen: dann umb Martha Wil-
len wird Maria gelobet.

9. So hoch haben die Alt-Vaͤtter die Hand-Arbeit geſchaͤtzet; daß/ wie
der heilige Hieronymus bezeugt/ keiner ohne ſelbige weder angenommen/
weder geduldet wurde. Keinem wurde der Muͤſſiggang geſtattet; ſondern
mit der Hand-Arbeit muſten ſie ſich ernehren/ und nicht allein thaͤten ſie von
dem jenigen/ was ſie mit ihrer Arbeit gewunnen/ den Frembdlingen/ den an-
kommenden Bruͤdern und Gaͤſten das Stuͤck Brod mittheilen; ſondern ſie

ſchickten
B b b b
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[561/0589] Von der Hand-Arbeit. verſtehen/ daß ein Muͤnch ohne die Hand-Arbeit nicht beſtehen moͤge. 8. So ſehr haben die H. H. Alt-Vaͤtter die Hand-Arbeit geliebt/ daß ſie auch die gemachte Arbeit zerbrochen/ und wiederumb gemacht; diewei- len ſie in den Send-Schreiben deß heiligen Apoſtels Pauli geleſen hatten: Der nicht arbeitet/ der ſoll nicht eſſen. O wann dieſer Befelch deß Apoſtels gehalten wuͤrde/ ſolte man wenig muͤſſige Menſchen finden! Anjetzo aber finden ſich ſehr viele/ welche entweder auß Faulheit einen Widerwillen ſchoͤpffen zu der Arbeit; oder ſeynd eigenſinnige Koͤpff/ die ſich einbilden/ ſie wollen nur durch ſtetes Speculiren und Betrachten zu groſſen Heiligen wer- den/ und ſeynd doch vielmahlen ſo geſchickt darzu/ als ein Eſel zu der Muſic. Mit dergleichen muͤſſigen Leuthen ſoll man umbgehen/ wie der erfahrne Vatter Sylvanus mit einem ſolcher Art Menſchen gehauſet hat. Die- ſer als ein Frembdling auff dem Berg Sina/ ſiehet daß die Bruͤder arbeite- ten: derhalben redet er ſie an und ſagt: Warumb wircket ihr die Speiß/ ſo da verdirbt: Maria hat den beſten Theil er- waͤhlet; mit dieſer halt ichs/ &c. Da dieſes der kluge Sylvanus hoͤrt/ befilcht er ſeinem Juͤnger Zachariaͤ/ er ſoll ihm ein Buch geben/ auff daß er zu leſen habe/ und fuͤhren ihn in eine leere Cell/ ſo auch geſchehen iſt. Zur Eſſen-Zeit ſicht ſich der Frembdling umbher/ und verwundert ſich/ daß ihn niemand zum eſſen ruffe. Nach gehaltener Mahlzeit kombt ſelbiger zum heiligen Sylvano und ſagt: Vatter/ haben die Bruͤder nicht geſſen? Frey- lich/ antwortet Sylvanus: warumb bin ich/ ſagt er/ dann nicht zum eſſen geruffen worden? Weilen du/ ſagt der Alt-Vatter/ ein geiſtlicher Menſch biſt/ und bedarffs dieſer Speiß/ darumb hat dich niemand geruffen; wir a- ber als fleiſchliche Menſchen muͤſſen/ und derhalben arbeiten wir: du haſt den beſten Theil erwaͤhlet; du leſeſt den gantzen Tag/ und wilſt kein fleiſchliche Speiß annehmen. Hieruͤber iſt der Frembdling anders geſinnet worden/ und hat umb Vergebung gebetten. So hat dann/ ſagt Sylvanus/ Ma- ria ihrer Schweſter Marthaͤ Huͤlff vonnoͤthen: dann umb Martha Wil- len wird Maria gelobet. Hiſtoria. Joan. 6. Luc. 10. 9. So hoch haben die Alt-Vaͤtter die Hand-Arbeit geſchaͤtzet; daß/ wie der heilige Hieronymus bezeugt/ keiner ohne ſelbige weder angenommen/ weder geduldet wurde. Keinem wurde der Muͤſſiggang geſtattet; ſondern mit der Hand-Arbeit muſten ſie ſich ernehren/ und nicht allein thaͤten ſie von dem jenigen/ was ſie mit ihrer Arbeit gewunnen/ den Frembdlingen/ den an- kommenden Bruͤdern und Gaͤſten das Stuͤck Brod mittheilen; ſondern ſie ſchickten B b b b

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/589>, abgerufen am 22.11.2024.